150 rote Rosen
Meine Sehnsucht nach der alten Heimat trieb mich förmlich immer wieder in die alte Heimat. Meine Großtante und ihr Mann hatten Silberne Hochzeit und das dort, wo ich sooo gerne war. In unserem Dorf mit der Bäckerei, den Feldern und Wiesen, die Badeseen und dem Napoleonsturm.
Die alte gelbe Klinkerstein-Schule und meinen Freunden. Und dieses kleine rote Backsteinhaus mit einem riesigen und langen Garten bis zum See - der Ort hieß Mildensee.
In diesem Garten stand ein Apfelbaum, den ich mit meinem Großvater dort gepflanzt hatte und meinen Namen trug. Nach jeder Ernte schickte mir meine Tante ein großes Paket mit Äpfeln von diesem, meinem Baum.
Es war Erntezeit und Ferienzeit und diesmal wollte ich selbst die herrlichen Opa-Äpfel ernten und silberne Hochzeit mit meinen liebsten Verwandten feiern. Ich schrieb also einen Brief an meine Großcousine, damit sie mir eine Aufenthaltserlaubnis besorgte und nach Wochen klappte es auch und somit saß ich im Zug in Richtung Dessau. An der Grenze bekam ich das große Bibbern, die Koffer wurden aufgemacht, das Abteil durchsucht, die Menschen abgetastet und auch aus dem Zug geholt und wir standen und standen - das war Bebra. Außer Nylon-Strümpfe hatte ich nichts ungewöhnliches im Gepäck. Auch nicht mehr in Verpackung. Es waren einfach meine. Ein Flintenweib konnte kaum die Finger von den Dingern lassen und ich grübelte schon, ob ich ihr welche schenken solle. Nein, es waren meine. Nach 3 Stunden Aufenthalt fuhren wir endlich weiter und in Leipzig hieß es umsteigen. Buh, was empfing mich dort - ein verrottetes Gebäude, mit Gestank gesegnet und nur rennende Menschen, die anscheinend kein Vertrauen zur großen Bahnhofsuhr mehr hatten.
Ich schlenderte mit meinem Koffer von A nach B mit Blick auf die Uhr, erreichte den richtigen Bahnsteig, stieg dort in den richtigen Zug ein. Ein alter klappriger Zug, 3.Klasse, die Holzkistenklasse. Na gut, schon schlimmeres erlebt, außerdem kannte ich es nicht anders. Von früher. Wir fuhren und so langsam kam eine Bahnstation nach der anderen, derem Ortsnamen ich schon gehört hatte. Und dann kam Jeßnitz, dort wohnte mal meine Urgroßmutter, die "Kleine Omi", dort war ich des öfteren, das kannte ich und Tante Marthchen wohnt dort auch. Oh Jubel, Dessau rückt näher.....Wolfen, dort hat Opa gearbeitet und dann Haideburg und jetzt war ich gleich da. Der Zug fuhr in einen ebenso gruseligen Bahnhof ein wie in Leipzig. Ein Hülle seinerselbst, es stank und war verwahrlost. Diesen Bahnhof kannte ich sehr gut, denn jeden Samstag holte ich dort meinen Opa von der Arbeit ab und auf dem Heimweg gab es immer "Hasenbrot", sein Essen für den Tag, von dem er für mich etwas absparte und es mir als Hasenbrot "verkaufte".
Ich stand nun in Dessau auf dem Bahnhof, schaute mich um, kein Mensch holte mich ab?
Sehr ungewöhnlich....auf einmal brach es über mich herein.....Großcousine mit Mann und Kind, meine ehemaligen Schulfreunde, noch 'ne Großtante und ein Großcousin und noch einer und noch einer. Ich wußte nicht mehr, ob ich träumte oder den Planeten gewechselt hatte. Ich stand da und heulte wie ein Schloßhund, so, wie alle anderen. Man trug mich förmlich aus diesem Grab von Bahnhof raus und ich blickte auf den Bahnhofsplatz mit riesiger Enttäuschung. Noch alles so, als ich meine Heimat verlassen hatte. Wenigstens so ungefär.
