Nicht nur Winterlich-Weihnachtliches von ... Äpfeln (... und mehr)
WW - Doppel-W: winterlich-weihnachtliches Natur-Gebild:
Eine Winter-Anthologie ... von Äpfeln (den genießbaren)
Für ein Leitmotto könnte ich Goethe zitieren:
Früchte bringet das Leben dem Mann; doch hangen sie selten
Rot und lustig am Zweig, wie uns ein Apfel begrüßt.
Vorab präsentiert: zweimal Gedichte von Äpfeln, beide für Kinder und natürlich jung gebliebene, „große Leut’“:
In meinem kleinen Apfel
In meinem kleinen Apfel,
da sieht es lustig aus.
Es sind darin fünf Stübchen
grad wie in einem Haus.
In jedem Stübchen wohnen,
zwei Kernchen schwarz und klein,
die liegen drin und träumen
vom lieben Sonnenschein.
Sie träumen auch noch weiter,
gar einen schönen Traum,
wie sie einst werden hängen
am schönen Weihnachtsbaum.
Es ist ein Volkslied, mit einer Melodie nach W. A. Mozart:
http://ingeb.org/Lieder/inmeinem.mid[/img]
*
Der Bratapfel
Kinder, kommt und ratet,
was im Ofen bratet!
Hört, wie's knallt und zischt.
Bald wird er aufgetischt,
der Zipfel, der Zapfel, der Kipfel,
der Kapfel, der gelbrote Apfel.
Kinder, lauft schneller,
holt einen Teller,
holt eine Gabel!
Sperrt auf den Schnabel
für den Zipfel, den Zapfel,
den Kipfel, den Kapfel,
den goldbraunen Apfel!
Sie pusten und prusten,
sie gucken und schlucken,
sie schnalzen und schmecken,
sie lecken und schlecken
den Zipfel, den Zapfel,
den Kipfel, den Kapfel,
den knusprigen Apfel.
(Volksgut aus Bayern)
(Vermutlich verfasst von Fritz und Emily Kögel und wohl erstmals veröffentlicht im 1901 von diesen bei Teubner, Leipzig, herausgegebenen Kinderbuch "Die Arche Noah".)
*
Hier habe ich - für einen Wintertag und länger - einen ästhetisch-analytischen Apfelwein gezapft
Oder:
Von einem angeknabberten, lyrischen Apfel...?
Tafel-Angebot:
Eine Interpretation von Elke Heidenreich zu einem Kunze-Gedicht:
Reiner Kunze: „Apfel für M.R.-R."
Aus dem Gedichtband "Auf eigene Hoffnung“
Reiner Kunze:
Apfel für M. R.-R.
Höchste zeit kommt von innen
Höchste zeit ist, wenn die kerne schön schwarz sind
Und das weiß zuerst der baum
*
[Diese "Recht"-Schreibung ist original-kunzisch; auch wenn semantsich und grafisch unsinnig. - Aber ich hätte das Gedicht auch nicht abgedruckt, wenn es nicht von E. Heidenreich für M. R.-R. so virtuös-generosig präsentiert worden wäre.]
*
Elke Heidenreich
Die Gärtner und die Kritiker
Was soll das sein, ein Gedicht? Am Anfang werden -schamlos? - zwei Briefe zitiert, dann folgen fünf lapidare1 Zeilen. Doch wohl eher ein Epigramm als ein Gedicht? Die Überschrift sagt: Es ist ein Apfel. Etwas, wovon ich mich ernähren kann, das mir guttut. Dieser Apfel ist für jemanden bestimmt, für einen M.R.-R., der im Dezember 1978 und im Mai 1980 wohl diese Briefe geschrieben hat, und da es nicht allzu schwer ist, herauszufinden, wer M.R.-R. sein mag, lässt sich hier ausnahmsweise die Geschichte eines Gedichtes gut recherchieren.
1977 übersiedelte der Lyriker Reiner Kunze nach jahrelangen, geradezu lebensbedrohlichen Schikanen der DDR-Regierung in den Westen, eine sehr beachtete Reise. Ein Neuanfang? Anfangs schien es so. 1978 schrieb er das Drehbuch zum Film „Die wunderbaren Jahre", dann wurde es still um ihn, den großen Lyriker der kleinen, knappen Form. Und weil es gar zu still wurde, schrieb M.R.-R. im Dezember 1978 eben jenen ersten Brief und fragte an - sollte es nicht etwas Neues zu lesen geben? Ein unerhörter Vorgang: Ein Kritiker mahnt an, dass wieder Gedichte geschrieben werden müssen. Gedichte, die die privateste, komplizierteste, persönlichste Form der Literatur sind!
Es scheint, als habe der Angesprochene, der Dichter, darauf auch gar nicht reagiert. Aber der Kritiker ließ nicht locker. Es sei höchste Zeit, befand er anderthalb Jahre später, dass es in „unserer" - will sagen: in dieser Zeitung nun endlich wieder etwas vom Dichter zu lesen gäbe.
Noch ein Jahr verging. Der Dichter schwieg, und wir denken: Vielleicht war er gekränkt? Und eigentlich nehmen wir ihm dieses Gekränktsein ein klein wenig übel, denn eigentlich sollte er sich doch freuen, dass ein so starker Wunsch nach seinen Gedichten besteht, ein derart beharrliches Interesse eines wichtigen deutschen Literaturkritikers. Andere würden vor Freude das ganze Füllhorn ihrer Produktivität unverzüglich vor diesem Kritiker ausbreiten, und er, er schweigt?
