Der Handtuchtrick
Auf die Frage des Hausherrn, ob es uns denn bei ihnen gefiele, erwiderte ich lobend: „Ja, es ist schön hier in Bayern.“ Das war nun allerdings ein echter Fauxpas meinerseits. Wortreich erklärte mir der gute Mann, dass wir in Unterfranken wären und nicht in Bayern. Weiter führte er aus, dass wir uns nördlich des Weißwurstäquators befänden und demzufolge gar nicht in Bayern sein könnten. Vielmehr sei es zur Zeit der Völkerwanderung so gewesen, dass am Main ein Hinweisschild gestanden hätte, auf dem man lesen konnte, dass das Weitergehen verboten sei. Diejenigen, die lesen konnten, hätten dieses Verbot respektiert und seien nicht weiter gegangen. Anders dagegen die Analphabeten. Sie hätten ohne zu zögern diese Grenze überschritten und besiedelten seitdem Bayern.
Solchermaßen belehrt, habe ich nie wieder Franken mit Bayern verwechselt.
Freundliche Urlauber aus Hannover zeigten sich beim gemeinsamen Frühstück darüber verwundert, dass wir Urlaub im Spessart machten. „Sie sind doch eigentlich noch zu jung dazu. Hierher können Sie immer noch fahren, wenn Sie alt sind. Sie sollten jetzt erst einmal die weite Welt bereisen!“ Das klang logisch. Leider hatten wir in dem Moment nicht das Geld, um große Reisen zu machen, aber recht hatten sie wirklich.
Etwas erstaunt waren wir, als wir einmal im Vorübergehen einen Blick durch die offene Tür in das Badezimmer der beiden warfen. Ihre Handtücher lagen auf dem Fußboden herum. Eine solche Schlamperei hätten wir diesen vornehmen Menschen gar nicht zugetraut. Wir jedenfalls hängten unsere Handtücher immer ordentlich an die dafür vorgesehenen Haken. Immerhin mussten wir uns ja auch zwei Wochen damit abtrocknen. „Andere Länder – andere Sitten“, dachten wir und machten uns keine weiteren Gedanken darüber.
So verlebten wir dort 14 wunderschöne Tage. Wir wanderten durch den herrlichen Spessart, besuchten sogar noch das Spukschloss, das wir aus den Filmen kannten und gingen abends in das schöne Restaurant, wo wir freundlich empfangen und rundum verwöhnt wurden. Wir genossen das leckere Essen und das bayerische Bier, das natürlich aus Franken stammte.
Am Tag der Abreise fragte uns Heidi, ob wir denn gar keine neuen Handtücher gebraucht hätten. Sie hätte sie getauscht, wenn wir unsere Handtücher auf den Fußboden geworfen hätten.
Wir antworteten bescheiden, dass wir ihr keine unnötige Arbeit machen wollten.
Kommentare (8)
Das gibt es sogar in Dörfern! Seitdem eine Bundesstraße hindurch führt.
unterscheidet man in X-dorf West und X-dorf Ost
(in NRW, Namen lasse ich besser weg.)
Und beide sind nicht unbedingt freundschaftlich gesinnt.
Kein Witz, Tatsache ...
Gruß von Pan
@werderanerin
Absolut einverstanden, liebe Kristine. Auch die "Unsitte", die Handtücher auf den Boden zu werfen, haben wir später schätzen gelernt, denn sie verhindert das tägliche, unnütze Wechseln, aber andererseits muss auch niemand 14 Tage lang gegen seinen Willen dieselben Handtücher benutzen.
Herrlich, mit einem Schmunzeln gelesen.
Eigentlich schade, dass einem solche Sachen nur einmal passieren ;-)
zumindest erkanntest du damals, dass jedes Gebiet eine große Bandbreite verschiedener Ethnien bereithält.
Bayern ist ja groß, großartig, vielfältig.
Man sagt auch, wer aus Österreich nach Bayern kommt, ist nicht mehr in Österreich, aber auch noch nicht in Deutschland.
Franken ist auch nix einheitliches, von ober bis unter alles drin, das eigentliche Franken ist vielleicht Frankreich, warum sollte es sonst so heissen.😃
Lieber Wilfried,
Entspannung, seelische Erbauung, und auch die Förderung der Allgemeinbildung sind doch, wie so fein von Dir beschrieben, eine gute Urlaubsmischung.
Wie sieht`s denn aus? Fährst Du denn noch einmal nach Bayern?🌄😂
Viele Grüße
Rosi65
@Rosi65
Liebe Rosi65,
ich bin danach noch mehrmals nach Bayern in den Urlaub gefahren und werde es hoffentlich auch in Zukunft noch können.
Liebe Grüße
Wilfried
Es ist recht immer gut, sich stets mit den ortsüblichen Gepflogenheiten vertraut zu machen…
...meint Syrdal
Deine Geschichte erinnert mich auch daran, dass dies ja keine Seltenheit ist...schaut man nach Berlin, sieht man, dass z.B. der "Spandauer" keine Berliner ist. Er ist halt Spandauer. Und es geht weiter...der Babelsberger ist auch kein Potsdamer, er ist halt Babelsberger. 😉
Ja, man könnte eigentlich schmunzeln aber das alles ist eben historisch gewachsen.
Das mit den Handtüchern finde ich heute manchmal noch zu viel, gerade in Zeiten von Einschränkungen. Habe mich schon oft gefragt, warum in einem Hotel/Pension täglich gesäubert werden muss..., Handtücher bei Bedarf gewechselt werden können, auch täglich...das mache ich doch zu Hause auch nicht...und ein Bett kann man auch allein richten.
Der weile gibt es ja die Möglichkeit, nur dann aufräumen zu lassen, wenn man es möchte und das finde ich echt gut !
Kristine