Schatz oder "Schätzchen"


Bestimmt werden einige von Euch, genau wie ich, sehr gerne einen Trödelmarkt besuchen. Für mich ist ein Fest für die Augen, und manchmal werden Erinnerungen aus längst vergangenen Tagen wach.
Ich habe mal etwas zum Thema Trödelmarkt aufgeschrieben. Vielleicht hat der eine oder andere von Euch ebenfalls eine kleine Geschichte hier erlebt. Ich würde mich freuen, sie zu lesen:

Samstag morgen......5.00 Uhr........leicht beschwingte Musik ertönt aus dem Wecker.....Aufstehen !!!
Wenn sich andere Menschen noch einmal im Bett herumdrehen, dann ist es für Trödelmarktbesucher höchste Zeit, aus den Federn zu springen.........denn nur „der frühe Vogel fängt den Wurm“.

Ausgiebig frühstücken.....dafür bleibt heute keine Zeit!
Kleingeld und Plastiktüten sind wichtige Utensilien...........die müssen unbedingt mitgenommen werden. Und dann geht´s los!

Je näher ich an den Ort des Geschehens komme, desto mehr Autos und Menschen begegnen mir........sie haben wohl zu so früher Stunde alle das gleiche Ziel!
Die Parkplätze an der „Front“ sind schon alle vergeben......das macht aber nichts, denn schließlich bin ich noch gut zu Fuß......endlich habe ich doch noch einen gefunden.

Eine gewisse Vorfreude steigt nun auf den Höhepunkt.....was wird mich heute wohl erwarten?
Die morgendliche Sonne verspricht einen schönen Tag......noch ein paar Schritte und ich bin da! Schon weht mir der Duft von frisch gekochtem Kaffee und Donats um die Nase. Die Besucher und Verkäufer auf dem Trödelmarkt wollen schließlich gut versorgt sein..........und das ist wiederum ein lukratives Geschäft für eine Imbissbude.

Einige Anbieter kämpfen noch mit ihrer Müdigkeit und den aufzubauenden Tischen, auf denen sie ihre „Schätzchen“ präsentieren wollen. Hier gibt es ganz genaue Regeln..... Der Marktbeschicker achtet peinlichst darauf, denn das Standgeld richtet sich schließlich nach der Größe des Verkaufsstandes.

Der Trödelmarkt.........eine Welt für sich mit vielen Gesichtern und Geschichten!

Da gibt es z.B. den Profi-Verkäufer, der seine Schätze nicht nur bei „e-bay“ verkaufen will und auf allen Märkten zuhause ist. Er kauft günstig auf, was bei Haushaltsauflösungen etc. sonst auf dem Container gelandet wäre. Auf dem Trödelmarkt bietet er dann die alte Uhr an, die zuvor seinem Besitzer durch viele schöne und schlechte Stunden des Lebens begleitet hat. Ein Uhren-Liebhaber hat schon längst ein Auge darauf geworfen. Es ist ein ganz besonderes Stück.......ungewöhnlich schön im Aussehen, mit vergoldetem Pendel. Ob sie wohl ein Schlagwerk hat?..........Sie hat, verspricht der Verkäufer. Er dreht die Uhr sofort mit einem Schlüssel auf............und schon wenig später ertönt ein herrlicher Westminster-Glockenschlag. Für den Uhrenfreund ist es ein "Schatz". Was wird dieses schöne Stück wohl kosten? Eigentlich wollte er heute nicht viel Geld ausgeben. „Sechzig Euro“, der Verkäufer holt ihn mit tiefer Stimme aus seinen Gedanken. Jetzt ist Handeln angesagt. Trödeln ohne Handeln ist wie Brot ohne Butter und hier ein unbedingtes „Muss“. Jeder hat seinen Spaß daran......der Käufer und der Anbieter. "Für 40,-- Euro nehme ich sie mit" antwortet er. "oh, 40,-- Euro…das geht nicht….soviel habe ich schon dafür geben müssen", kontert der Verkäufer geschickt. Na ja, auf dem Trödelmarkt muss man nicht alles glauben, was gesagt wird. Bei 45,-- Euro wird man sich schließlich einig. Geld und Uhr wechseln ihren Besitzer…….und beide sind glücklich….der Uhrenfreund hat seinen Schatz und der Verkäufer hat schon jetzt seine Standmiete eingenommen.

Ich schlendere langsam weiter, und was ich zwei Stände weiter erblicke, lässt mein Herz höher schlagen…….Puzzle ohne Ende! Sie liegen zum Teil auf dem Boden und die gestapelten Kartons auf dem Tisch verdecken alles…….auch den Verkäufer. Ich schaue hinter den Stapel und sehe…diesmal ist es eine Verkäuferin. Eine ältere Dame, die emsig noch weitere Kartons aus einer großen Tasche holt. "So viele Puzzle, was sollen die denn kosten?" frage ich. "Drei Euro", lautete ihre Antwort. Hmm, drei Euro bezahle ich nicht auf dem Trödelmarkt für ein Puzzle. Zwei Euro sind für mich hier die absolute Grenze für ein außergewöhnliches Motiv……schließlich besteht dort das Risiko, dass ein Teilchen fehlt. So etwas ist ärgerlich…….jeder "Puzzelaner" wird mich verstehen. Na ja, mal sehen, was da noch zu machen ist. Also frage ich erst einmal weiter: "Haben Sie die alle gepuzzelt?" "Jaaa, ich würde sie auch nicht verkaufen" Sie hielt ein wenig inne, bevor sie weitersprach: "Ich muss sie verkaufen. Mein Mann ist im vorigen Jahr verstorben und die Wohnung, die 30 Jahre unser Zuhause war, kann ich mir nun von meiner Witwenrente nicht mehr leisten. Ich ziehe nächsten Monat um in eine kleine Wohnung und da haben meine Puzzle keinen Platz mehr…….leider." Ein wenig verlegen sah ich mir die Kartons an und suchte 3 Exemplare heraus…….. handeln, wie sonst bei mir üblich, konnte ich nun nicht mehr. Ich bezahlte den geforderten Preis und wünschte ihr eine gute Zeit.