Er schweigt bis 1981, dann erscheint Reiner Kunzes erster Gedichtband nach der Übersiedelung in den Westen. Er heißt „auf eigene hoffnung" und verzaubert mit Gedichten, die mich seither täglich durch mein Leben begleiten. Gedichte über uns und die unbegreifliche Welt, in der wir leben - warum putzen wir das Auto? Weil das Schreiben so schwer ist, oder, wie Kunze es nennt, „wegen der entfernungen / von einem wort zum andern". Und das Gedicht über Bach, der gewiss zu Füßen Gottes sitzt, wenn Gott denn Füße hat, und zwar sitzt er dort, er, der Künstler, und nicht der Magistrat von Leipzig. Man möchte, ich möchte, das ganze Buch zitieren, jedes Gedicht ist ein solches Glück. Und dann plötzlich dieses: „Apfel für M.R.-R.“
Ist das Trotz? Eine Kränkung? Ein Hinweis, man möge ihn in Ruhe lassen? Es ist der Versuch, die Schwierigkeit zu beschreiben, die das Verfassen eines Gedichtes bedeutet. Das geht nicht mal eben so. Das muss wachsen, reifen, es muss sich - und sei es noch so kurz! - entwickeln. Wie ein Äpfel am Baum. Erst ist da eine Blüte, eine Idee, dann eine winzig kleine Frucht, und waren das Ganze reif ist, gut für uns, fertig - das, lieber MJR.-R., weiß eben zuerst der Baum, nicht der Kritiker. Ein Gedicht als Antwort des umworbenen Autors an einen Kritiker, der sich um ihn sorgt. Nachgefragt, wie ihn dieses Gedicht berührt oder erreicht hat, sagt Marcel Reich-Ranicki: „Ich habe Kunze damals widersprochen und gesagt, nein, der Baum weiß gar nichts! Wann der Apfel reif ist, das weiß allein der Gärtner."
Wir Leser brauchen alles: Baum, Gärtner, Apfel und vor allem: Gedicht.
Ein Wort zum Gärtner sei erlaubt: Der gute Gärtner hegt und pflegt, aber wir, die wir den Literaturbetrieb kennen, wissen, wie auch allzu oft kritische Gärtner zarte Pflanzen schon im Ansatz vernichten. Auch dazu finden sich in Reiner Kunzes Band „auf eigene hoffnung" anderthalb Zeilen auf den Literaturbetrieb: „Sie wollen nicht deinen flug, sie wollen / die federn."
In diesem Juni waren es vierunddreißig Jahre, dass sich der Herausgeber dieser „Frankfurter Anthologie" darum kümmert, dass Gedichte wahrgenommen und verstanden werden. Er will immer Flug, niemals Federn.
Die Rezensentin verneigt sich dankbar und isst den Apfel.
• Reiner Kunze: „auf eigene hoffnung". Gedichte. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1981.112 S. (Das Gedicht befindet sich auf S. 99, als erstes des Zyklus „und ein wirklicher leser wird sagen“.)
* ~ *
Meine Ergänzungen:
Sprachstolzereien: Superlative, die Geschwätz sind: „… privateste, komplizierteste, persönlichste…“
Die typisch geschwätzigen Übertreibungen einer Dame, die keine Literaturwissenschaftlerin, sonder eine geschmäcklerische Vielleserin mit große Emphase von allem und jedem, das sich weiblich oder gut verkäuflich ist; die noch nicht Gedichte zur Kenntnis genommen und rezensiert hat: … sie trage diesen Kunze-Band immer mit sich herum; als was?
Und was weiß sie darüber zu berichten?
Sie redet beim schmalen Werk Kunzes von einem „Füllhorn“ der „Produktivität“ – das ist intimige (d.h. „intim-geschwätzig“- der Satirismus sei erlaubt) Kenntnis.
Warum sollte ein Dichter aus „Gekränktheit“ schweigen, wenn er vom mächtigsten Feuilleton-Fürsten der BRD aufgefordert wird, sich zu präsentieren, ob mit Erkenntnissen oder Gemüsen oder Genüssen? Das Bild des Apfels ergibt sich aus keinen Buchstaben oder einer Andeutung. Stattdessen übernimmt er den geschwollenen Ausdruck „höchste Zeit“, auf den (oder die…) er sich einlässt, weil ihm ein Bild samt Alliteration einfällt; allerdings für einen geöffneten, zerschnittenen Apfel, den er als Ganzes anzubieten wagt.
1980 hat R.K. dieses Gedicht geschrieben; und es ist wohl sicher, dass er es zuvor M.R.-R schickte, bevor er es in „auf eigene hoffnung“ 1981 aufnahm.
Sie isst diesen Apfel, als sei er ihr zugedacht, zugeschrieben, geschenkt worden; einen Apfel, der nur eine ästhetische Behauptung ist; kein Figuren-Gedicht, wie barocke Dichter solche Frucht drucken ließen. Sie macht happahappa draus – aus! Sie kaut daran herum, wsa nicht ihr gewidmet ist; sie schmarotzt, dem mächtigen FAZ-Mann zu Liebe, der sie beschimpft und herabgesetzt hat, als „unfähig“, „... Dichtung“ wahrzunehmen; und der sie hier (in der FAZ vom 4.10.2008 drucken ließ zu seiner eigenen Hochwürdigung.
- Sie hat - als Frau, als Kritikerin, als Kommentatorin - keinerlei Bedeutung für Kunze oder die Schwierigkeiten anderer Exilanten aus der DDR gehabt. Sie mag es zur Kenntnis genommen haben, als sie noch als Schwatz-Elke oder als Else Stratmann rumprotzte.
Oh, ein Gedicht, leider mit dem unsinnigen Lyrismus „… Und das weiß zuerst / der Baum“ ist kein ökologisches, kein parabolisches – sondern nur ein fünfzeiliger Verlegenheitsstrunz: Züchtet, pflanzt Kunze ästhetische oder biologische Bäume – gar den Samen, die zu Äpfel werden, bis sie „schön schwarze“ „Kerne“ „sind“ - ein gewagt zuqualifiziertes Verb für einen Dichter.
Nein, selbst der Gärtner weiß es nicht; wann die Äpfelkerne „schön schwarz“ (huh: Alliteration!) sind; das weiß eher der Wurm, der den Apfel vermurkst; oder der Apfelesser, der dem Apfel nichts mehr nachsagt, sondern nur kwatschend schmatzt - und sich genährt wissen kann, trotz Dummheit oder Edelsinn. - Das ist das „Weißtum“ eines Apfels. Naturlyriker wie Loerke oder Lehmann wussten darum Bescheid.
