Schatten in der Stille


Schatten in der Stille


In einer kleinen, gemütlichen Wohnung am Rande der Stadt lebte Helena. Die Räume waren gefüllt mit Erinnerungen, Büchern, und der Gesellschaft ihrer Katze Luna. Helena war gern allein, genoss die Freiheit, die Unabhängigkeit und die stillen Abende, an denen nur das leise Summen des Windes ihre Gedanken begleitete.
Doch in den Nächten, wenn die Welt stiller wurde, krochen manchmal die Schatten der Zweifel aus den Ecken. Es war kein greifbarer Schrecken, sondern ein leises, nagendes Gefühl. Was wäre, wenn sie eines Tages eine Schwelle erreichte, an der sie nicht mehr allein zurecht käme? Wenn die körperliche Kraft nachließe oder die Welt um sie herum zu kompliziert würde?
Eines Abends, als ein Sturm aufgezogen war und die Fenster zitterten, fiel der Strom aus. In der plötzlichen Dunkelheit schien das ganze Haus schwerer zu atmen, und ein kühler Hauch strich über ihre Nackenhaare. Mit einer Taschenlampe in der Hand tastete sie sich durch die Räume, Luna, ihre Katze dicht bei ihr.
„Du hast schon Schlimmeres überstanden“, murmelte sie zu sich selbst, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. Aber die Gedanken blieben: Würde sie auch in zehn, zwanzig Jahren noch die Kraft haben, solche kleinen Katastrophen zu bewältigen?
Als sie endlich die Sicherung gefunden hatte, war es, als würde mit dem Licht auch ein Teil ihrer Ängste verschwinden. Aber nicht alle.
Später saß sie mit einer Tasse Tee auf dem Sofa, Luna auf ihrem Schoß. Ihre Hände umklammerten die Tasse, als könne sie sich an der Wärme festhalten. Sie dachte an ihre Mutter, die ihr immer gesagt hatte: „Man wächst an den Herausforderungen, die das Leben stellt. Es ist okay, Angst zu haben, solange du weitermachst.“
Helena wusste, dass es keine endgültigen Antworten gab. Doch vielleicht ging es auch nicht darum, jede Angst zu überwinden. Vielleicht reichte es, mit ihnen zu leben, sie zu akzeptieren und sie gelegentlich mit einer Tasse Tee und der Wärme eines lebendigen Wesens auf dem Schoß zu beruhigen.
Und so saß sie da, lauschte dem Heulen des Windes und lächelte schwach. Es war kein Lächeln der Gewissheit, sondern eines der Zuversicht – ein kleiner, stiller Triumph über die Schatten der Nacht.


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Kommentare (2)

chris33

Liebe doep52, 

​​​​​​die Zweifel, die mit dem Älterwerden mehr oder weniger kommen, begleiten uns alle. 

Wie schoen, wenn man - wie Helena, eine offensichtlich kluge Frau - mit Zuversicht in die Zukunft blickt. Diese innere Staerke und positive Haltung sind wohl das Beste, was man tun kann, um das Leben in jeder Phase zu genießen. 

Genau diese Zuversicht wuensche auch ich mir, denn sie ist der Schlüssel zu einem erfüllten und gelassenen  Leben.... 

Chris33 

Christine62laechel



Wahre Worte, liebe Doris: "Angst zu haben ist okay, solange du weitermachst." Egal ob es eine Angst wäre, von realen Umständen hervorgerufen, oder die kranke, irrationale, und nicht desto weniger belästigende panische Furcht. Wer die beiden Arten kennt, wird sie loswerden wollen, wie nur möglich. Ich glaube, ein Sieg im Kampf gegen Ängste wäre eine Situation, wo man mit Sicherheit behaupten kann: was dich nicht umbringt, macht dich stärker. Wenn man in diesem Kampf gewinnen kann, bekommt man einfach Flügel. Kein leichter Sieg, mögen den aber Alle erreichen können, die das brauchen. Stille – ja; Dunkelheit – ja; nur wenn ganz ruhig aber, und ohne drohende Schatten.


Mit Grüßen
Christine


 


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