„Des Rechnens ist er durchaus unerfahren“
„Des Rechnens ist er durchaus unerfahren“
Von einer Lausaer Lehrprobe anno 1729
Nachdem der Lausaer Lehrer „durch tödliches Ableben“ eine Lücke in die Schuldurchführung gerissen hatte, informierte der Ortspfarrer im März 1729, dass nunmehr eine Lehrprobe erfolgen müsste. Es gab fünf Kandidaten, die in der Öffentlichkeit die Singprobe und ein Vorlesen aus der Bibel leisten mussten. Danach erfolgte vor ausgewählten Männern der Gemeinden Lausa, Friedrsdorf, Gomlitz und Weixdorf eine Probe im Handschrift lesen, ein Frage – und Antwort – Komplex „aus dem Verstande zu bringen“, ein Diktat oder Buchstabieren und das Rechnen.
Jeder der fünf Kandidaten schlug sich mit seinen Möglichkeiten. Als erster war Martin Otte, 30 Jahre alt, zeitweise Schuhmacher zu Lausa, dran. Sein Kirchengesang erhielt die Bewertung: „Hat noch viel Melodie zu lernen und könnte seine Stimme besser sein“. Gelesen hat er aus Genesis 10. „Das Lesen war eingehend, das Buchstabieren hatte drei Fehler“. Im anschließenden Handschriftenlesen war er „mittelmäßig“. Die Fragen konnte er „so recht und schlecht“ beantworten. Bei drei Zeilen Diktat hatte er drei Fehler gemacht und „Des Rechnens ist er durchaus unerfahren“, wurde im Protokoll notiert.
Der nächste Kandidat, Jakob Mehlig, ein Leineweber aus Wahnsdorf, „hat die Fünfzig hinter sich“, „quiekte beim Singen mehrmahlig und hatte immer die gleiche Melodie“. Beim Lesen von Josua 19 machte er zehn Lesefehler. Die Handschriften las er schwach mit stockender Stimme. Im Diktat gab es sechs Fehler und „des Rechnens auch nicht kundig“. Sein großer Vorteil: Mehlig konnte den Katechismus fehlerfrei rezitieren.
Über den dritten Kandidaten, den Schneider Philipp Hoppe aus Grünberg „ein alter gebrechlicher Mann von fast 60 Jahren“ schrieb man in das Protokoll „sollte lieber zu Hause geblieben sein“. Seine Stimme wurde beim Gesang mit einem blökenden Kalb verglichen und im Diktat konnte er fließend nur drei Worte richtig schreiben. Die anderen Leistungen waren „nicht der Rede wert“.
Der seit kurzem als Hausgenosse in Friedersdorf lebende Kesselflicker Johannes Schütte „hat 50 Jahre des Lebens auf Erden gewandelt“ sang mit „ziemlichen applaus“. Das Lesen war „eingängig“, jedoch konnte er weder zum Katechismus noch den Psalmen „frei rezitieren“. Die Fragen beantwortete er mit „eigensinnigem Commentare“. Und schließlich hatte er das Diktat mit „guten Buchstaben bey zehn Fehlern“ gemeistert. Im Rechnen konnte er nur Addieren.
Als letzter Kandidat stellte sich mit Friedrich Lottes ein Sachse vor, der bis vor kurzem als preußischer Unteroffizier gedient hatte. „Hatte im Scharmützel ein Bein verloren, galt aber per Zeugnis als verwendungsfähig im (preußischen) Lehrerdienst. Sang mit starker Stimme, jedoch ohne richtige Melodie. Den Bibeltext konnte er „ziemlich schnell lesen“, ebenso die Handschriften. Diue Fragen beantwortete er ziemlich, im diktat hatte er bei drei Zeilen acht Fehler. Im Rechnen war er bis dahin der Beste. „Konnte ohne Stocken Addiren und ein bißchen Subtraheren“.
In der Auswertung einigten sich die den Pfarrer unterstützenden Männer auf Jakob Mehlig. Man sollte ihn ins Nachbardorf als Hilfslehrer geben zu „einem gelahrten Manne“ und dann im Herbst in Lausa einsetzen. Der Kesselflicker streiche zu viel durch die Lande, hier war wohl seine Unkenntnis kirchlicher Litanei ausschlaggebend. Der Unteroffizier wäre eigentlich der Geeignete. „Doch er würde die Fuchtel zu stark gegen die Kindlein gebrauchen, daß es den Müttern wehmüthig ums Herze werde“.
Jakob Mehlig, obwohl in relativer Armut lebend, erhielt das einstimmige Votum. Er war jedoch nur ein Intermezzo, denn 1733 kam ein neuer Lehrer, der sogar zeitweise die Universität besucht hatte.
haweger
Von einer Lausaer Lehrprobe anno 1729
Nachdem der Lausaer Lehrer „durch tödliches Ableben“ eine Lücke in die Schuldurchführung gerissen hatte, informierte der Ortspfarrer im März 1729, dass nunmehr eine Lehrprobe erfolgen müsste. Es gab fünf Kandidaten, die in der Öffentlichkeit die Singprobe und ein Vorlesen aus der Bibel leisten mussten. Danach erfolgte vor ausgewählten Männern der Gemeinden Lausa, Friedrsdorf, Gomlitz und Weixdorf eine Probe im Handschrift lesen, ein Frage – und Antwort – Komplex „aus dem Verstande zu bringen“, ein Diktat oder Buchstabieren und das Rechnen.
