Bibliotheken ohne Stimmung


Bibliotheken ohne Stimmung


Ich besuche seit einigen Wochen die Bibliothek in meinem neuen Wohnort – und da gibt es manches, was mich mal traurig, mal böswillig macht.

Schon früher, als ich noch in meinem ehemaligen Heimatort lebte, begann ich mich in der Bibliothek einfach fremd zu fühlen. Also – ich, eine ehemalige Bibliothekarin, die ich auch mehrere Jahre lang war. Die Bibliotheken wurden nämlich – scheinbar schöner. Es riecht hier nicht mehr nach Staub. Keine Reihen von kleinen Schubläden: keine Papierkataloge, keine Karten für Leser/innen, keine für die Bücher. Alles digitalisiert. Die Bücherregale sind nun modern, pflegeleicht. Die Bibliotheken tun jetzt auch viel mehr, als nur Bücher ausleihen; verständlich, dazu wäre dann nun ein Mitarbeiter genug. Es gibt also Treffen, Vorlesungen, Events…

Was aber fehlt, ist die Stimmung von früher. Vor allem – die Stille. Es war ja klar, dass man in der Bibliothek nur flüstert, und nur, wenn wirklich nötig. Das galt auch für die Kinderabteilung, und nur selten gab es Situationen, dass da ein kleiner Witziger zu kichern begann. Schnell auch aufgehört, denn sonst: bitte raus. Und der kam natürlich nicht auf die Idee, zu protestieren, oder den Bibliothekar vor Gericht zu stellen. Die Stille war angesagt, verständlich, und basta.

Ich konnte mal vor einigen Jahren in einer Bibliothek hören, wie sich die Mitarbeiterinnen so laut unterhalten haben, als wären sie bei einer Party, und alle schon mit Einigen in der Krone. Es hatte keinen Sinn, eine Bemerkung zu machen. Sie würden nicht verstehen, worum es mir geht. Zumal sie wahrscheinlich früher, bevor sie sich den Beruf gewählt hatten – weil leicht und sauber – die Bibliotheken nur von draußen gesehen hatten.

In meiner jetzigen Bibliothek wird‘s auch nicht mehr geflüstert. Einer von den Mitarbeitern hört sogar Radio… Und das Wichtigste: Bücher. Dafür kann das Personal nichts, es sind aber immer häufiger nur Bücher – und keine Literatur. Wenn ich mir also etwas zu lesen aussuche, sind es meistens keine Neuerscheinungen. Eher etwas, was noch im XX. Jahrhundert herausgegeben war.

Weil ich die ganze Situation nicht ändern kann, habe ich beschlossen, meine Bibliothek zu mögen. Daher auch dieser Eintrag, sogar mit einigen Fotos (Fotografieren von der Direktion genehmigt). Nur diese bunten Sofas im Kindergarten-Look, die machen mich jedes Mal wütend. :)


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Kommentare (12)

keyly

Liebe Christine!

Eine Bibliothek sollte auch in meinen Augen etwas Einladendes, Gemütliches, eben einen hohen Wohlfühlfaktor haben. Betritt man einen solchen Raum, möchte man die tägliche Welt mit ihrem Lärm und ihrer Hektik hinter sich lassen und entspannt in eine andere Umgebung eintauchen.

Selbstverständlich ist hier Stille angebracht; für viele Leute von heute mittlerweile fast unheimlich. Sie haben nicht gelernt, wie viele Möglichkeiten Stille eröffnet, allerdings muss man dazu das eigene Gehirn nützen, eine Bespaßanstalt ist eine Bibliothek nicht.  

So steril eingerichtete Räume mit hochmodernen und in kürzester Zeit wieder völlig out empfundenen Möbeln sind vielleicht praktisch, vermitteln aber absolute Kälte, in der sich ein Versinken in die Lektüre bzw. Neugierde, Begeisterung, Mitgefühl oder Aufregung nicht recht entwickeln können.

Ich entsinne mich an eine kleine Zweig-Buchhandlung eines einst sehr großen Verlages, vollgestopft mit Büchern, in der es abseits auch kleine Tischchen mit Sitzgelegenheiten gab. Zusätzlich konnte man dort einen wirklich guten Automaten-Kaffee beziehen. Ich trug meist 3 bis 4 Bücher und eine Tasse Kaffee zu diesem Tischchen und begann mit meinen Leseproben. Eine wunderbare Erinnerung, obwohl es sich nur um ein kleines Verkaufsgeschäft handelte. Leider gibt es dieses und ähnliche Geschäfte nicht mehr.