Der Apfel, die Äpfelung – sie haben keine religiöse, keine kulturhistorische, keine gleichnishafte - nur eine konsumierbare Bedeutung.
So wird ein Kulturapfel zum Gedichtapfel, nicht zum Bratapfel – aber zur oral-kaptativen Genüsslichkeit, die man sich – flugs - einverleibt, ein infantil-naiver Vorgang, wenn es sich um ästhetische Momente handelt, die passabel gehandelt werden.
Vom Kulturapfel ein Bild:
http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Cleaned-Illustration_Malus_domestica.jpg
Ultima sententia:
Dass Kunzes Un-Rechtschreibung vor der Reform und nach der Reform Unsinn war und ist, zeigt sich an vielem Druckunsinn und etlichen Leseschwierigkeiten, die nur ihm eigentümlich sind und blieben: Eigennamen und Satzanfänge schreibt er groß; „gott“ aber nicht. Zahlen erschein bei ihm „groß“, weil er sie nicht anders integrieren kann; und es fällt ihm nicht auf, was da kalauer-grafisch unterläuft. Endpunkte fehlen; das mag er Brecht abgeguckt haben, als er ihm über die Schulter aber nicht in den Kopf kuckte.
Und der Schabernack der Groß- und Kleinschreibung bei der Wiedergabe von Zitaten. – R.K. hat die in allen deutschsprachigen Ländern einige Duden-Rechtschreibung der 50-90er Jahren aufgegeben; vielleicht war das sein wahrer politischer Trotz, den er nicht aufgeben mag.
Ach, ja: Apfel-Gedichte…?
Mörike:
Mit einem Granatapfel
Wilhelm Lehmann:
Aus: „Atemholen“ („Ein Apfel fällt. Die Kühe rupfen.:..“ – Als Suggestion einer Weide- und Kulturlandschaft)
Vgl. Interpretation von Antonius:
http://www.biblioforum.de/forum/read.php?3,3231,3432
Oskar Loerke:
Aus: „Besinnung zur Kriegszeit“:
„Dann plötzlich werde ich die Welt gewahr:
Wo eben Blust war, hängen volle Schoten,
Die Äpfel glühn sich an der Sonne gar
und scheinen warme Tiefen abzuloten.“
*
Da handelt es sich um Tradition, Bildung und Natur-Wahrnehmung, nicht um eitle Ver-Bildung, mit Hilfe von buchhändlerischem Überfluss.
Was „Leser brauchen…“? Gute Literatur; Leser und Fachleute, die unterwürfiges Getue von guten Gedichten unterscheiden können.
Und damit man schwermütig oder zum Kritikaster werden muss, einfache Äpfelchen vom Baum der Poesie genommen, ohne zu freveln:
Sechs pomologische Gedichte:
*http://www.germanistik.uni-freiburg.de/dafphil/internetprojekte/projekte7/apfel/apfel_lyrik.html
Nachtrag zu Kunze - ohne Äpfel:
Zu diesem Kunze-Gedicht ist ein schöner Film erarbeitet worden:
Reiner Kunze:
Du hattest ein viereck gemalt,
darüber ein dreieck,
darauf (an die seite) zwei striche mit rauch -
fertig war
DAS HAUS
Man glaubt gar nicht,
was man alles
nicht braucht.
Film zu Kunze-Gedicht
Es darf noch weiter geäpfelt werden:
Zur Symbolik des Apfels
Zum Erotischen und zur Rollenaspekt von Frau und Mann im religösen Kontext:
In ziemlich allen Darstellungen des menschlichen Sündenfalls ist ein Apfel im Spiel, in der Bibel, in der Kunst, im Gerede zwischen ode von Mann und Frau.
Im biblischen Ur-Text - im hebräischen - ist kulturbedingt jedoch von einem Apfel keine Rede, sondern lediglich von einer Frucht vom Baum, die sich die Frau als Nährerin für ihren Mann abpflückte.
Welche Baumfruchtdas gewesen sei, das wurde gerne diskutiert.
Im babylonischen Talmud im Abschnitt Sanhedrin 70a.b steht zu lesen: »Der Baum, von dem der erste Mensch aß, war ein Weinstock, denn es gibt keine Sache, die über den Menschen (so sehr) Wehklage bringt wie der Wein.«
Andere Vermutungen gehen dahin, dass es sich um eine Feige gehandelt haben könnte.
In allen Kulturen des europäischen und asiatischen Raumes spielt der Apfel - übe die Vitamin-Speisung hinaus - eine erotische und sexuelle Rolle; mal die Liebe und mal die Erkenntnis, mal die Fruchtbarkeit und mal die Erde als Gesamtheit des Lebens und das Leben in seiner Üppigkeit selbst symbolisierend.
Von Männern beauftragt, getrieben, verkünstlert - oder nur beschreiben: Göttinnen der Liebe und der Fruchtbarkeit wurden attraktiv bis ehrfurchtsvoll als Apfelträgerinnen dargestellt; dementsprechend steht der Apfel als Leckerheit sinnbildlich auch für das angeblich ewig Weibliche.
Die griechische Mythologie erzählt von einem goldenen Apfel, den Eris, die Göttin des Streits und der Zwietracht, mit der Aufschrift »der Schönsten« versehen und während einer Hochzeitsfeier unter die anderen Göttinnen des Olymp geworfen haben soll.
Den partout entbrannten Streit zwischen Athena, Hera und Aphrodite, wer denn diesen Apfel zu Recht in Besitz nehmen dürfe, schlichtete Zeus, indem er die Entscheidung an einen besonders männlichen, von Frauen präferierten, trojanischen Königssohn namens Paris delegierte. - Diese göttliche Inszenierung gedieh zum schlimmsten Streit, Krieg und Vernichtung in der hellenistsichen Politk und Kultur: Am Ende dieses Streits um den Zankapfel stand dann der Trojanische Krieg...
