Die alte WALTHER
Die alte WALTHER im Regal
Wir schreiben das Jahr 1950. Vor zwei Jahren war der Vater vom Gerling-Konzern zum Deutschen Herold übergesiedelt. Er nahm diesen Wechsel nach 25 Jahren Betriebszugehörigkeit auf sich, weil er in dem zerbombten Köln für seine Frau und sechs Kinder keine Wohnung bekommen konnte. Aber in Bonn siedelte sich der „Herold“ nach dem verlorenen Krieg an und ließ für die Angestellten Wohnungen bauen. Und so zogen wir im April in eine neue Wohnung in Bonn ein.
Die Eltern waren fleißig. Wir Kinder „zwangen“ sie dazu: wir wuchsen, brauchten Fourage und Kleidung. Die Mutter blieb nicht zu Hause, nahm so manche Art an. Vater bastelte ihr eine Ankleidepuppe, Mutter schneiderte daheim für Diplomatenfrauen.
Vater brachte sich aus dem Büro auch Arbeit mit. Da saß er im Eßzimmer am Schreibtisch und berechnete neue Sterbetafeln. Die bisherigen Tafeln waren ja durch die Kriegsfolgen nicht mehr zeitgemäß. Und diese Tafeln braucht eine Versicherung, um das Risiko einschätzen zu können, die ein Versicherter darstellt, also um daraus die Prämien anzusetzen.
Vater brachte sich eine Rechenmaschine mit nach Hause, mit der man addieren, subtrahieren und auch multiplizieren konnte, ein »Walther«. Da kurbelte er vorwärts, rückwärts, schubste den Wagen hin und her. Ich höre noch heute das ratternde Geräusch der Rechenoperationen. Zeit zum Verstehen, zum Mitmachen gab es nicht. Auf Vaters Arbeit wurde gewartet. So Rechner von heute gab es nicht. Also »Handarbeit«.
Es hat noch zwanzig Jahre gebraucht, bis ich mir dann meinen ersten Rechner zusammen baute, mit dem man doch viel leichter und schneller, ja regelrecht mit Programm solche Aufgabe lösen konnte.
Wie viele Rechner habe ich schon »verschlissen«?! Geblieben ist mir Vaters »Walther«. Sie hat einen gebührenden Platz im Bücherregal gefunden, hat schon einige Umzüge mitgemacht. Wenn ich zu den Eltern ans Grab gehe, dann kann ich ihnen sagen, daß ich der Walther den Staub abgewischt habe. Ich kann mir vorstellen, daß mein Vater so einen PC von heute liebend gerne gehabt hätte.
ortwin
Er leitete die Abteilung "Antragsprüfung »Großleben«", also alle die Anträge von Versicherten (oder solche, die es werden wollten), die eine hohe Versicherungssumme in Anspruch nehmen wollten.
Da ging es auch um das schon im Vorfeld zu erkennende Gesundheitsrisiko. So ergänzte er seine medizinischen Kenntnisse nach und nach in aktiver Weiterbildung. Dieses Streben hat er seinen sieben Kindern eingeimpft.
ortwin