Eine Historie
links: Paris, rechts: Kolumbus
Tja, da hängt er wieder, frei und ungezwungen:
Unser „Kolumbus“ oder „Columbus“ sieht wieder Tageslicht. Es waren Jahre, die er darauf warten musste. Als Uli und Nörli ihn nach Bayreuth gefahren hatten – das war im Jahre 2002 neuerer Zeitrechnung – ihn da den „Spezialisten“ von „Kunst und Krempel“ des Bayerischen Rundfunks vorstellte, werteten diese das Gemälde ab. Wir waren bitter enttäuscht, schon deshalb, weil unser Kolumbus als letztes Objekt, also zum „Ladenschluss“ mit wenig Worten abgewertet wurde.
Uli hatte dazu folgenden Abriss zur Geschichte des Bildes eingesandt:
»möchte ein Gemälde anmelden, das wahrscheinlich von einem nordamerikanischen Maler des 18.Jahrhunderts stammt. Das Gemälde zeigt den ersten Landgang von Christopher Columbus bei der Entdeckung Amerikas. Fotos des Gemäldes habe ich diesem Brief beigefügt. Das ungerahmte Gemälde ist ca. 100 cm x 80 cm groß. Es hat einige Beschädigungen an der Bildoberfläche.
Der Familiengeschichte nach ist das Bild wie folgt in unsere Familie gekommen.
Einer meiner Urgroßväter (väterlicherseits) war Prediger am Hof von Jerome Bonaparte, des Königs von Westfalen (1807 – 1813), in Kassel. Während seines Aufenthaltes in den USA hatte Jerome 1803 die Amerikanerin Elisabeth Patterson geheiratet. Sein großer Bruder, Kaiser Napoleon, erkannte diese Ehe aber nicht an. Elisabeth durfte nie in Frankreich einreisen. Stattdessen musste Jerome 1807 die württembergische Prinzessin Katharina heiraten.
Aus diesem amerikanischen Techtelmechtel brachte Jerome eines der Hochzeitsgeschenke mit, das Gemälde „Columbus entdeckt Amerika“. Als infolge der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 das Königreich zu Ende ging und Jerome sich zum Exil entschlossen hatte, belohnte er sein Dienstpersonal mit Wertgegenständen aus der Hofhaltung. Mein Urgroßvater erhielt das Columbus-Gemälde.
Es muss Leute in den USA gegeben haben, die den Lebensweg dieses Gemäldes weiter verfolgt hatten. Denn der Familiengeschichte nach war der Vater meines Großvaters mit Interessenten in den USA übereingekommen, das Gemälde für eine Ausstellung zur 400-Jahr-Feier der Entdeckung Amerikas auszuleihen. Er habe sich aber mit den Amerikanern nicht über die Versicherungssumme einigen können und sich schließlich geweigert, das Bild herauszugeben.
Um diese Zeit muss das Gemälde neun gerahmt worden sein, wobei wahrscheinlich die Signatur weggeschnitten wurde.
Sein letztes großes Abenteuer bestand das Gemälde 1945, als unsere Eltern über Nacht mit Kind und Kegel aus der Umgebung Berlins nach Westen übersiedelten. Das Gemälde und alle anderen Wertgegenstände blieben verschlossen in einer Garage in der Nähe Berlins zurück. Ein Jahr später hatte unsere Mutter den Mut zu versuchen, von den Wertgegenständen so viel wie möglich zu retten und in den Westen zu bringen. Sie reiste zurück in die SBZ und ließ sich in Berlin als schlesischer Flüchtling registrieren.
Sie verkaufte nun alle Wertgegenstände bis auf wenige wertvolle Familienerbstücke, zu denen sie das Gemälde zählte. Von dem Erlös kaufte sie auf dem Schwarzmarkt Zigaretten, mit denen sie nun Arbeiter und Transportwagen bezahlen konnte, die den Rest des Familienschatzes in den Westen brachten.
Ich habe versucht, dem Ursprung des Gemäldes im Internet auf die Spur zu kommen. Leider Ohne Erfolg: einen Verweis auf das Gemälde habe ich nirgends gefunden. Es gab in den USA gegen Ende des 18.Jahrhunderts viele Historienmaler, von denen einer der Schöpfer dieses Bildes sein könnte.
Für sehr wahrscheinlich halte ich den Maler John Trumbull (1756-1843) und zwar vor seiner Fachausbildung zum Historienmaler in England.
Ich würde mich freuen, wenn das Gemälde Ihr Interesse für die Sendung „Kunst und Krempel“ finden kann, und verbleibe«
Und der Bayrische Rundfunk lud nach Bayreuth ein.
Wie gesagt: wir waren von der Szenerie enttäuscht.
Es wurde still um Klumbumbus. Ulrich nahm das Bild mit zu sich nach Unna, hatte er doch den Platz dazu in seinem Haus. Es blieb still, bis
- Unser Uli war ohne Abmeldung heimgegangen, einfach so.
Wir trafen uns am Grab der Eltern im Bayerischen Dachau.
Wir waren und sind traurig, sehr traurig.
Ulis Grüße, die Aufmerksamkeiten anlässlich von Festtagen und Geburtstagen bleiben nun aus.
Nörli und Schwager Klaus waren die ersten, die in Unna Fuß fassten, Lotteken, unsere Jüngste der sieben Geschwister kam dazu und Dieter reiste mit Irene und dem Smart von Berlin aus an. Jeder versuchte, sich nützlich zu machen in der Auflösung von Ulis Hausstand und Anwesen.
Uli war ein Paris-Fan. Uli hatte Gemälde und andere Souvenirs heimgebracht. Will man das Anwesen verkaufen, so müsste doch vieles ausgesondert werden. Schon alleine die Bücher: wenn man doch Platz hätte, wenn man doch auch Zeit hätte!
Dieter wünschte sich ein Gemälde von Paris, wollten Irene und Dieter doch just zu der Zeit Frankreich besuchen.
Und wer nimmt unseren Kolumbus?
Uschi hatte das passende Fahrzeug dazu, nahm es mit nach Deckenpfronn (BW), so zur Sicherung.
Als Dieter und Irene wieder zurück in Berlin waren, konnte Uschi den Klumbumbus auf seine „letzte Reise“ schicken. Sie hatten das Gemälde so gut verpackt, dass es drei Stunden brauchte, bis Kolumbus aus der „Asche“ empor wuchs.
Doch wohin, an welche Wand und möglichst so, das auch „Paris“ gut zu sehen war. „Sollen wir die Lampe über dem sechseckigen Esszimmertisch wegnehmen und dafür Strahler positionieren?“ Ach nein! Da sind dann wieder zusätzliche Kabel zu legen.
Schaut! Beide hängen da – und Irene findet ihre Anbringung in Ordnung.
Und in meines Bruders Aufzeichnung (s.o.) kommt ja Westfalen und Jerome Napoleon vor. Wälze mal die Geschichtsbücher zu dieser Zeit im 19.Jahrhundert. Da las mein Spatz gerade den Roman "1813" - das ist spannende Geschichte. Und wenn du mit offenen Augen durch unser Land ziehst, dann findest du Denkmaliges weit und breit. Eine harmonische Beziehung.
ortwin