Er soll unter dem Namen Syd Fox bekannt sein, auf seinem großen Schalenkoffer prangen die beiden Versalien S F, ich seh’s, als er ihn am Perron des Wiener Westbahnhofs hinter sich her zieht, um einen Kofferkuli zu suchen.

Er war irgendwo nach Innsbruck in der 1. Klasse aufgetaucht, wie ich im Verlauf des Gesprächs erfuhr, war er in Kufstein eingestiegen, ein kleiner Mann mit amerikanischen Hut, getönter Brille. Er fragte meine Nachbarin, ob der Platz ihr gegenüber frei sei. Dort lag eine weiße Aktenmappe, die meinem Gegenüber gehörte, der offenbar ins Zugrestaurant verschwunden war. Da meine Nachbarin keine eindeutige Antwort gab, bedeutete ich ihm, er könne wohl trotz Mappe Platz nehmen. Wenig später döste er vor sich hin. Nachdem der Platz neben mir in Salzburg frei geworden war, wechselte der Kleine dorthin und wurde so mein Sitznachbar. Mein Gegenüber, inzwischen wieder zurück, sagte beiläufig: „He changed his mind“, wohl in der Annahme, er habe einen Amerikaner neben sich gehabt. Mein kleiner Nachbar reagierte darauf mit einer freundlichen Bemerkung - in Deutsch. Seinen Hut hatte er längst auf eine Gepäckablage über einer jungen Reisenden aus Montreal geworfen. Was fiel mir noch auf an ihm? Seine Krawatte. Quer von oben links nach unten rechts verlief ein eingewirktes schmales Goldband. Das Stichwort zum Beginn unserer Unterhaltung ist mir entfallen, doch was er im Folgenden von sich gab, führte mir eine erstaunliche Persönlichkeit vor. Ehe wir ins Gespräch kamen, hatte ich mit meinem Gegenüber – Chirurgischer Chefarzt des Mödlinger Krankenhauses – über die Kosten im Gesundheitswesen und die Vor- und Nachteile eines EG-Beitritts Österreichs debattiert. Also was erfuhr ich von meinem kleinen Nachbarn, der trotz seiner Alterszerbrechlichkeit ein faltenloses Gesicht besaß?

Dass er Däne sei, aber drei Wohnsitze habe, einen in Kopenhagen, einen bei Bad Tölz („dort habe ich meiner Frau ein Hotel gekauft“) und einen weiteren, der mir entfallen ist. Er sei Producer fürs Fernsehen, habe fünf Filme mit Rühmann gemacht, mit Cary Grant und Chaplin „gearbeitet“. Geboren sei er auf einem Schiff, als Geburtsort aber gelte Stockholm. Die Mutter stamme „irgendwo auf der Tschechoslowakei“ her und sei Varieteekünstlerin gewesen, der Vater Zahnarzt in New York, weswegen er dort seine Kindheit verbracht habe. Ein russischer Ballettmeister habe ihn seinem Vater abgeworben, und so sei er mit einer russischen Tanzgruppe durch die Welt gezogen. Wie alt er denn sei? Das sage er nicht, aus Aberglauben, aber ich könne ja raten. Ich tat es, aber nur stumm, und schätzte ihn, ebenfalls stumm, auf etwa 80 Jahre. Wobei ich auch in der Folge blieb.

Jetzt nicht der Reihe nach: er sei achtmal verheiratet gewesen, habe aber nur mit der letzten Frau (jener in Bad Tölz) eine Tochter, die im spanischen Castellon ein Kosmetik- und Bodybuilding-Studio besitze, das er ihr eingerichtet habe. Er selbst sei Varieteekünstler gewesen, auf komische Nummern spezialisiert, auf einem Foto zeigte er mir eine Veranstaltungsankündigung, die angeblich seine Silhouette zeigte mit der Aufschrift – wenn ich’s richtig gelesen habe - „The 5th Fox“. Alle, die mit ihm gearbeitet hätten, seien längst tot. Rühmann schreibe ihm zum Geburtstag. Jetzt fahre er nach Wien, um unter anderem mit dem ORF (Österreichische Rundfunkanstalt – S.T.) zu verhandeln, weil die fünf seiner Shows aufgekündigt hätten. In Wien sei er im Ronacher aufgetreten, es kann aber auch sein, dass er davon sprach, in diesem berühmten Varietee-Theater Shows produziert zu haben. Paris: dorthin fahre er auch, um über Veranstaltungen im Lido zu verhandeln. Wahrscheinlich werde er bis zu seinem Tode arbeiten, wenn das möglich sei. Er fühle sich ganz gesund.