Der symbolische Gehalt des Genusses und des Zusammen-Genießes und die Übersteigerung des Apfels erhalten im Laufe dieser Entwicklung eine immer stärker negative Akzentuierung: neben Liebe, Fruchtbarkeit und Vollkommenheit werden nun auch Zwietracht, Bosheit und Sünde und das Böse an sich = ds Sexuelle mit der Frucht verbunden, was in der Geschichte vom »Sündenfall« seinen Niederschlag findet.
Die Apfelsymbolik wird mehrdeutig-ambivalent, und sie bleibt es, deutlich zu erkennen an der Darstellung der Frucht in der Kunst. Ist der Apfel in Evas Hand noch Sinnbild für Versuchung und Sünde, steht er bei Maria für die Fruchtbarkeit und in den Händen Jesu als Zeichen der Erlösung von der Sünde.
Als Zeichen für die Überwindung der Sünde und Heiligung des Leibes durch die Reinheit der Gottesmutter findet sich vielfach zu Marias Füßen eine Schlange, die im Maul einen Apfel trägt.
Rubens Gemälde »Die Heilige Familie unter dem Apfelbaum« ist ein Beispiel für die in diesem Sinn positive Deutung des Apfels. Rund anderthalb Jahrhunderte zuvor zeigte Berthold Furtmeyr eine Eva, die Äpfel an die Sünder verteilt, und eine Maria,, aus deren Hand die Gläubigen mit Hostien versorgt werden - eine Darstellung, die die Stilisierung jüdischen Marias als neue, christliche Eva in den Mittelpunkt rückt.
Zum Politisch-Majstätischen:
Zu den Insignien der kaiserlichen Macht im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation gehört der Reichsapfel, die verkleinerte Weltkugel, die schon in der Antike als Herrschersymbol bekannt war. Der Kirche gelang es nicht, dieses Zeichen einer rein weltlich verstandenen Herrschaft zu eliminieren; stattdessen adaptierte sie es: Karl der Große ließ den Reichsapfel mit einem Kreuz versehen, um die Gottgewolltheilt seiner Herrschaft zu dokumentieren!. Und in der christlichen Kunst finden wir seit dem 12. Jahrhundert Maria mit einem Reichsapfel, der die Weltherrschaft der Gottesmutter anzeigen soll - mit Fortwirkungen bis in die Gegenwart übrigens: Im März 1984 weihte Papst Johannes Paul II. der Madonna die Welt, Zu diesem feierlichen Ereignis wurde eigens das Gnadenbild von Fatima in Portugal nach Rom transportiert: eine Maria mit Strahlenkranz und Reichsapfel.
Eine der berühmtesten Apfel-Verführungsszenen von Lucas Cranach (Öl auf Holz, um 1513/ 15, Mainfränkisches Museum)
Aus dem Paradies - ein Apfel-Beispiel: Sex auf der Apfelwiese:
GERT O.E. SATTLER:
Die Frauen und das Paradies
Eva kriegte Adam rum
auf der Apfelwiese:
Beide flogen, schrummdibumm,
aus dem Paradiese.
Adam musste Würgetier
zum Verzehr erjagen,
durfte leider im Revier
nie ein Wörtchen sagen.
Aber Eva, die gebar
ihm drei stramme Söhne*.
Sie erfand, weil' s nötig war:
Wörter, Sätze, Töne.
Auf, ihr Frauen, denkt daran:
Durch die Welt der Kinder
wurdet ihr, von Anfang an,
echte Spracherfinder!
(*Anmerkung des Autors: Kain, Abel und Seth)
**
EVA, die sich als Eva anbietet:
Die Eva-Weiblichkeiten werden natürlich-kultürlich weiter inszeniert in einer geldgierigen und geilen Erfolgsgesellschaft... - z.B. für
"Werbung und Religion - Eine kritische Untersuchung zur Funktion der Religion in Werbeanzeigen" an einem Gymnasium in Kerpen.
Ich wünsche ihr Erfolg im Kopf, am Körper, in der Kultur...
Ein Projekt der Evang. Religionskurse der Jgst. 11 im Rahmen der Unterrichtsreihe „Religion als Alltagsphänomen.“
Eine Glosse:
Andreas Malessa:
»Eva gab Adam einen APFEL«
Wenn die verbotene »Frucht der Erkenntnis von Gut und Böse« ein reifer Apfel gewesen sein soll, dann fand der Sündenfall im Oktober statt. Das berühmte Kapitel 3 des biblischen Buches Genesis erwähnt aber weder einen »Apfel« noch das Wort »Sündenfall«.
Ein »goldener Apfel« - im Grunde die verkleinerte Weltkugel - und das goldene Zepter - ein stilisierter Schlagstock - waren schon bei den Herrschern der Antike das Symbol für Macht. In der orientalischen Bildsprache der weisen Erzählung vom Verlust des Paradieses besteht der »Sündenfall« des ersten Menschenpaares darin, dass sie Gott misstrauen, ihn »entthronen«, die Macht über sich, das Leben und ehe Welt an sich reißen, Gut und Böse ins eigene Ermessen nehmen und - sich sofort in Lügen, Schuldzuweisungen, Versteckspiel und Ausgrenzungen verstricken.
An diesem Machtmissbrauch der menschlichen Fähigkeiten war der »Apfel« genauso wenig schuld wie »das ewig Weibliche« ...
*
(Aus: Andreas Malessa: Kleines Lexikon religiöser Irrtümer. Von Abba bis Zölibat. Gütersloh 2007. S. 18)
Weitere Hinweise auf das lyrische oder das Prosa-Motiv des Apfels finden sich hier in schöner Gestaltung:
http://www.garten-literatur.de/Leselaube/abc/apfel.htm
Eine Winter-Anthologie ... von Äpfeln (den genießbaren)
Für ein Leitmotto könnte ich Goethe zitieren:
Früchte bringet das Leben dem Mann; doch hangen sie selten
Rot und lustig am Zweig, wie uns ein Apfel begrüßt.