Meine Mutter machte mich schon in frühen Jahren mit einer Leihbibliothek bekannt. Schon damals zog mich die überbordende Füle von Büchern in ihren Bann. Zwischen den dicht gedrängten, überfüllten Regalen saß eine mittelalterliche, unauffällige Frau, die den Eindruck erweckte, wirklich jedes Buch gelesen zu haben. Ihre Beratung war großartig.

Bei mir im Ort gibt es eine Buchhandlung, deren Besitzerin ein Mal in der Woche den Kindern aus Büchern vorliest. Die Kleinen sitzen dann ganz aufgeregt um sie herum, aber sie versteht es hervorragend, trotz kindlicher Ungeduld überraschend ruhige Zuhörer aus ihnen zu machen. 

Lesen ist mehr als eine oberflächliche Kurzzeitbeschäftigung, schon deshalb sollte die Auswahl der Bücher eine sorgfältige sein. Auch ich lese mehr ältere Literatur. Sie unterscheidet sich stark von der heutigen Art zu schreiben und bietet unter anderem auch eine Fülle von immer mehr in Vergessenheit geratenden Ausdrücken. 

Liebe Grüße Lydia
 

 

Christine62laechel

@keyly  

Liebe Lydia,

Wort für Wort Recht... Bibliotheken gehören (oder leider gehörten?) zu der sogenannten höheren Kultur. Heutzutage soll man wahrscheinlich den Begriff meiden, damit sich Diejenigen, die jegliche Kultur ganz offen verachten, nicht beleidigt fühlen. Denn sie haben wirklich vieles nicht gelernt; daher keine Ahnung, keine Vorliebe, keine Gewohnheit.

Um so schöner, dass es immer noch solche Personen gibt, wie die Buchhandlungsbesitzerin, die den Kindern regelmäßig aus Büchern vorliest. Und dabei kann sie auch noch eine richtige Atmosphäre schaffen. Viele würden jetzt meinen: sie manipuliert die Kinder! Sie sollten frei in der Bibliothek herumlaufen dürfen, und schreien, wenn es ihnen danach ist! - Also, wenn ich mit so etwas zu tun habe, werde ich total traurig und böse.

Aber hoffentlich gibt es immer noch Menschen, die den Geist der Bücher, der Bibliothek, der Bücherei, verstehen können. Die selber so viel lesen, dass sie eben die Anderen auch beraten können. Und die wissen, wie wichtig dabei eine richtige Stimmung ist. Und die Stille.

Mit herzlichen Grüßen
Christine



 

JuergenS


aber das würde euch dann auch nicht gefallen, schmunzel


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Christine62laechel

@JuergenS  

Kein Problem, zusammen mit Barbarakary würden wir alles im Nu in Ordnung bringen. :) Dieses künstliche Azubi-Mädchen könnte vieles von uns lernen.

barbarakary

Es fehlt natürlich das gewisse Etwas, was die modernen Farben und die Metallgestelle nicht liefern können! Unsere ehrenamtlich geführte Bibliothek - immer noch mit Lesekarten - war bis vor einigen Jahren im alten Rathaus untergebracht: schiefe Holzregale gepaart mit einigen modernen Metalldingern sowie einem modernen Schreibtisch - Blick durchs Fenster auf eine Wiese mit Pferden....sehr schön! Nach dem Umzug mussten wir uns etwas verkleinern, haben nun Rollregale aus Metall, die man bei Lesungen auch mal zur Seite schieben kann. Manche moderne Literatur ist tatsächlich gewöhnungsbedürftig. Vor allem, wenn das Buch auch noch Preise eingeheimst hat - wofür??? Das verstehe, wer will....Trotz allem, versehe ich meinen Dienst alle zwei Wochen für drei Stunden immer noch gerne - inzwischen seit 20 Jahren....Zum Glück sind wir fünf Ehrenamtliche, die die Öffnungszeiten somit gut abdecken können.

Dir wünsche ich trotz der modernen Umgebung viel Freude mit der Bibliothek - etwas wird sich immer finden, was lesenswert ist!!!