Nun ja, krank wirkte er nicht, aber doch sehr altersunsicher, wenigstens wenn er ging. Sein Tonfall hatte nichts Dänisches an sich, „süßlich“ nannte er diesen Akzent, vor dem er auch seine Tochter gewarnt habe, er spreche auch Schwedisch und Norwegisch, natürlich Englisch und Spanisch. Das Russische, das er als Kind auf Reisen gelernt habe, habe er wieder vergessen. Ungarisch könne er auch etwas. Von der Seite, insbesondere nachdem er zur Ankunft in Wien seinen Hut wieder aufgesetzt hatte, sah er bemerkenswert verwegen aus, wie ein kleiner Gangsterboß. „Natürlich“ hat er auch in Las Vegas „gearbeitet“ (was wohl stets heißen sollte: Shows produziert). Er sprach von der Berolina, von Boyd Bachmann, dem dänischen Komiker, der vor etwa 4 Jahren gestorben sei und von dem er nur wisse, dass er Werbung für Langnese-Eis gemacht habe, woran ich mich selbst auch erinnerte.

Was war wahr, was phantasiert? Stimmte am Ende alles, was mir dieser offenbar tatsächlich noch immer umtriebige Greis so freundlich und unaufdringlich aus seinem Leben vorsetzte? Zumindest hatte sich daraus eine kurzweilige Bahnfahrt ergeben. Ach ja, was ich von den Verhandlungen in Moskau halte, wollte er sogar auch wissen. Und jetzt erinnere ich mich doch noch, wie unser Gespräch begann: er hatte, nachdem er seinen Platz im Abteil eingenommen hatte, bemerkt, dass sechs der Borkener Bergleute lebend gefunden worden seien (nach einem Grubenunglück in der Nähe der hessischen Stadt), worauf ich antwortete, dass ich die Gegend kenne, wo sich das Drama abgespielt hat, der Chirurg, dass er vor einiger Zeit in Kassel auf einer Veranstaltung gewesen sei. Ja, und aus dem Hin und Her hatte sich dann mein erprießlicher und kurzweiliger Dialog mit Syd Fox ergeben.

Siegfried Träger

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Kommentare (2)

Aixit Korrektur zu Syd Fox:

Das Geburtsjahr von Syd Fox war falsch angegeben, es war zwischen 1900 und 1905,
und ihr Treffen war im Juni 1988, ja das habe ich im Net schon jetzt herausbekommen,
also war er damals über 80 Jahre alt und müsste heute verstorben sein, wenn er nicht
gerade die Supergene von Jopie Heesters geerbt hat. Ja wie gesagt man findet leider
kaum Infos über ihn, da seine Karriere in den 30er Jahren begann, in den 40er, 50er
und 60er Jahren hatte er große Erfoge mit internationalen Künstlern und auch in den
70er Jahren feierte er noch große Abschlüsse im Business des Entertainments.

Bis ins hohe Alter mischte er aber noch mit, und sein Rat war in der Branche grfragt,
denn er war einer der alten Hasen, der ja zu jeder Zeit immer das richtige Gespür für
Talente hatte, ja und Sie dann auch mit Engagements versorgt hat, in Deutschland,
und in Europa und natürlich über den großen Teich hinaus.
Aixit Sehr geehrter Herr Träger,

die Antwort kommt nach über 6 Jahren, aber sie kommt:

Herr Fox war ein berühmter Agent, dessen Aufgabe es war, Künstler für die ganze Welt
zu engagieren, meistens waren es Verträge im Variétebereich und zwar in den 60er und
70er Jahren hatte er seine große Zeit. Er bekam dann für die Verträge eine Provision und
lebte zuletzt in Bad Tölz.

Wann war ihre Begegnung mit Syd Fox, der Artikel war ja von 2009, ja wenn er da noch
gelebt hat, müsste er über 90 Jahre alt gewesen sein, ca. 1915 geboren mehr weiß ich
nicht, aber die Angaben die Herr Fox gemacht hat, stimmen alle, aber er war mehr ein
Agent und vermittelte nur die Künstler, eigene Filme machte er nicht - vielleicht war er
noch im Hintergrund als Produzent tätig. Jedenfalls eine tolle Persönlichkeit im Stil von
Alfred Hitchcock.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen helfen ihr Konrad Hartmann

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