mit Gabili in Verona und einen Campari-Soda in der Hand


Gabilie, wie ich sie nannte, kam angefahren mit Sack und Pack. Geradeso, als ob sie zum Bergwandern wollte. Also ihr Gepäck aussortiert, den Kofferraum schön ausgepolstert, und schon ging es los, in Richtung Fernpaß/Reschenpaß.
"Du weißt aber schon, wo Du hinfährst?" kam die Frage. Selbstverständlich -- nach Südtirol und dann biegen wir kurz vor Bozen an der Forst-Brauerei rechts ab und fahren durch die Wein-und Obstgärten durch. Und in Mezzodossolo queren wir über den Adige(Etsch) zur anderen Uferseite. "Aha". - "Und hier warst Du schon so oft?" Ja, Gabilie, vertrau mir, wir kommen in Verona an.
Gabilie flegelte sich in die Polster rein und genoß diese herrliche Fahrt, in der Hand eine Weintraubentüte.
"Moni, die Strecke fahren wir aber auch wieder zurück - die ist wunderschön". Ja, Gabilie, versprochen, aber zuerst ist Verona dran.
In Verona angekommen, ich fuhr meine altgewohnte Strecke und wir sahen schon die Arena und Gabi war ganz aufgeregt. Wir müssen nur noch über den Fluß. Wir müssen über die Ponte nuovo, dann können wir zu Fuß weitergehen. Gabilie meldete sich zu Wort: "ist das jetzt der Tiger?". Nein Gabilie, es ist noch immer die Etsch. Und dort am anderen Ufer, dort müssen wir hin, siehst Du dieses kleine Risorante mit den roten Sonnenschirmen? Dort machen wir Pause und das Auto stellen wir auch dort ab. "Und wann müssen wir zur Arena hin?". Der Innenhof dieser kleinen Gasse, mit einem Springbrunnen ausgestattet, der war unsere Erfrischungsquelle und wir zogen uns im Auto um. Gingen dann zum Ristorante rüber und saßen dort - aßen eine Kleinigkeit, tranken Campari-Soda und schauten in die Etsch.
Ich klärte sie dann auf, daß der Tiger, Tiber heißt und ungefär bei Rom langfließt und das ist noch viel weiter südlicher. Ich zog mein Reclam-Büchlein raus und erklärte ihr "Aida" und las ihr daraus vor.
Gabi lief und staunte.
Wir zogen durch die engen Gassen, betraten manchen Innenhof und Gabi entdeckte immer mehr Besonderheiten und staunte.
An der Arena angekommen, 3/4 davon war mit Baugerüst und Planen verdeckt und Menschentrauben auf der Bra. Eingang 3 war zugestellt - also durch die Menschenmassen durch, immer Gabi an der Hand, mit ein bißchen
"scusi" und "perfavore" kamen wir auch durch zum Eingang 3. Hinter uns schloß sich eine Menschentraube an und schon waren wir in den Katakomben drin.
Gabilie, hier ist das Klo - geh nochmal, ich gehe auch- denn es wird lang.
Dann stiegen wir durch die Gänge und viele Treppen rauf und standen dann in mittlerer Höhe in der Arena drin.
Gabi blieb stehen und blieb stumm.
Als sie sich wieder gefangen hatte, stiegen wir weiter nach ganz oben und die Arena lag uns zu Füßen und oben wehte ein laues Lüftchen.
Die Nacht zog langsam auf, die Sterne am Himmel vermehrten sich und dann erschien eine silberne Mondsichel und die Vorstellung begann.
Ein Paukenschlag und Fanfaren und ein Traum begann.
Und ich hatte Gabilie noch immer an der Hand und spürte jedes Zucken und Lockerlassen ihrer Gefühle in meiner Hand.
Die Vorstellung war zu Ende und der Applaus begann. Die Arena erstrahlte nur mit schwenkenden Kerzen und Feuerzeugen auf dem gesamten Areal. Gabi stand auf mit ihren 1.50 Körpergröße, stand auf den obersten Stufen, verbrannte sich sogar die Finger und merkte es erst am nächsten Tag.
Wie im Traum ist sie mit mir zum Auto gelaufen und ich hörte kein Wort.
Ins Auto eingestiegen und zum Gardasee gefahren und sie wühlte nur in ihren Kissen rum. Gabilie hatte Musik entdeckt und die Ausstrahlung davon.
Am nächsten Morgen: Schnelldusche im See und Frühstück auf einer Strandterrasse und die Heimfahrt durch Obstgärten mit einem Schwenker
nach San Paolo - ganz hoch gelegen, ein Adlernest. Dort saßen wir außerhalb der Befestigungsmauer und schauten bis nach Bozen hin und hatten das Etschtal wieder unter den Füßen. Und dort fing sie an zu sprechen und hörte nicht mehr auf.
"Moni, das war bisher das Gigantischte, was ich erlebt habe, dort will ich nochmal hin. Haste noch 'ne Karte frei?"
Gabilie, ja, wir fahren wieder hin.
Leider kam es nicht mehr dazu - Gabi wurde krank. Unsere Wege trennten sich bis wir uns zufällig wieder trafen - bei der Krebsbestrahlungs-Station.
Ich besuchte sie dann bei ihren Eltern und sie schwärmte noch immer von unserer Verona-Fahrt. Wir hielten telefonisch Kontakt, bis ihre Mutter anrief und mir mitteilte, daß sie verstorben ist.
Und so hat Gabilie in ihren schwersten Stunden die klassische Musik entdeckt.
Gruß
Moni-Finchen