LG barbarakary

Christine62laechel

@barbarakary  

Das finde ich sehr schön - ehrenamtlich Dienst haben; das würde ich auch gerne.

Gewöhnungsbedürftig - ja, so ist die moderne Literatur sicher, ich bleibe also doch bei der älteren. Trotz der Preise - es ist ja klar, dass darüber nur die Menge der - aus welchen Gründen auch immer - begeisterten Leser/innen entscheidet, und nicht mehr ein echter Wert so eines oder anderen "Werkes".

Ja, solange ich mir selber aus dem Metallregal etwas holen kann, ist alles in Ordnung. Und auf die Farben mache ich Augen zu, schnell raus, in meine "langweilig" helle Wohnung. :)

Mit herzlichen Grüßen
Christine

Rosi65

Liebe Christine,

diese Bibliothek sieht optisch (klares Design, hell, übersichtlich) auf Deinen Fotos doch sehr positiv und ansprechend aus.

Nur die Farbe, besonders das schreiende Giftgrün der Sitzgruppe ist sehr unglücklich ausgewählt.
Dadurch harmoniert das ruhige Gesamtbild nicht mehr, sondern vermittelt dem Besucher eher eine störende Unruhe. Der Hauptakteur, in diesem Fall die Bücherauswahl, wirkt somit zweitrangig und unscheinbar, während diese Sitzgruppe jetzt der dominante und konkurrierende Blickfang ist.

Doch das Positive daran: Es hätte aber (z.B. mit einer blinkenden Leuchtreklame) erheblich schlimmer ausfallen können.😊

Herzliche Grüße
   Rosi65


 

Christine62laechel

@Rosi65  

Du hast mich also gut verstanden, liebe Rosi, und es auch mit treffenden Worten beschrieben, prima.
Ich glaube, weil es im Erdgeschoß eine Kinderabteilung gibt, grell ausgestattet bis geht nicht mehr, dass man bei einem und demselben Produzenten bleiben wollte. :) Selbst für Kinder finde ich aber so etwas nicht richtig: erstens, Bibliothek muss nicht ein Spielplatz sein. Zweitens: es steht ja fest, dass die Kinder heutzutage sowieso überstimmuliert sind; solche Farben empfinden sie wahrscheinlich gar nicht als schön und angenehm. Wann wird diese Mode endlich nicht mehr aktuell...

Mit lieben Grüßen
Christine

JuergenS

du hast dich ja entschlossen diese Bibliothek dennoch zu lieben.

Das ist sehr weise, erinnert mich an einen der unzähligen Lebens-Ratschläge, die ich mal aufgeschnappt habe:

Wenn du etwas nicht hassen darfst, musst du versuchen, es zu lieben.

Geht aber nicht immer.

Christine62laechel

@JuergenS  

Nicht gleich lieben, hallo, sondern nur - mögen. :) Mit dem Spruch hast du aber Recht, und auch damit, dass es leider wirklich nicht immer geht. Und diese Tatsache muss man auch nichts als nur - lieben...😒😊

Songeur

Bibliotheken habe ich in meinem Leben eher seltenst besucht, Christine.

Darunter war aber vor rund 15 Jahren eine in Liège, die genauso modern aussah, wie die auf deinen Bildern. So bunte Sitzgelegenheiten gab es dort allerdings nach meiner Erinnerung nicht.

So habe ich also deinen Bericht interessiert gelesen und wundere mich nun, dass dir diese Art Bibliothek nicht gefällt.


 

Christine62laechel

@Songeur  

Siehst du, lieber Hubert, da hast du also etwas Schönes versäumt... Für mich war die Bibliothek schon immer etwas sehr Wichtiges. Die erste, die ich als Kind viele Jahre regelmäßig besuchte, war einfach eine Zuflucht für mich, wo ich mich von meinem lauten und opressiven Elternhaus erholen konnte. Eine Bibliothek blieb auch später für mich ein Ort, wo die Leser/innen, die Mitarbeiter, die Bücher - alle und alles wurde da respektvoll und aufmerksam behandelt.

Warum mir so eine neue nicht gefällt...? Der Unterschied zwischen einer alten, und einer modernen Bibliothek wäre etwa so, wie zwischen einer wunderschönen Weihnacht, wo man noch gerne an den Weihnachtsmann glauben will, und einem bloßen Winterfest, mit einem Onkel und seinem künstlichen Bart. :)


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