Wunderbares Wunder


Wunderbares Wunder


 

Ich schaue durchs Fenster in unseren Garten. Ist das nicht wunderbar? Das Gras, die Büsche, die Blumen, die Bäume, alles ist nur für uns gemacht. Jedenfalls glauben wir es. Sieh doch, wie die Vögel beschäftigt sind, die Hummeln, die Ameisen. Sieh genau hin, wie die Sonne all das mit ihrer Wärme überschüttet. Alles bewegt sich, alles wächst, blüht, verändert sich. Alles lebt!
  Und doch: Leben auf unserer Erde, ist das einfach so natürlich? Kann das vielleicht nicht auch unnatürlich sein, dieses ›Natur pur‹? Denken wir an die eisigen Polargebiete, an feuerspeiende Vulkane. Was sind die glühenden Wüsten unter der Brise des heißen Windes? Unnatürlich, wie auch der zerstörerische Tsunami im Ozean? Haben wir die alles vernichtenden Erdbeben im Blick, auch das ist ja Natur pur? Ja, all das ist halt das Leben auf unserem Planeten!
   Aber das Leben auf unserer Erde versucht, all diesen tödlichen Gefahren zu widerstehen. Das Leben kämpft, es will mehr! Und es sucht nach allem, was es dafür braucht. Das Leben sucht meist all das, was es nicht selbst hat. Das Leben raubt sich all das, was nötig ist, um eben zu überleben! Das Leben ist ständige Rebellion. Mit allen möglichen Mitteln und auf allen möglichen Wegen.
   Dafür tauscht das Leben alles, was zu seinem Zweck passt, und was sein eigenes Defizit ergänzen kann, um erfolgreich für seinen eigenen Schutz gegen die Natur zu kämpfen. Das ist enorm wichtig. Jeder bestätigt, verteidigt und fördert sein eigenes Selbst. Sieh hin, wie der Löwenzahn seine Blätter weit unten spreizt und das Gras abstößt. Und wie die Rosen ihre Dornen schärfen, wie die mutige Amsel die gierige Elster von seinen Jungen wegjagt.
  Licht und Dunkelheit. Zwischen diesen Polen finden sich die Dinge in konstruktiven Wechselwirkungen. Sehen wir uns doch dieses Schauspiel des Seins an! Diesen Widerstand des Lebens gegen die Natur. Es passiert einfach, tausendmal und zu jeder Zeit, einfach unschlagbar.
  Niemand muss irgendeinen Knopf drücken oder nach Lourdes pilgern, um Wunder zu erleben. Diese ›Wunder‹ geschehen einfach. Milliardenfach und in ganz gewöhnlicher Weise. So gewöhnlich, dass wir es kaum noch bemerken. Wir denken kaum darüber nach. Nehmen wir doch mal die Zellteilung.
    Der gesamte menschliche Zellzyclus beispielsweise dauert etwa 19,5 Stunden. Das ist die Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden Zellteilungen. Ist das nun viel? Wie viel ist denn ›viel‹? Wie klein ist klein? Wie komplex ist komplex? Ist der Bodensee klein oder groß? Es kommt immer auf den Standpunkt an.
     Ich schaue auf unseren Garten. Unser Garten. Unser? Aber was geschieht denn hier? Geben wir ihm das Leben? Können wir alles wachsen und blühen lassen? Sind es unsere Bakterien, unsere Mikroben, unsere Bienen oder Wespen, unsere Hummeln oder Mücken? Unsere Schwalben? Das Rotkehlchen sieht keinen Zaun um unsere Gärten, für ihn ist alles frei, freie Natur! Wie der fliegende Flaum des Löwenzahns. Er fliegt, wohin er will, nicht wahr?
    Ach ja, noch eine letzte Frage: Ist es unsere Erde, unsere Sonne? Unser Sonnenlicht, unser Chlorophyll? Ja, dieses Wunder gehört uns, uns allen! Aber wir sollen es auch bewahren. Ich empfinde es als Wunder, dass wir das dürfen! Denkst Du das nicht auch?


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Kommentare (4)

Jutta

Lieber Horst,

Viele Fragen über das Leben der Natur, die Natur, die das grösste Wunder unserer Erde ist und bleiben wird. Die Natur ist so grossartig und stark, dass sie Flächen, wo Ungutes geschah, zudecken kann, als wäre nichts geschehen.
Tragen wir Sorge zur Natur nach unseren Möglichkeiten, damit wir sie weiter und noch lange geniessen dürfen.
Ich hoffe sehr, die Naturgestalt "Mensch" hat oder behält das Bewusstsein, dass er ohne das grösste Wunder der Erde, die Natur, nicht leben kann.
Einen bewussten Gruss gen Norden von

Jutta

 

JuergenS

Deine vielen Fragen sind zugleich auch Spiegel von uns staunenden Menschen.

Rosi65


Eine sehr schöne Liebeserklärung an Mutter Natur...

Dabei muss ich an die sehnsuchtsvollen Worte eines einheimischen Reiseleiters denken, der mitten in der kargen und dürren Gegend irgendwo in Nordafrika plötzlich seufzte:
“Ach, das grünste und reichste Land in dem ich mal war, ist das Sauerland..., dort ist alles so wunderschön grün, genau wie in einem richtigen Paradies.“😉

Christine62laechel


Das finde ich wieder mal schön: Fragen, Fragen, Fragen... Und eines noch: wie das Rotkehlchen, kann man wohl - in Gedanken - "keinen Zaun um unsere Gärten" sehen.

Mit Grüßen
Christine


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