Vorab präsentiert: zweimal Gedichte von Äpfeln, beide für Kinder und natürlich jung gebliebene, „große Leut’“:
In meinem kleinen Apfel
In meinem kleinen Apfel,
da sieht es lustig aus.
Es sind darin fünf Stübchen
grad wie in einem Haus.
In jedem Stübchen wohnen,
zwei Kernchen schwarz und klein,
die liegen drin und träumen
vom lieben Sonnenschein.
Sie träumen auch noch weiter,
gar einen schönen Traum,
wie sie einst werden hängen
am schönen Weihnachtsbaum.
Es ist ein Volkslied, mit einer Melodie nach W. A. Mozart:
http://ingeb.org/Lieder/inmeinem.mid[/img]
*
Der Bratapfel
Kinder, kommt und ratet,
was im Ofen bratet!
Hört, wie's knallt und zischt.
Bald wird er aufgetischt,
der Zipfel, der Zapfel, der Kipfel,
der Kapfel, der gelbrote Apfel.
Kinder, lauft schneller,
holt einen Teller,
holt eine Gabel!
Sperrt auf den Schnabel
für den Zipfel, den Zapfel,
den Kipfel, den Kapfel,
den goldbraunen Apfel!
Sie pusten und prusten,
sie gucken und schlucken,
sie schnalzen und schmecken,
sie lecken und schlecken
den Zipfel, den Zapfel,
den Kipfel, den Kapfel,
den knusprigen Apfel.
(Volksgut aus Bayern)
(Vermutlich verfasst von Fritz und Emily Kögel und wohl erstmals veröffentlicht im 1901 von diesen bei Teubner, Leipzig, herausgegebenen Kinderbuch "Die Arche Noah".)
*
Hier habe ich - für einen Wintertag und länger - einen ästhetisch-analytischen Apfelwein gezapft
Oder:
Von einem angeknabberten, lyrischen Apfel...?
Tafel-Angebot:
Eine Interpretation von Elke Heidenreich zu einem Kunze-Gedicht:
Reiner Kunze: „Apfel für M.R.-R."
Aus dem Gedichtband "Auf eigene Hoffnung“
Reiner Kunze:
Apfel für M. R.-R.
[i]Ich finde, es ist höchste Zeit, daß es wieder etwas Neues von Ihnen zu lesen gibt. (M.R.-R., brief vom 12. dezember 1978)
Bitte, lassen Sie von sich hören und schicken Sie mir Manuskripte, denn es ist ja nun höchste Zeit, daß es in unserer Zeitung etwas von Ihnen zu lesen gibt. (M.R.-R., brief vom 29. mai 1980
)
Bitte, lassen Sie von sich hören und schicken Sie mir Manuskripte, denn es ist ja nun höchste Zeit, daß es in unserer Zeitung etwas von Ihnen zu lesen gibt. (M.R.-R., brief vom 29. mai 1980
Höchste zeit kommt von innen
Höchste zeit ist, wenn die kerne schön schwarz sind
Und das weiß zuerst der baum
*
[Diese "Recht"-Schreibung ist original-kunzisch; auch wenn semantsich und grafisch unsinnig. - Aber ich hätte das Gedicht auch nicht abgedruckt, wenn es nicht von E. Heidenreich für M. R.-R. so virtuös-generosig präsentiert worden wäre.]
*
Elke Heidenreich
Die Gärtner und die Kritiker
Was soll das sein, ein Gedicht? Am Anfang werden -schamlos? - zwei Briefe zitiert, dann folgen fünf lapidare1 Zeilen. Doch wohl eher ein Epigramm als ein Gedicht? Die Überschrift sagt: Es ist ein Apfel. Etwas, wovon ich mich ernähren kann, das mir guttut. Dieser Apfel ist für jemanden bestimmt, für einen M.R.-R., der im Dezember 1978 und im Mai 1980 wohl diese Briefe geschrieben hat, und da es nicht allzu schwer ist, herauszufinden, wer M.R.-R. sein mag, lässt sich hier ausnahmsweise die Geschichte eines Gedichtes gut recherchieren.
1977 übersiedelte der Lyriker Reiner Kunze nach jahrelangen, geradezu lebensbedrohlichen Schikanen der DDR-Regierung in den Westen, eine sehr beachtete Reise. Ein Neuanfang? Anfangs schien es so. 1978 schrieb er das Drehbuch zum Film „Die wunderbaren Jahre", dann wurde es still um ihn, den großen Lyriker der kleinen, knappen Form. Und weil es gar zu still wurde, schrieb M.R.-R. im Dezember 1978 eben jenen ersten Brief und fragte an - sollte es nicht etwas Neues zu lesen geben? Ein unerhörter Vorgang: Ein Kritiker mahnt an, dass wieder Gedichte geschrieben werden müssen. Gedichte, die die privateste, komplizierteste, persönlichste Form der Literatur sind!
Es scheint, als habe der Angesprochene, der Dichter, darauf auch gar nicht reagiert. Aber der Kritiker ließ nicht locker. Es sei höchste Zeit, befand er anderthalb Jahre später, dass es in „unserer" - will sagen: in dieser Zeitung nun endlich wieder etwas vom Dichter zu lesen gäbe.
Noch ein Jahr verging. Der Dichter schwieg, und wir denken: Vielleicht war er gekränkt? Und eigentlich nehmen wir ihm dieses Gekränktsein ein klein wenig übel, denn eigentlich sollte er sich doch freuen, dass ein so starker Wunsch nach seinen Gedichten besteht, ein derart beharrliches Interesse eines wichtigen deutschen Literaturkritikers. Andere würden vor Freude das ganze Füllhorn ihrer Produktivität unverzüglich vor diesem Kritiker ausbreiten, und er, er schweigt?