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Kommentare (5)

immergruen Gleichermaßen schön und traurig ist Deine Geschichte. Das Gabili hatte durch Dich eine Erfahrung, die anderen Menschen versagt geblieben ist. Sie wird sie ebenso in ihrem Herzen bewahrt haben wie Du.
immergruen
finchen ich danke Dir für Deinen Kommentar - es hat mich ganz besonders gefreut von Dir ein Lob zu hören.
Ja und mit der Arena? Beate, da haste was verpaßt. Das Champagner-Parkett ist uninteressant, von oben sieht man mehr und die Akkustik hat viel mehr Volumen - ich habe es mal ausprobiert. Und als Tagestourist in Theater-Gardarobe? - das paßte nicht.
Aber schön war es jedesmal - inzwischen war ich unfär so 20 X dort.
Und Nabucco bleibt mein Favorit.
Einen lieben Gruß und vielen Dank
Dein Moni-Finchen
ehemaliges Mitglied wie schön Du das beschrieben hast - die Entdeckung der unendlichen Schönheit der Musik!
Deine Geschichte ging zu Herzen und ich konnte mir das alles genau vorstellen.
Waren wir doch vor vier Jahren mit Bekannten in Verona gewesen, die auch nicht so recht wussten, wie sie mit ihrem Auto zur Arena kommen sollten. Das war die Reise, auf der Hans Christian zum ersten Mal "schwächelte" - mitten in Venedig. Wir waren leider nicht in einer Aufführung, obwohl dort eine tolle Premiere war! Die haben wir später im Fernsehen gesehen - es war am Widerstand der Bekannten gescheitert. Ob wir jemals wieder hinkommen?

ich war gaaaanz früher mal da auf einer Busreise mit meiner Mutter, und wir haben gleich drei Opern gesehen. Wir hatten gute Plätze, da wo es in der Pause Champagner gab. Die Gläser durfte man mitnehmen (bei dem Preis eigentlich klar) und so habe ich heute immer noch sechs Champagnergläser aus der Arena von Verona!!

Danke für Deine schöne Erzählung!

Liebe Grüße
Deine Beate
finchen Du hast richtig geahnt. Es war Vivaldis "Vier Jahreszeiten" und mit einem Lacheln im Gesicht - wie mir ihre Mutter später berichtete. Vielleicht ist sie über Verona geschwebt.
Mit Gabilie und meiner Ente haben wir auch die Siegestrophae bei einer Gaudi-Rallay gewonnen.
Liebe Grüße und Danke
für Deinen netten Text
Liebe Grüße
Moni-Finchen
anjeli aber Gabilie wird sich immer wieder an diese schöne Fahrt erinnert haben.
Auch als sie im Sterben lag wird sie die klassische Musik als Begleiter gehört haben,
denke ich mal.

Liebes Moni-finchen, deine Geschichte war mal wieder schön. Ich hatte das Gefühl mit
euch im Auto zu sitzen und neben euch in der Arena.

Du hast auch so schöne Erinnerungen und viel erlebt.
Für mich ist es immer eine Freude deine Geschichten zu lesen.

anjeli


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