Uwes Plan

Uwe ist jetzt 19. Wie das bei jungen Leuten dieses Alters überall so ist: Um von den Gleichaltrigen anerkannt und akzeptiert zu werden, muß man mithalten. Das bedeutet: neueste coole Klamotten, fahrbarer Untersatz, Partys, Discobesuche. Das kostet. Und zwar mehr, als Uwe eigentlich verkraften kann. Bisher klappte das ja noch so leidlich. Auf richtige Arbeit hatte er natürlich "Null Bock". Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als hier und da ein wenig zu jobben oder mit, sagen wir mal "kleinen Mauscheleien" seinen Geldbedarf etwas aufzufrischen. Um nicht allzu viel selbst aufwenden zu müssen, verstand er es, sich öfter mal bei dem einen oder anderen Bekannten, Verwandten oder Freund einzuladen. Das fiel auch nicht weiter auf, weil der in Frage kommende Kreis recht groß war und außerdem einer vom anderen kaum etwas erfuhr.

Eine große Hilfe war ihm auch seine Oma, die in ihrem eigenen kleinen Häuschen allein lebte. Oma schob ihm hin und wieder einen kleinen Geldbetrag zu, auch weil er ihr öfter kleine Dienstbarkeiten erwies. Ungern, aber notgedrungen. Oma war Diabetikerin und mußte ihre Lebensweise entsprechend einrichten sowie täglich Insulin spritzen. Uwe wußte auch, daß Oma etwas auf dem Konto hatte, und er überlegte schon krampfhaft, wie er daran kommen könnte, ohne daß es jemand merkt. So entwickelte er einen Plan zu seinem Vorteil und Omas Nachteil. Dieser Plan brauchte zwar einiges an Zeit, aber Uwe dachte in diesem Fall sogar langfristig.

Und er begann mit Teil eins. Oma war ohnehin dankbar dafür, daß er in letzter Zeit öfter zu ihr kam, um ihr zu helfen. Weil sie immer vergeßlicher wurde, war sie froh, daß er bei ihr nach dem rechten sah und sie an vieles erinnerte. Ab und zu mußte er ihren Blutzucker messen und ihr auch eine Insulinspritze geben, wenn sie selbst Mühe damit hatte. Uwe hatte sich inzwischen schlau gemacht über Diabetes, dessen Therapie und auch die Folgen.

Durch seine "liebevolle" Fürsorge erreichte er, daß Oma nach einiger Zeit ihr Testament änderte und ihren lieben Enkel nun an die erste Stelle der in Frage kommenden Erbberechtigten setzte. Das war das Signal für Uwe, den zweiten und entscheidenden Teil seines Planes umzusetzen. Er verstand es, Oma dahin zu bringen, daß ihre Blutzuckerwerte schlechter wurden und sie sich sehr unwohl fühlte. Er gab ihr eine Insulinspritze. Etwas später noch eine, noch eine, und noch eine. Uwe war ja gründlich, und er wußte, daß eine viel zu hohe Insulindosis nicht nur tödlich war, sondern man sie später auch nur sehr schwer oder gar nicht mehr nachweisen konnte. So blieb er auch seelenruhig bei ihr, bis Oma wegen totaler Unterzuckerung ins Koma fiel. Sie spürte ja nichts mehr. Uwe brauchte nur noch einige Zeit abwarten, bis sie nicht mehr atmete. Der später von ihm herbeigerufene Hausarzt stellte zunächst Omas Tod durch Herzversagen fest.

Dennoch ging Uwes Plan nicht auf, denn der Arzt kannte ja Oma, bekam Zweifel und schaltete die Polizei ein. Eine Obduktion ergab den Verdacht einer starken Unterzuckerung und ließ die Vermutung aufkommen, daß hier nachgeholfen wurde. In Omas Abfalltonne fand die Kripo schließlich übermäßig viele leere Insulinampullen mit nur Uwes Fingerabdrücken drauf. Beim Verhör verstrickte er sich in Widersprüche und legte schließlich ein Geständnis ab. Jetzt kann Uwe den Rest seines Lebens nur noch träumen von coolen Klamotten, fahrbaren Untersätzen, Partys und Discobesuchen . . .

(Silberhaar)

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