Er schweigt bis 1981, dann erscheint Reiner Kunzes erster Gedichtband nach der Übersiedelung in den Westen. Er heißt „auf eigene hoffnung" und verzaubert mit Gedichten, die mich seither täglich durch mein Leben begleiten. Gedichte über uns und die unbegreifliche Welt, in der wir leben - warum putzen wir das Auto? Weil das Schreiben so schwer ist, oder, wie Kunze es nennt, „wegen der entfernungen / von einem wort zum andern". Und das Gedicht über Bach, der gewiss zu Füßen Gottes sitzt, wenn Gott denn Füße hat, und zwar sitzt er dort, er, der Künstler, und nicht der Magistrat von Leipzig. Man möchte, ich möchte, das ganze Buch zitieren, jedes Gedicht ist ein solches Glück. Und dann plötzlich dieses: „Apfel für M.R.-R.“
Ist das Trotz? Eine Kränkung? Ein Hinweis, man möge ihn in Ruhe lassen? Es ist der Versuch, die Schwierigkeit zu beschreiben, die das Verfassen eines Gedichtes bedeutet. Das geht nicht mal eben so. Das muss wachsen, reifen, es muss sich - und sei es noch so kurz! - entwickeln. Wie ein Äpfel am Baum. Erst ist da eine Blüte, eine Idee, dann eine winzig kleine Frucht, und waren das Ganze reif ist, gut für uns, fertig - das, lieber MJR.-R., weiß eben zuerst der Baum, nicht der Kritiker. Ein Gedicht als Antwort des umworbenen Autors an einen Kritiker, der sich um ihn sorgt. Nachgefragt, wie ihn dieses Gedicht berührt oder erreicht hat, sagt Marcel Reich-Ranicki: „Ich habe Kunze damals widersprochen und gesagt, nein, der Baum weiß gar nichts! Wann der Apfel reif ist, das weiß allein der Gärtner."
Wir Leser brauchen alles: Baum, Gärtner, Apfel und vor allem: Gedicht.
Ein Wort zum Gärtner sei erlaubt: Der gute Gärtner hegt und pflegt, aber wir, die wir den Literaturbetrieb kennen, wissen, wie auch allzu oft kritische Gärtner zarte Pflanzen schon im Ansatz vernichten. Auch dazu finden sich in Reiner Kunzes Band „auf eigene hoffnung" anderthalb Zeilen auf den Literaturbetrieb: „Sie wollen nicht deinen flug, sie wollen / die federn."
In diesem Juni waren es vierunddreißig Jahre, dass sich der Herausgeber dieser „Frankfurter Anthologie" darum kümmert, dass Gedichte wahrgenommen und verstanden werden. Er will immer Flug, niemals Federn.
Die Rezensentin verneigt sich dankbar und isst den Apfel.
• Reiner Kunze: „auf eigene hoffnung". Gedichte. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1981.112 S. (Das Gedicht befindet sich auf S. 99, als erstes des Zyklus „und ein wirklicher leser wird sagen“.)
* ~ *
Meine Ergänzungen:
Sprachstolzereien: Superlative, die Geschwätz sind: „… privateste, komplizierteste, persönlichste…“
Die typisch geschwätzigen Übertreibungen einer Dame, die keine Literaturwissenschaftlerin, sonder eine geschmäcklerische Vielleserin mit große Emphase von allem und jedem, das sich weiblich oder gut verkäuflich ist; die noch nicht Gedichte zur Kenntnis genommen und rezensiert hat: … sie trage diesen Kunze-Band immer mit sich herum; als was?
Und was weiß sie darüber zu berichten?
Sie redet beim schmalen Werk Kunzes von einem „Füllhorn“ der „Produktivität“ – das ist intimige (d.h. „intim-geschwätzig“- der Satirismus sei erlaubt) Kenntnis.
Warum sollte ein Dichter aus „Gekränktheit“ schweigen, wenn er vom mächtigsten Feuilleton-Fürsten der BRD aufgefordert wird, sich zu präsentieren, ob mit Erkenntnissen oder Gemüsen oder Genüssen? Das Bild des Apfels ergibt sich aus keinen Buchstaben oder einer Andeutung. Stattdessen übernimmt er den geschwollenen Ausdruck „höchste Zeit“, auf den (oder die…) er sich einlässt, weil ihm ein Bild samt Alliteration einfällt; allerdings für einen geöffneten, zerschnittenen Apfel, den er als Ganzes anzubieten wagt.
1980 hat R.K. dieses Gedicht geschrieben; und es ist wohl sicher, dass er es zuvor M.R.-R schickte, bevor er es in „auf eigene hoffnung“ 1981 aufnahm.
Sie isst diesen Apfel, als sei er ihr zugedacht, zugeschrieben, geschenkt worden; einen Apfel, der nur eine ästhetische Behauptung ist; kein Figuren-Gedicht, wie barocke Dichter solche Frucht drucken ließen. Sie macht happahappa draus – aus! Sie kaut daran herum, wsa nicht ihr gewidmet ist; sie schmarotzt, dem mächtigen FAZ-Mann zu Liebe, der sie beschimpft und herabgesetzt hat, als „unfähig“, „... Dichtung“ wahrzunehmen; und der sie hier (in der FAZ vom 4.10.2008 drucken ließ zu seiner eigenen Hochwürdigung.
- Sie hat - als Frau, als Kritikerin, als Kommentatorin - keinerlei Bedeutung für Kunze oder die Schwierigkeiten anderer Exilanten aus der DDR gehabt. Sie mag es zur Kenntnis genommen haben, als sie noch als Schwatz-Elke oder als Else Stratmann rumprotzte.
Oh, ein Gedicht, leider mit dem unsinnigen Lyrismus „… Und das weiß zuerst / der Baum“ ist kein ökologisches, kein parabolisches – sondern nur ein fünfzeiliger Verlegenheitsstrunz: Züchtet, pflanzt Kunze ästhetische oder biologische Bäume – gar den Samen, die zu Äpfel werden, bis sie „schön schwarze“ „Kerne“ „sind“ - ein gewagt zuqualifiziertes Verb für einen Dichter.