Der gleiche Schepperbus, die gleichen Haltestellen, die gleichen Schlaglöcher, die gleichen Ruinen bis auf die Straße, die zum Rathaus führte. Die war mit eckigen Häusern besiedelt, im Reihenbau und anschaulich. Eine Straßenmeile mit Erkern. Toll, jedenfalls war der Schutt weg, doch der einstmals berühmte "Kristallpalast", in dem immer Veranstaltungen stattfanden, lag noch immer in Trümmern. Im Keller hatte man eine "Armenküche" eingerichtet, eine wirklich soziale Idee.
Die Zeit lief mir davon, die Silberhochzeit stand vor der Tür. Meiner Großcousine wurde ihr Fahrrad entzogen und ich jagte los. Der Friedhof war das erste Ziel, zur Friedhofsverwaltung mußte ich auch noch, ich schaute nach dem Grab und es sah erbärmlich aus, obwohl der Verwaltung die Grabpflege überantwortet war. Jedenfalls bekam ich vierteljährlich die Kosten von meinem Konto abgebucht. Ich hatte noch ein Konto in der DDR, ein Konto, auf den die Zinsen von Liegenschaften meiner verstorbenen Eltern abgeführt wurden. Ich hatte also Geld, pro Tag 25.-Mark und auch noch der Zwangsumtausch, es kam was zusammen. Mein Weg von der Friedhofsverwaltung führte an einem Blumenladen vorbei, der gerade frische Blumen geliefert bekam. Sofort STOP und warten, schauen und merken. Der Wagen fuhr weg, ich ging in den Laden, stellte mich dumm und schaute mich um. Dahlien gab's und Sommerastern! Und wo waren die Rosen?, die ich gesehen hatte? Ich legte 10.- DM auf den Tisch und zögerlich noch 50.- Ostmark dazu und wollte das gesamte Bündel der angelieferten Rosen. Die arme Frau weinte regelrecht, ich legte noch ein paar für mich nutzlosen Geldscheine dazu und sie hatte das beste Geschäft ihres Lebens gemacht und ich hatte meine Roten Rosen. 150 Stück !! Ein Riesenbündel. Fest eingebunden und auf den Gepäckträger drauf und ab zum Friedhof. Ich klaute mir eine Vase vom Nachbargrab, hinterließ einen Zettel, legte dafür auch ein paar Rosen auf dieses Grab, fuhr zum Grab meiner Omama und Opapa, legte auch dort Rosen ab und kam mit dem noch riesigen Rest bei meiner Cousine an. "was hast Du denn wieder gemacht?", waren ihre ersten Worte. Wir stellten die Blumen ins Waschhaus und ich erzählte die Geschichte und am nächsten Tag war Silberne Hochzeit und alles war mit Rosen dekoriert und die Münder standen offen. Ein Traum von Rosen in der tristen Wirklichkeit.
Es wurde ein schönes Fest und ein herrlicher Urlaub in meiner "alten" Heimat.
Dr Abschied tat sehr weh.
Finchen
Die alte gelbe Klinkerstein-Schule und meinen Freunden. Und dieses kleine rote Backsteinhaus mit einem riesigen und langen Garten bis zum See - der Ort hieß Mildensee.
In diesem Garten stand ein Apfelbaum, den ich mit meinem Großvater dort gepflanzt hatte und meinen Namen trug. Nach jeder Ernte schickte mir meine Tante ein großes Paket mit Äpfeln von diesem, meinem Baum.