Jetzt brauchte ich erst einmal einen Kaffee……dieses kurze Gespräch hatte mich tief berührt und zum Nachdenken veranlasst…….Mann weg, Zuhause weg, Hobby weg, als wenn der Verlust des geliebten Partners nicht schon genug wäre! Sicherlich hat sie sich, wie früher üblich, ausschließlich um ihre Familie gekümmert……dem Mann den Rücken freigehalten, die Kinder erzogen und den Eltern das Altersheim erspart……alles natürlich ohne Bezahlung und Rentenanspruch.

Ich trank den letzten Schluck Kaffee aus, gab meine Tasse der freundlichen Bedienung zurück und ging weiter…..vorbei an Ständen mit gebrauchten Staubsaugern, Babykleidung, hübsch bemalten Dachpfannen und Unmengen von Geschirr. An einem Bücherstand blieb ich stehen. Ein leicht ergrautes Pärchen bot seine Schätze an. Sie wirkten trotz der frühen Morgenstunde so beschwingt locker und waren sehr mit sich beschäftigt. Wer weiß, vielleicht waren sie frisch ineinander verliebt! Mit einem Schmunzeln blickte ich nun auf den Tisch…..voll gepackt mit Büchern. Was war das denn? …..ein Riesenbuch…..Foliant nennt man so etwas wohl. Der Mann hinter dem Verkaufstisch war meinem Blick gefolgt. "Leonardo da Vinci, eine wunderschöne Ausgabe über das Leben und Wirken eines Genies," sagte er, nahm das Buch aus dem Schuber und legte es auf den Tisch, so dass ich darin blättern konnte.
Sofort erkannte ich……es war genauso ein Buch, welches ein Verwandter in den 50er Jahre für 65,-- D-Mark gekauft hatte. Zu damaliger Zeit 65,-- D-Mark für ein Buch auszugeben, das war schon Luxus und musste abgespart werden.
Wie teuer würde dieses Prachtexemplar von Buch, das da vor mir lag, wohl heute sein. Es war zwar gebraucht, aber dennoch sehr gut erhalten? Ich blätterte weiter und bemühte mich, dass man mir die Begeisterung nicht ansah….das kann auf dem Trödelmarkt teuer werden! "30,-- Euro", sagte der Mann, "22,-- Euro", war meine schnelle Antwort. "Nein", schaltete sich da die Frau ein, "dafür gebe ich es nicht her, 25,-- Euro möchte ich schon haben! Ich gebe es nur sehr ungern ab."
"24,-- Euro, und ich verspreche, das Buch wird es gut bei mir haben" erwiderte ich. Mit "ja, dann 24,-- Euro" war das Geschäft besiegelt. Geld und Buch wechselten den Besitzer; für mich war damit der weitere Besuch des Trödelmarktes abgeschlossen…..ich hatte meinen "Schatz" gefunden und musste ihn nur noch heben….und das war gar nicht so einfach. Warum hatte ich nur so weit geparkt? Ich hätte ja auch noch etwas früher aufstehen können, ging es mir durch den Kopf. So ist es eben bei einem Trödelmarkt-Besuch.

"Leonardo da Vinci" liegt nun behütet in meinem Bücherschrank……es trägt folgende Widmung: "Zum Andenken an Dein bestandenes Lehrerexamen……Deine Eltern".
Eine Frage bleibt für mich dennoch offen: Warum trennt man sich von diesem Buch, welches einen unschätzbaren ideellen Wert hat?

Wer bisher noch keinen Trödelmarkt besucht hat, sollte mal einen Versuch starten.........es könnte jedoch Suchtgefahr bestehen ...........meint Carla




Anzeige

Kommentare (3)

Komet Deinen Gang über den Trödelmarkt hast Du sehr gut beschrieben.
Es war, als ob ich mit Dir darüber geschlendert wäre.
Als ich noch im Ruhrgebiet gewohnt habe, gab es in Essen immer einen großen Trödelmarkt, der wirklich sehenswert war.
Nicht nur Trödel, auch neue Ware und Antiquitäten.
Schön hast Du es beschrieben.

Viele Grüße Ruth.
Traute Da bin ich gleich mal ein Stückchen nebenher getrippelt und staune. Ich bin nicht schüchtern, aber ich habe bisher immer den geforderten Preis gezahlt, wenn er mir gerecht erschien.
Allerdings war ich noch nicht so oft auf einem Trödelmarkt. Bei uns im Osten macht man das erst nach der Wende.
Zuerst kamen die Holländer und kauften die alten Kommoden aus den Garagen.
Auch da handelte keiner. Inzwischen hat sich das wohl geändert. Ich gehe meistens Schlendern, statt Kaufen, die Stimmung gefällt mir und die Sachen zu betrachten. Wie Kunst und Krempel.
Mit freundlichen Grüßen,
Traute
luzi Dein Besuch auf dem Trödelmarkt, gut hast Du ihn beschrieben. Macht mir direkt Lust, es irgendwann auch mal zu versuchen. Vielleicht finde ich einen schönen Goldzahn, der fehlt mir noch, oder noch eine Blumenvase, die ich unbedingt haben muss. Vielleicht finde ich ja Dich , laaaaaaaaach.
Haste schön geschrieben, gefällt mir sehr.
Liebe Grüße luzi

Anzeige