Nein, selbst der Gärtner weiß es nicht; wann die Äpfelkerne „schön schwarz“ (huh: Alliteration!) sind; das weiß eher der Wurm, der den Apfel vermurkst; oder der Apfelesser, der dem Apfel nichts mehr nachsagt, sondern nur kwatschend schmatzt - und sich genährt wissen kann, trotz Dummheit oder Edelsinn. - Das ist das „Weißtum“ eines Apfels. Naturlyriker wie Loerke oder Lehmann wussten darum Bescheid.
Der Apfel, die Äpfelung – sie haben keine religiöse, keine kulturhistorische, keine gleichnishafte - nur eine konsumierbare Bedeutung.
So wird ein Kulturapfel zum Gedichtapfel, nicht zum Bratapfel – aber zur oral-kaptativen Genüsslichkeit, die man sich – flugs - einverleibt, ein infantil-naiver Vorgang, wenn es sich um ästhetische Momente handelt, die passabel gehandelt werden.
Vom Kulturapfel ein Bild:
http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Cleaned-Illustration_Malus_domestica.jpg
Ultima sententia:
Dass Kunzes Un-Rechtschreibung vor der Reform und nach der Reform Unsinn war und ist, zeigt sich an vielem Druckunsinn und etlichen Leseschwierigkeiten, die nur ihm eigentümlich sind und blieben: Eigennamen und Satzanfänge schreibt er groß; „gott“ aber nicht. Zahlen erschein bei ihm „groß“, weil er sie nicht anders integrieren kann; und es fällt ihm nicht auf, was da kalauer-grafisch unterläuft. Endpunkte fehlen; das mag er Brecht abgeguckt haben, als er ihm über die Schulter aber nicht in den Kopf kuckte.
Und der Schabernack der Groß- und Kleinschreibung bei der Wiedergabe von Zitaten. – R.K. hat die in allen deutschsprachigen Ländern einige Duden-Rechtschreibung der 50-90er Jahren aufgegeben; vielleicht war das sein wahrer politischer Trotz, den er nicht aufgeben mag.
Ach, ja: Apfel-Gedichte…?
Mörike:
Mit einem Granatapfel
Wilhelm Lehmann:
Aus: „Atemholen“ („Ein Apfel fällt. Die Kühe rupfen.:..“ – Als Suggestion einer Weide- und Kulturlandschaft)
Vgl. Interpretation von Antonius:
http://www.biblioforum.de/forum/read.php?3,3231,3432
Oskar Loerke:
Aus: „Besinnung zur Kriegszeit“:
„Dann plötzlich werde ich die Welt gewahr:
Wo eben Blust war, hängen volle Schoten,
Die Äpfel glühn sich an der Sonne gar
und scheinen warme Tiefen abzuloten.“
*
Da handelt es sich um Tradition, Bildung und Natur-Wahrnehmung, nicht um eitle Ver-Bildung, mit Hilfe von buchhändlerischem Überfluss.
Was „Leser brauchen…“? Gute Literatur; Leser und Fachleute, die unterwürfiges Getue von guten Gedichten unterscheiden können.
Und damit man schwermütig oder zum Kritikaster werden muss, einfache Äpfelchen vom Baum der Poesie genommen, ohne zu freveln:
Sechs pomologische Gedichte:
*http://www.germanistik.uni-freiburg.de/dafphil/internetprojekte/projekte7/apfel/apfel_lyrik.html
Nachtrag zu Kunze - ohne Äpfel:
Zu diesem Kunze-Gedicht ist ein schöner Film erarbeitet worden:
Reiner Kunze:
Du hattest ein viereck gemalt,
darüber ein dreieck,
darauf (an die seite) zwei striche mit rauch -
fertig war
DAS HAUS
Man glaubt gar nicht,
was man alles
nicht braucht.
Film zu Kunze-Gedicht
Es darf noch weiter geäpfelt werden:
Zur Symbolik des Apfels
Zum Erotischen und zur Rollenaspekt von Frau und Mann im religösen Kontext:
In ziemlich allen Darstellungen des menschlichen Sündenfalls ist ein Apfel im Spiel, in der Bibel, in der Kunst, im Gerede zwischen ode von Mann und Frau.
Im biblischen Ur-Text - im hebräischen - ist kulturbedingt jedoch von einem Apfel keine Rede, sondern lediglich von einer Frucht vom Baum, die sich die Frau als Nährerin für ihren Mann abpflückte.
Welche Baumfruchtdas gewesen sei, das wurde gerne diskutiert.
Im babylonischen Talmud im Abschnitt Sanhedrin 70a.b steht zu lesen: »Der Baum, von dem der erste Mensch aß, war ein Weinstock, denn es gibt keine Sache, die über den Menschen (so sehr) Wehklage bringt wie der Wein.«
Andere Vermutungen gehen dahin, dass es sich um eine Feige gehandelt haben könnte.
In allen Kulturen des europäischen und asiatischen Raumes spielt der Apfel - übe die Vitamin-Speisung hinaus - eine erotische und sexuelle Rolle; mal die Liebe und mal die Erkenntnis, mal die Fruchtbarkeit und mal die Erde als Gesamtheit des Lebens und das Leben in seiner Üppigkeit selbst symbolisierend.
Von Männern beauftragt, getrieben, verkünstlert - oder nur beschreiben: Göttinnen der Liebe und der Fruchtbarkeit wurden attraktiv bis ehrfurchtsvoll als Apfelträgerinnen dargestellt; dementsprechend steht der Apfel als Leckerheit sinnbildlich auch für das angeblich ewig Weibliche.
Die griechische Mythologie erzählt von einem goldenen Apfel, den Eris, die Göttin des Streits und der Zwietracht, mit der Aufschrift »der Schönsten« versehen und während einer Hochzeitsfeier unter die anderen Göttinnen des Olymp geworfen haben soll.