Es war Erntezeit und Ferienzeit und diesmal wollte ich selbst die herrlichen Opa-Äpfel ernten und silberne Hochzeit mit meinen liebsten Verwandten feiern. Ich schrieb also einen Brief an meine Großcousine, damit sie mir eine Aufenthaltserlaubnis besorgte und nach Wochen klappte es auch und somit saß ich im Zug in Richtung Dessau. An der Grenze bekam ich das große Bibbern, die Koffer wurden aufgemacht, das Abteil durchsucht, die Menschen abgetastet und auch aus dem Zug geholt und wir standen und standen - das war Bebra. Außer Nylon-Strümpfe hatte ich nichts ungewöhnliches im Gepäck. Auch nicht mehr in Verpackung. Es waren einfach meine. Ein Flintenweib konnte kaum die Finger von den Dingern lassen und ich grübelte schon, ob ich ihr welche schenken solle. Nein, es waren meine. Nach 3 Stunden Aufenthalt fuhren wir endlich weiter und in Leipzig hieß es umsteigen. Buh, was empfing mich dort - ein verrottetes Gebäude, mit Gestank gesegnet und nur rennende Menschen, die anscheinend kein Vertrauen zur großen Bahnhofsuhr mehr hatten.
Ich schlenderte mit meinem Koffer von A nach B mit Blick auf die Uhr, erreichte den richtigen Bahnsteig, stieg dort in den richtigen Zug ein. Ein alter klappriger Zug, 3.Klasse, die Holzkistenklasse. Na gut, schon schlimmeres erlebt, außerdem kannte ich es nicht anders. Von früher. Wir fuhren und so langsam kam eine Bahnstation nach der anderen, derem Ortsnamen ich schon gehört hatte. Und dann kam Jeßnitz, dort wohnte mal meine Urgroßmutter, die "Kleine Omi", dort war ich des öfteren, das kannte ich und Tante Marthchen wohnt dort auch. Oh Jubel, Dessau rückt näher.....Wolfen, dort hat Opa gearbeitet und dann Haideburg und jetzt war ich gleich da. Der Zug fuhr in einen ebenso gruseligen Bahnhof ein wie in Leipzig. Ein Hülle seinerselbst, es stank und war verwahrlost. Diesen Bahnhof kannte ich sehr gut, denn jeden Samstag holte ich dort meinen Opa von der Arbeit ab und auf dem Heimweg gab es immer "Hasenbrot", sein Essen für den Tag, von dem er für mich etwas absparte und es mir als Hasenbrot "verkaufte".
Ich stand nun in Dessau auf dem Bahnhof, schaute mich um, kein Mensch holte mich ab?
Sehr ungewöhnlich....auf einmal brach es über mich herein.....Großcousine mit Mann und Kind, meine ehemaligen Schulfreunde, noch 'ne Großtante und ein Großcousin und noch einer und noch einer. Ich wußte nicht mehr, ob ich träumte oder den Planeten gewechselt hatte. Ich stand da und heulte wie ein Schloßhund, so, wie alle anderen. Man trug mich förmlich aus diesem Grab von Bahnhof raus und ich blickte auf den Bahnhofsplatz mit riesiger Enttäuschung. Noch alles so, als ich meine Heimat verlassen hatte. Wenigstens so ungefär.
Der gleiche Schepperbus, die gleichen Haltestellen, die gleichen Schlaglöcher, die gleichen Ruinen bis auf die Straße, die zum Rathaus führte. Die war mit eckigen Häusern besiedelt, im Reihenbau und anschaulich. Eine Straßenmeile mit Erkern. Toll, jedenfalls war der Schutt weg, doch der einstmals berühmte "Kristallpalast", in dem immer Veranstaltungen stattfanden, lag noch immer in Trümmern. Im Keller hatte man eine "Armenküche" eingerichtet, eine wirklich soziale Idee.
