Weihnachten vor 100 Jahren


Liebe Leser,
eine Vorbemerkung sei gestattet. Der folgende Aufsatz zum Weihnachtsfest des Kriegsjahres 1914 ist düster. Er sollte zugleich verpflichtend sein, über unser Dasein und unsere Mitmenschlichkeit nachzudenken. Immerhin leben wir in einem der reichsten Länder der Welt.

Ein Weihnachtsfest im schmerzlichen Widerspruch
Anmerkungen zum Weihnachtsfest vor 100 Jahren
Was im Frühherbst noch keiner ahnte, der Krieg, begonnen am 1. August 1914, war Weihnachten nicht zu Ende. Dabei hatte die Propaganda dies bis Anfang November so immer wieder betont, um die sogenannte innere Front zu stärken. Und nun, eigentlich ganz neue Töne, so z. B. von den Pfarrern in den Orten des Radeberger Landes. „Als schmerzlichen Widerspruch erlebt die christliche Welt das Weihnachtsfest. Der Weltkrieg macht die Zahl der Leidenden noch größer“, so die Pfarrer in Seifersdorf, Langebrück oder Lichtenberg in ihrer Weihnachtspredigt. Ganz anders Radebergs Superintendent Kaiser, der das Weihnachtsfest als „Verheißung deutscher Taten und als Pflicht für jeden Christen, alles zum Sieg der deutschen Waffen zu tun“ einordnete. Die Kirchen waren traditionell stark besucht. Jedoch schreibt der Chronist „Eine nie gehabte Ruhe, eine ungewöhnlich lange Reihe feiertäglicher Ruhe brachte das diesjährige Weihnachtsfest“. Welch Wunder, waren doch allein in Radeberg 1475 Männer nicht zu Hause, davon über 1200 unmittelbar an den Fronten im Westen oder Osten. 28 waren bis Weihnachten gefallen, etwa 80 teilweise schwer verwundet. In den Dörfern ähnliche Zahlen.
Der Chronist vermerkt weiter: „Es war wohl diesmal ausschließlich ein Fest der Kinder, die den furchtbaren Ernst der Zeit noch nicht erfassen können“. Und dennoch auch hier Kriegspropaganda pur. Feldgraue Soldatenmützen als Weihnachtsgeschenk für die Jungen, dazu Kriegsspielzeug jeglicher Art. Die älteren Mädchen erhielten Wolle mit der Aufforderung ihre „Strickkünste“ zu beweisen, um dem Vater oder Onkel gestrickte, warme Sachen ins Feld schicken zu können. Aufgeführt dazu in den Vorweihnachtstagen in fast jedem Ort ein von Schülerinnen gespieltes Theaterstück mit dem Inhalt das zwei „fleißige Mädchen“ eben für die Soldaten strickten, während drei andere Mädchen lieber draußen herumtollen wollten. Zum Schluss sind auch jene vom Stricken überzeugt. Die Kriegsmaschinerie hatte im Grunde genommen damit jede Faser kindlichen und menschlichen Daseins erfasst.
In allen Ort und in der Stadt Radeberg gab es vor dem Weihnachtsfest eine öffentliche Bescherung jener Kinder, deren Väter bereits unter den Kriegsopfern waren oder Weihnachten an der Front zubringen mussten. Es wurde viel Aufwand getrieben, die über 100 Arnsdorfer Kinder, deren Väter im Krieg waren, erhielten z. B. erzgebirgisches Spielzeug und 3 Mark Bargeld. Letzteres war für die Versorgung im Alltag von großer Bedeutung, denn die Mütter hatten meist nur 9 Mark die Woche zur Verfügung. Kindergeld gab es damals noch nicht, und der kriegspflichtige Vater erhielt seinen Sold an der Front, ohne Chance es nach Hause zu senden. Und so war auch kein Geld da für Vergnügungen. Die nun „alleinerziehenden“ Mütter versuchten mit ihren Möglichkeiten die Feiertage zu gestalten. Zum Glück hatte es am 22. Dezember geschneit, so sorgte wenigstens das Schlittenfahren für eine kindgerechte Unterhaltung.
Am 22. Dezember hatte man den Saalinhabern seitens des Generalkommandos mitgeteilt, dass „öffentliche Tanzmusik unzeitgemäß und unerwünscht“ sei. Und so gab es „nur“ Familienprogramme, mit oft ernster Musik. Hermsdorf fiel etwas auf, das traditionelle Teichfischen der Karpfen wurde auf den Heilig Abend gelegt. Neun Gaststätten in Radeberg organisierten Schlachtfeste und im „Schützenhaus“ traten die Rheingoldsänger auf. Am 28. Dezember schrieb der Chronist vom bevorstehenden endgültigen Sieg, „damit uns für lange, lange Zeit fern gehalten bleibe, eine solche Kriegsweihnacht wie 1914!“ Keiner ahnte, dass es im Grunde genommen nur der Anfang von weiteren vier Kriegsjahren und entbehrungsreichen Nachkriegsjahren war.

haweger

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Kommentare (1)

christl1953 schrecklichen Dingen die die Soldaten zu ertragen hatten.
Ich habe gestern das Buch"Im Westen nichts Neues" gelesen,
das schildert die wahrheitsgemäße Situation der Soldaten an der französichen Front. Trotzdem kam dann der zweite Weltkrieg mit all seinen Greueln auf jeder Seite.Man kann nur für unsere Jugend hoffen, dass es solches nie mehr gibt.

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