In einem Album entdeckt






Meines Vaters älteste Schwester Gertrud, genannt Trudchen, hat uns ein Album hinterlassen, das sie ein wenig für uns zeigte, ehe sie 1932 aus dem Leben schied.





Dieses Album zeigt zuerst die Abreise aus Hamburg und die Fahrt an Bord der Antonio Delfino nach Brasilien im Mai 1926. So mit allem drum und dran wie Äquatortaufe und Plauderstündchen mit dem Kapitän.




Mich hat das einfach einmal neugierig gemacht … und siehe da: Bei Wikipedia habe ich diese Auskunft über das Schiff mit dem Männernamen gefunden:


»Das Kombischiff Antonio Delfino des La Plata-Dienstes der Hamburg-Süd AG diente später unter den Namen Sierra Nevada und als britischer Truppentransporter HMTS Empire Halladale.


Reederei: Hamburg – Süd,
Werft: Vulcan, Hamburg
Stapellauf: 10.11.1921
Länge: 152,30m, Breite: 19,50m, Tonnage: 13589 BRT,
Jungfernfahrt: 16.03.1922
Namen: Sierra Nevada, HMTS Empire Halladale


Die Antonio Delfino lief am 10. November 1921 Vulcan-Werft in Hamburg vom Stapel und wurde im März 1922 an den Auftraggeber abgeliefert. Ihre Jungfernreise führte das 13.589 Bruttoregisterton-nen große Schiff am 16. März 1922 nach Südamerika. Gemeinsam mit ihrem Schwesterschiff, der Cap Norte war sie bis 1932 für die Hamburg Süd im Dienst.

Von 1932 bis 1934 war sie an den Norddeutschen Lloyd verchartert, die sie als Sierra Nevada einsetzte. Danach wurde sie erneut in den Südamerikadienst der Hamburg Süd eingegliedert. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs befand sich die im brasilianischen Bahia, von wo aus sie im September 1939 trotz der alliierten Blockade nach Kiel zurückkehrte. In den Jahren von 1940 bis 1943 lag sie als Marinewohnschiff in Kiel und Gotenhafen, wo sie ab 1944 als U-Boot-Kommandoschiff genutzt wurde. Im Laufe der Operation Hannibal brachte das Schiff 1945 auf fünf Reisen etwa 20500 Menschen der deutschen Ostgebiete in Sicherheit.

Im Mai 1945 übernahm das britische MOWT das Schiff in Kopenha-gen. Es wurde bei John Brown & Company in einen Truppentrans-porter umgebaut, in Empire Halladale umbenannt und ab 31. August 1946 wieder in Fahrt gesetzt. Nach weiteren zehn Jahren Dienstzeit wurde die Empire Halladale schließlich 1956 an die Abbruchwerft Arnott Young im schottischen Dalmuir verkauft und dort verschrottet.«


Ich muss einfügen, ehe ich weiter schnüffele: Als wir noch in Berlin und Eichwalde wohnten (bis Herbst 1945), besuchte ich mit meiner Mutter immer wieder Trudchens Grab auf dem Waldfriedhof Oberschöneweide.

Trudchen war OP-Schwester und in der Charite in Berlin tätig – das Album zeigt auch ein Bild am „Arbeitsplatz“. Wie gesagt reiste sie mit dem Schiff nach Brasilien. Dort hat Trudchen auch gearbeitet.

Ein Bisschen klingt dieses „Auswandern“ nach Liebeskummer. Und wohl Heimweh hat dann die Rückkehr auf den Lebensweg gesetzt.

Irgendjemand (war’s meine Mutter?) hat (nach 1945, da habe ich die Worte erst verstanden) geäußert, dass Trudchen unter dem herrschenden Druck der Judenverfolgung (schon vor 1933) sich das Leben nahm: man duldete es nicht, mit einem jüdischen Arzt liiert zu sein.

Aber da sind nun die so unverfänglichen Bilder aus der Zeit, wo man nicht einmal eben in ein Flugzeug steigt und sich einfach nach Brasilien tragen lässt.


Ausfahrt aus dem Hamburger Hafen
19.5.1926


Schiffsreisen: ja die gibt es heute in jeder Preisklasse mit allem möglichen Komfort. Doch wohl selten, wenn jemand mit diesen Luxuslinern nur in einer Richtung über den Atlantik reist. Trudchen reiste in der III.Klasse.








An Bord der Antonio Delfino



Landgang in Vigo



Mai 1926



Juni 1926
Eine lange Reise


Trudchen ging in Porto Alegre in Brasilien an Land.



Leider steht über diesen Aufenthalt so garnichts in dem Album. Und ein Tagebuch ist wohlmöglich nicht mehr vorhanden.

Hier sind noch ein paar Bilder, die aussagen, dass Weihnachten 1926 in Porto Alegre gefeiert wurde.


Weihnachten 1926 in Brasilien


Trudchen hat, so der Eintrag auf den Rückseiten der Bilder, dort im Oktober 1927 gearbeitet.


„Mein Reich“ in Porto Alegre


„Wir wollen ausgehen“


Ich hätte zu gerne mehr über Trudchen gewusst.
Nun, die, die etwas von Trudchen erzählen konnten, sind auch schon lange gegangen.
Ich war gerade ein Jahr alt, als Trudchen ging.
ortwin

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Kommentare (1)

finchen ...bei den Ahnen kramen, daß ist eine besondere Sache.
Ich mache das auch sehr gerne...bin immer wieder erstaunt, was man alles erfahren kann.
Bei mir waren alles Handwerker, vom Kunsttischler bis zum Schuster in Handarbeit. Und irgendwie bin ich stolz darauf, daß sich meine Fingerfertigkeit von ihnen vererbt bekommen habe.
Mit ganz besonderen Grüßen
Dein Moni-Finchen

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