Den partout entbrannten Streit zwischen Athena, Hera und Aphrodite, wer denn diesen Apfel zu Recht in Besitz nehmen dürfe, schlichtete Zeus, indem er die Entscheidung an einen besonders männlichen, von Frauen präferierten, trojanischen Königssohn namens Paris delegierte. - Diese göttliche Inszenierung gedieh zum schlimmsten Streit, Krieg und Vernichtung in der hellenistsichen Politk und Kultur: Am Ende dieses Streits um den Zankapfel stand dann der Trojanische Krieg...
Der symbolische Gehalt des Genusses und des Zusammen-Genießes und die Übersteigerung des Apfels erhalten im Laufe dieser Entwicklung eine immer stärker negative Akzentuierung: neben Liebe, Fruchtbarkeit und Vollkommenheit werden nun auch Zwietracht, Bosheit und Sünde und das Böse an sich = ds Sexuelle mit der Frucht verbunden, was in der Geschichte vom »Sündenfall« seinen Niederschlag findet.
Die Apfelsymbolik wird mehrdeutig-ambivalent, und sie bleibt es, deutlich zu erkennen an der Darstellung der Frucht in der Kunst. Ist der Apfel in Evas Hand noch Sinnbild für Versuchung und Sünde, steht er bei Maria für die Fruchtbarkeit und in den Händen Jesu als Zeichen der Erlösung von der Sünde.
Als Zeichen für die Überwindung der Sünde und Heiligung des Leibes durch die Reinheit der Gottesmutter findet sich vielfach zu Marias Füßen eine Schlange, die im Maul einen Apfel trägt.
Rubens Gemälde »Die Heilige Familie unter dem Apfelbaum« ist ein Beispiel für die in diesem Sinn positive Deutung des Apfels. Rund anderthalb Jahrhunderte zuvor zeigte Berthold Furtmeyr eine Eva, die Äpfel an die Sünder verteilt, und eine Maria,, aus deren Hand die Gläubigen mit Hostien versorgt werden - eine Darstellung, die die Stilisierung jüdischen Marias als neue, christliche Eva in den Mittelpunkt rückt.
Zum Politisch-Majstätischen:
Zu den Insignien der kaiserlichen Macht im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation gehört der Reichsapfel, die verkleinerte Weltkugel, die schon in der Antike als Herrschersymbol bekannt war. Der Kirche gelang es nicht, dieses Zeichen einer rein weltlich verstandenen Herrschaft zu eliminieren; stattdessen adaptierte sie es: Karl der Große ließ den Reichsapfel mit einem Kreuz versehen, um die Gottgewolltheilt seiner Herrschaft zu dokumentieren!. Und in der christlichen Kunst finden wir seit dem 12. Jahrhundert Maria mit einem Reichsapfel, der die Weltherrschaft der Gottesmutter anzeigen soll - mit Fortwirkungen bis in die Gegenwart übrigens: Im März 1984 weihte Papst Johannes Paul II. der Madonna die Welt, Zu diesem feierlichen Ereignis wurde eigens das Gnadenbild von Fatima in Portugal nach Rom transportiert: eine Maria mit Strahlenkranz und Reichsapfel.
Eine der berühmtesten Apfel-Verführungsszenen von Lucas Cranach (Öl auf Holz, um 1513/ 15, Mainfränkisches Museum)
Aus dem Paradies - ein Apfel-Beispiel: Sex auf der Apfelwiese:
GERT O.E. SATTLER:
Die Frauen und das Paradies
Eva kriegte Adam rum
auf der Apfelwiese:
Beide flogen, schrummdibumm,
aus dem Paradiese.
Adam musste Würgetier
zum Verzehr erjagen,
durfte leider im Revier
nie ein Wörtchen sagen.
Aber Eva, die gebar
ihm drei stramme Söhne*.
Sie erfand, weil' s nötig war:
Wörter, Sätze, Töne.
Auf, ihr Frauen, denkt daran:
Durch die Welt der Kinder
wurdet ihr, von Anfang an,
echte Spracherfinder!
(*Anmerkung des Autors: Kain, Abel und Seth)
**
EVA, die sich als Eva anbietet:
Die Eva-Weiblichkeiten werden natürlich-kultürlich weiter inszeniert in einer geldgierigen und geilen Erfolgsgesellschaft... - z.B. für
"Werbung und Religion - Eine kritische Untersuchung zur Funktion der Religion in Werbeanzeigen" an einem Gymnasium in Kerpen.
Ich wünsche ihr Erfolg im Kopf, am Körper, in der Kultur...
Ein Projekt der Evang. Religionskurse der Jgst. 11 im Rahmen der Unterrichtsreihe „Religion als Alltagsphänomen.“
Eine Glosse:
Andreas Malessa:
»Eva gab Adam einen APFEL«
Wenn die verbotene »Frucht der Erkenntnis von Gut und Böse« ein reifer Apfel gewesen sein soll, dann fand der Sündenfall im Oktober statt. Das berühmte Kapitel 3 des biblischen Buches Genesis erwähnt aber weder einen »Apfel« noch das Wort »Sündenfall«.
Ein »goldener Apfel« - im Grunde die verkleinerte Weltkugel - und das goldene Zepter - ein stilisierter Schlagstock - waren schon bei den Herrschern der Antike das Symbol für Macht. In der orientalischen Bildsprache der weisen Erzählung vom Verlust des Paradieses besteht der »Sündenfall« des ersten Menschenpaares darin, dass sie Gott misstrauen, ihn »entthronen«, die Macht über sich, das Leben und ehe Welt an sich reißen, Gut und Böse ins eigene Ermessen nehmen und - sich sofort in Lügen, Schuldzuweisungen, Versteckspiel und Ausgrenzungen verstricken.
An diesem Machtmissbrauch der menschlichen Fähigkeiten war der »Apfel« genauso wenig schuld wie »das ewig Weibliche« ...
*
(Aus: Andreas Malessa: Kleines Lexikon religiöser Irrtümer. Von Abba bis Zölibat. Gütersloh 2007. S. 18)
Weitere Hinweise auf das lyrische oder das Prosa-Motiv des Apfels finden sich hier in schöner Gestaltung:
http://www.garten-literatur.de/Leselaube/abc/apfel.htm
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