Die Zeit lief mir davon, die Silberhochzeit stand vor der Tür. Meiner Großcousine wurde ihr Fahrrad entzogen und ich jagte los. Der Friedhof war das erste Ziel, zur Friedhofsverwaltung mußte ich auch noch, ich schaute nach dem Grab und es sah erbärmlich aus, obwohl der Verwaltung die Grabpflege überantwortet war. Jedenfalls bekam ich vierteljährlich die Kosten von meinem Konto abgebucht. Ich hatte noch ein Konto in der DDR, ein Konto, auf den die Zinsen von Liegenschaften meiner verstorbenen Eltern abgeführt wurden. Ich hatte also Geld, pro Tag 25.-Mark und auch noch der Zwangsumtausch, es kam was zusammen. Mein Weg von der Friedhofsverwaltung führte an einem Blumenladen vorbei, der gerade frische Blumen geliefert bekam. Sofort STOP und warten, schauen und merken. Der Wagen fuhr weg, ich ging in den Laden, stellte mich dumm und schaute mich um. Dahlien gab's und Sommerastern! Und wo waren die Rosen?, die ich gesehen hatte? Ich legte 10.- DM auf den Tisch und zögerlich noch 50.- Ostmark dazu und wollte das gesamte Bündel der angelieferten Rosen. Die arme Frau weinte regelrecht, ich legte noch ein paar für mich nutzlosen Geldscheine dazu und sie hatte das beste Geschäft ihres Lebens gemacht und ich hatte meine Roten Rosen. 150 Stück !! Ein Riesenbündel. Fest eingebunden und auf den Gepäckträger drauf und ab zum Friedhof. Ich klaute mir eine Vase vom Nachbargrab, hinterließ einen Zettel, legte dafür auch ein paar Rosen auf dieses Grab, fuhr zum Grab meiner Omama und Opapa, legte auch dort Rosen ab und kam mit dem noch riesigen Rest bei meiner Cousine an. "was hast Du denn wieder gemacht?", waren ihre ersten Worte. Wir stellten die Blumen ins Waschhaus und ich erzählte die Geschichte und am nächsten Tag war Silberne Hochzeit und alles war mit Rosen dekoriert und die Münder standen offen. Ein Traum von Rosen in der tristen Wirklichkeit.
Es wurde ein schönes Fest und ein herrlicher Urlaub in meiner "alten" Heimat.
Dr Abschied tat sehr weh.
Finchen
Kommentare (7)
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danke, ich schreibe Dir gesondert.
Bussi Finchen
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Um so mehr freue ich mich über den jetzigen Zustand der g. Bahnhöfe.
Leipzig ist eine Perle, erkennst ihn nicht mehr wieder.
Und im Allgemeinen, das grau dieser Häuserfassaden ist weitestgehend beseitigt.
Zum Erwerb der Rosen muß ich sagen, ja so war es.
Ich habe im Februar Geburtstag, zu dieser Jahreszeit gab es keine frischen Blumen zu kaufen. Vielleicht hatte man Beziehungen zum nächsten Blumenladen und bekam welche unter dem Ladentisch.
Mit Westgeld konnte ich nicht dienen, aber dafür mit Christbaumschmuck,
den mir wiederum ein Verwandter(er war Absatzdirektor und Messeaussteller dieser Herstellungsfirma) besorgte.
Wie hiess es doch so schön:
"Im Konsum keine Bekannten, im HO keine Verwandten
und vom Westen kein Paket, nu weisste wie´s mir geht."
Zum Glück, diese Zeiten sind vorbei.
LG Monika(die ganz in der Nähe von Dessau wohnt)
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Gruß Finchen und danke für Deinen Kommentar
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für die schöne geschichte,
die ich hier lesen konnte!
liebe grüße von marlenchen.
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gute Menschen,die zugleich Freunde sind zu kennen.Danke für Deinen Beitrag stefanie
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Noch heute erinnerst Du Dich so gerne an diese Zeit im Kreise Deiner grossen Familie vor dem Umzug in den Westen.
Wie gut, dass es schoene Erinnerungen an "Damals" sind.
LG Anita/Australien
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