Wieder Weihnachten.


Wieder Weihnachten.


Familien finden zueinander, Menschen, die sich monatelang nicht sahen, treffen sich endlich mal wieder.
Weihnachten, Fest der großen Erwartungen. Das war schon früher so, als wir noch Kinder waren. Wie fieberten wir doch diesen Tagen entgegen, wochenlang bereiteten wir uns darauf vor, wir hatten unsere kleinen Geheimnisse, alle anderen taten ebenfalls sehr geheimnisvoll. Schließlich konnten wir es kaum noch aushalten vor lauter Vorfreude.
Auch für viele Erwachsene ist Weihnachten das Fest der großen Erwartungen. Weihnachten - das muss so sein, wie es früher war. Da sind wir wieder alle beisammen, da nehmen wir uns viel Zeit füreinander, da ist alles harmonisch und friedlich.

Das ist dann fast so, als sollte an einem Tag des Jahres all das wieder in Ordnung gebracht werden, was in den vergangenen Jahren kaputtgemacht gemacht wurde. Aber: Das war niemals, zu keiner Zeit so, auch früher nicht und noch früher nicht - das hat nie geklappt.
Und so wird Weihnachten meist das Fest der herben Enttäuschungen. Die Erwartungen waren so groß, riesengroß. Dann aber kam alles anders.

Die Kinder sind sauer, weil sie nicht das bekommen haben, was sie sich wünschten.
Onkel und Tante machen ein verkniffenes Gesicht: 
»Bei euch ist es aber auch nicht mehr so wie früher« 
»Wir wollten uns doch nichts mehr schenken, nicht wahr?« 
»Davon weiß ich nichts.«
 
Onkel Fritz ist beleidigt, als man ihn auf sein schlechtes Gedächtnis aufmerksam macht. »Ich habe euch das Zeitungs-Abo extra ausgesucht.«
Ja, darüber freut man sich auch gefälligst, nicht wahr?
Lena flüstert: »Ach guck mal da, der alte Aschenbecher aus grüner Jade, den hatten wir Onkel Hans vor 20 Jahren mal geschenkt.«
Nun fand er wieder den Weg zurück. Dabei rauche ich seit 25 Jahren nicht mehr, das kann ich aber Tante Elise nicht sagen, sie wäre tödlich beleidigt.
Oma erzählt seit 30 Jahren dieselbe Geschichte aus ihrer Kindheit, wie sie dem Schneemann die Möhre aus dem Gesicht geklaut hatte. Alles lacht pflichtgemäß.
Hansi beklagt sich, weil die Rollerblades von ALDI sind, da kann er bei seinen Schulfreunden nicht punkten.
Annette hat sich einen echten Webrahmen gewünscht und keinen kleinen Schulwebrahmen, »der ist ja ätzend!«

Weihnachten. Zeit der Freude. Wir wollten doch alle fröhlich sein. Reden, singen, spielen. Alle hatten auch die besten Absichten.
Nach der zweiten Strophe von »O du fröhliche ...« singt schon kaum einer mit, nur Oma kennt noch alle drei Strophen.
Zum Ausgleich weiß sie aber auch nichts von »Rudolph, dem Red-Nosed-Reindeer«.
Und so reden und singen sie alle miteinander, aber aneinander vorbei.

Große Erwartungen? Ich jedenfalls will aufhören mit den großen Erwartungen, ich möchte mich freuen auf ein paar Tage, an denen wir zurückdenken an den bescheidenen Anfang in einer Höhle oder einem armseligen Stall in den Bergen Galiläas. Ich möchte mich freuen auf einen Neuanfang, und sei er noch so winzig, ganz bescheiden und demütig.


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Kommentare (1)

LisaK

Lieber Pan,
danke für das Teilen deiner Gedanken.
Um es mit Gerhard Polt zu sagen:
"Fast wia im richtigen Leben".
Leider!!!

Ich wünsche von Herzen, sie gelingt dir, die freudige, herzerwärmende Rückerinnerung
an schönere Weihnachtstage und hoffe mit dir auf einen winzigen Neuanfang für uns alle.
Frohe Weihnachten
Lisa⭐️



 


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