Danke!

Ich möchte Dir, liebe Mutter, heute Danke sagen – heute vor neunundsiebzig Jahren, da hat man Dir mich Frischling in den Arm gelegt. Und das war so wunderbar.
Du nahmst mich mit nach Hause, Du junge Mutter, weg aus dem Elisabeth-Krankenhaus in Berlin-Karlshorst. Es ging in die Hainstraße in Berlin-Niederschöneweide. Nur da wolltet Ihr nicht bleiben, weil es da in dem Neubau Wanzen gab, die man versuchte zu vergasen – mich hatte man vergessen – aber Alles ist gut gegangen. Ihr zogt nach Oberschöneweide in die Zeppelinstraße. Da kann ich mich noch genau daran erinnern: ich hatte mir da unten im Hof in die Hose gemacht, ein großes Mädchen hat sich um mich gekümmert.
Und dann zogen wir noch ein Stück weiter, eben, weil meine Schwester Babs auch einen Spiel- und Schlafplatz brauchte, wir zogen in die Rathausstraße (heute: Griechische Allee). Da bist Du mit uns Rangen hinüber zum Waldfriedhof Wuhlheide gewandert, Tante Trudchens Grab zu pflegen.
Und dann kam Nörli zu uns. Die Eltern beschlossen, gleich nach der Olympiade (1936) hinaus nach Eichwalde zu ziehen, Garten und Freiraum am Rande der Stadt Berlin.
1938 kam Ilschen zu uns. Noch war Frieden, nur übten wir schon das Verdunkeln.
1939: ich fragte Dich, was Krieg wäre, Du warst sehr traurig.
Und eines Tages sollte ich Dir schon beistehen, weil der Papi in den Krieg mußte. Unser Opa wurde in der Wuhlheide beigesetzt. Kurz vor Weihnachten 1940 kam unser Uli an.
Es war so toll mit Dir Mutti, waren wir eine fröhliche Familie. Sorgen? Deine fröhliche Stimmung ließ uns die nicht merken. Wenn es nötig war, versammelten wir uns um das Klavier und Du spieltest auf, damit wir herzlich singen konnten.
Der Krieg ging weiter und weiter. Bomben fielen. Kaum, daß unser Uschichen geboren war, wurde es in Eichwalde sehr unruhig. An Weinachten 1943 hatte Eichwalde die ersten Toten zu beklagen. Du hieltest aus, auch wenn Das Elternhaus in Eichkamp auch schon Schutt und Asche war. Als dann am 16.Januar 1944 Eichwalde wieder dran war, nahmst Du uns mit Sack und Pack, es ging zur Tante in den Odenwald. Ich habe gehorcht, Dich unterstützt, wie ich es in dem Alter verstand.
Als die Westfront näher rückte, Metz war „gefallen“, organisiertest Du einen halben Güterwagen, der unser Zeug wieder zurück nach Eichwalde brachte. Ich stelle mir immer wieder Fragen. „Wie hast Du das immer Alles bewerkstelligt?!“
Und 1945, nach Einmarsch der Russen, nahmst Du uns Kinder an die Hand und zogst mit uns in den Westen.
Das warst immer wieder Du, die uns umsorgte, die uns aufzog, uns das Laufen und Fühlen beibrachte.
Ich möchte Dir, liebe Mutter, heute Danke sagen für die neunundsiebzig Jahre. Sowie der Schnee weg ist, komme ich zu Dir und Papi ans Grab in Dachau. Ich sage Dir – wie alle die Jahre - Danke.

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Kommentare (3)

ortwin Wie haben sie das geschafft?
Die Eltern haben/hatten 44 Nachkommen! Nur ein Enkel liegt bei ihnen in Dachau auf dem Waldfriedhof.
Der Stammbaun, den meine vierte Schwester mit einem HP-Plotter auf DIN A0 gedruckt hatte, zeigt von jedem der dazugehöhrenden "Direkten" ein Bild zu dem Zeitunkt, als Mutter neunzig Jahre alt wurde, also 1999.
Die Feier dazu mußte gesplittet werden: die einen feierten in Bonn mit der Eltern Freunde, die anderen versammelten sich in der Nähe von Landshut. Unsere Mutter war danach geschafft, als ich sie später zurück nach Bonn kutschierte - aber eine ganz schöne Fahrt mit unserer Mutti (da hatte ich sie ganz für mich alleine von Bayern zurück an den Rhein).
koala Diese Frage haben sich spaeter viele gestellt. Es ist schoen zu lesen, dass trotz den ganzen Kriegswirren ALLE in Deiner Familie ueberlebt haben.
sissismam geschrieben!!
meinen herzlichen glückwunsch zu deinem geburtstag
und zu dieser mutter.
schöne, dankbare erinnerungen sind etwas, was uns keiner nehmen kann

lg

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