Walpurgisnacht

Autor: ehemaliges Mitglied


Wo bleibt da die Gerechtigkeit, wenn man sein Leben lang zersetzend gewirkt hat, den Wehrwillen geschwächt, den Anschluss [an Deutschland] widerraten und den ans Vaterland nur zum Schutz gegen das andere empfohlen hat, in der oft zitierten Erkenntnis, dass dort [in Deutschland] elektrisch beleuchtete Barbaren hausen und dass es das Volk der Richter und Henker sei.

aus... Karl Kraus: Dritte Walpurgisnacht

Karl Kraus (geb. 1874 in Jičín, deutsch: Jitschin oder auch: Gitschin, Böhmen, damals Österreich-Ungarn, heute Tschechien; gest. 1936 in Wien) fing früh an, Dokumente über das Geschehen im Nachbarland Deutschland zu sammeln, entschied sich jedoch, dem Datum der letzten Quellen zufolge, Ende September 1933 die Korrektur des im Lauf eines halben Jahres verfassten, bereits gesetzten Textes mit dem Titel 'Dritte Walpurgisnacht' abzubrechen. Die nächste Ausgabe der 'Fackel', die im Oktober herauskam, bestand stattdessen aus einem Nachruf auf den befreundeten Architekten Adolf Loos, der im Sommer verstorben war, und einem Gedicht, dessen letzter Vers lautet: »Das Wort entschlief, als jene Welt erwachte.« - Im Juli 1934 veröffentlichte Kraus zwar einige Passagen der 'Walpurgisnacht' in einem mit »Warum die Fackel nicht erscheint« überschriebenen Heft seiner Zeitschrift; verlegt wurde das formal abgeschlossene, nicht vollendete Werk aber erst 1952 von Heinrich Fischer. Seit 1989 liegt die 'Dritte Walpurgisnacht' als zwölfter Band der Kraus'schen Schriften vor, die Christian Wagenknecht im Suhrkamp-Verlag herausgegeben hat.

Wenn wir lernten, Karl Kraus zu lesen, seine Aktualität spürten, würde sich Deutschland vielleicht nicht abschaffen.

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Wolfgang

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