Jeder der fünf Kandidaten schlug sich mit seinen Möglichkeiten. Als erster war Martin Otte, 30 Jahre alt, zeitweise Schuhmacher zu Lausa, dran. Sein Kirchengesang erhielt die Bewertung: „Hat noch viel Melodie zu lernen und könnte seine Stimme besser sein“. Gelesen hat er aus Genesis 10. „Das Lesen war eingehend, das Buchstabieren hatte drei Fehler“. Im anschließenden Handschriftenlesen war er „mittelmäßig“. Die Fragen konnte er „so recht und schlecht“ beantworten. Bei drei Zeilen Diktat hatte er drei Fehler gemacht und „Des Rechnens ist er durchaus unerfahren“, wurde im Protokoll notiert.
Der nächste Kandidat, Jakob Mehlig, ein Leineweber aus Wahnsdorf, „hat die Fünfzig hinter sich“, „quiekte beim Singen mehrmahlig und hatte immer die gleiche Melodie“. Beim Lesen von Josua 19 machte er zehn Lesefehler. Die Handschriften las er schwach mit stockender Stimme. Im Diktat gab es sechs Fehler und „des Rechnens auch nicht kundig“. Sein großer Vorteil: Mehlig konnte den Katechismus fehlerfrei rezitieren.
Über den dritten Kandidaten, den Schneider Philipp Hoppe aus Grünberg „ein alter gebrechlicher Mann von fast 60 Jahren“ schrieb man in das Protokoll „sollte lieber zu Hause geblieben sein“. Seine Stimme wurde beim Gesang mit einem blökenden Kalb verglichen und im Diktat konnte er fließend nur drei Worte richtig schreiben. Die anderen Leistungen waren „nicht der Rede wert“.
Der seit kurzem als Hausgenosse in Friedersdorf lebende Kesselflicker Johannes Schütte „hat 50 Jahre des Lebens auf Erden gewandelt“ sang mit „ziemlichen applaus“. Das Lesen war „eingängig“, jedoch konnte er weder zum Katechismus noch den Psalmen „frei rezitieren“. Die Fragen beantwortete er mit „eigensinnigem Commentare“. Und schließlich hatte er das Diktat mit „guten Buchstaben bey zehn Fehlern“ gemeistert. Im Rechnen konnte er nur Addieren.
Als letzter Kandidat stellte sich mit Friedrich Lottes ein Sachse vor, der bis vor kurzem als preußischer Unteroffizier gedient hatte. „Hatte im Scharmützel ein Bein verloren, galt aber per Zeugnis als verwendungsfähig im (preußischen) Lehrerdienst. Sang mit starker Stimme, jedoch ohne richtige Melodie. Den Bibeltext konnte er „ziemlich schnell lesen“, ebenso die Handschriften. Diue Fragen beantwortete er ziemlich, im diktat hatte er bei drei Zeilen acht Fehler. Im Rechnen war er bis dahin der Beste. „Konnte ohne Stocken Addiren und ein bißchen Subtraheren“.
In der Auswertung einigten sich die den Pfarrer unterstützenden Männer auf Jakob Mehlig. Man sollte ihn ins Nachbardorf als Hilfslehrer geben zu „einem gelahrten Manne“ und dann im Herbst in Lausa einsetzen. Der Kesselflicker streiche zu viel durch die Lande, hier war wohl seine Unkenntnis kirchlicher Litanei ausschlaggebend. Der Unteroffizier wäre eigentlich der Geeignete. „Doch er würde die Fuchtel zu stark gegen die Kindlein gebrauchen, daß es den Müttern wehmüthig ums Herze werde“.
Jakob Mehlig, obwohl in relativer Armut lebend, erhielt das einstimmige Votum. Er war jedoch nur ein Intermezzo, denn 1733 kam ein neuer Lehrer, der sogar zeitweise die Universität besucht hatte.
haweger
Kommentare (3)
Allegra
Wer da auf sie losgelassen wurde...
beachtlich auch das Selbstbewußtsein der Kandidaten!
Wenn es nicht so traurig wäre - der reinste Klamauk.
Allegra
beachtlich auch das Selbstbewußtsein der Kandidaten!
Wenn es nicht so traurig wäre - der reinste Klamauk.
Allegra
hellusch
Ich habe voller Vergnügen geschmunzelt. So wurden also einst Lehrer ausgewählt! Wer weiß, vielleicht nicht einmal die schlechteste Methode!
Herzlichen Dank für diesen Bericht!
hellusch
Herzlichen Dank für diesen Bericht!
hellusch
Eine interessante Geschichte - wie die Auswahl eines Lehrers auch vorgenommen werden kann.
Schmunzelnde Grüße
Juliana