Der Frauentag
Am 8. März wurde in der DDR der Frauentag gefeiert und einige Tage vorher ging die Chefsekretärin durch den gesamten Bereich und sammelte bei allen männlichen Mitarbeitern Geld für Kaffee, Kekse und Wein, denn der Bereichsleiter musste den Frauen an ihrem Ehrentag schließlich etwas anbieten. Dass er ein Budget für Repräsentationsaufgaben hatte, spielte für ihn in diesem Zusammenhang keine Rolle. Wahrscheinlich betrachte er dieses als Teil seines ohnehin nicht unbeträchtlichen Gehaltes.
Der Frauentag verlief so, dass der Bereichsleiter alle Kolleginnen zu sich in den Konferenzsaal einlud, den seine Sekretärin vorher entsprechend ausgestattet hatte. Zuerst servierten die Abteilungsleiter Kekse und Kaffee, danach kam der gemütliche Teil und es wurde Wein getrunken. Nach zwei Stunden entließ der große Chef die Damen wieder in ihre Abteilungen, wo sie, nun auf den Geschmack gekommen, weiter feierten.
Am Nachmittag zogen dann marodierende Horden von Frauen durch die Räume und suchten nach Opfern. Auf diese Weise hatten die männlichen Mitarbeiter das Glück, von ihren Kolleginnen geküsst zu werden und auch mal die eine oder andere auf dem Schoß zu haben. Lothar schmeckten die Küsse zu sehr nach Schnaps und Zigarette, als dass sie ein Genuss für ihn waren.
Aus dem Buch "Er war stets bemüht" von Wilfried Hildebrandt
Kommentare (3)
In Polen, wo es in den 70. an allem mangelte, bekamen zu diesem Anlass die berufstätigen Frauen auch je eine Strumpfhose, und eine Nelke. Beides musste quittiert werden. :)
Wie war das herrlich!?
Was aber war in den anderen 364 Tagen des Jahres???
Ich denke, dass Frauen genug darüber erzählen könnten.
Diese "Selbstbeweihräucherung" tut richtig weh ...