Wie verzweifelt muss der Mensch sein?

Wenn ein Mensch seinem Leben ein Ende setzt, dann sind seine Familie, Freunde oder auch die Nachbarn ratlos. Niemand hatte voraussehen können, dass der Lebenswille versagte.

Viel wurde in diesen Tagen darüber gesprochen, die Leute sind schockiert.

Heute Morgen wurden Stimmen laut. Wir können nicht für ihn singen in der Kirche. Zur Beerdigung? Nein da gehen wir nicht hin.
„Warum wollen sie denn nicht singen für ihn und nicht zur Beerdigung?“ stellte ich eine Gegenfrage.
Ganz lapidar antworteten die Leute aus dem Dorf: „Weil wir katholisch sind!“

Dazu fällt mir ehrlich gesagt nur Eines ein. Sind wir nicht alle Geschöpfe dieser Erde? Ob Katholik, Protestant, Mohammedaner oder Buddhisten?

Ich wurde allen Ernstes gefragt: „War er nicht sehr feige, so aus dem Leben zu gehen?“
Ich war schlicht fassungslos wegen dieser Frage.
Meine Antwort: „ Nein, es gehört sehr viel Mut dazu, sich das Leben zu nehmen.“
Er hat diese Entscheidung getroffen, weil er sehr schwer krank war und es keinerlei Hoffnung mehr gab für ihn.
Der Entschluß sich zu erschießen ist ihm bestimmt nicht leicht gefallen.


Sicher, wir leben in einem Dorf, mit einer festgeformten Ethik und Moral, einem christlichen Gemeinschaftsleben, doch darf eine Dorfgemeinschaft derart richten, über einen Menschen, der nur seinen freien Willen durchgesetzt hat?

Ich finde es arm, ganz arm, wenn man sich so verhält in unserer Zeit.
Toleranz ist hier mal wieder gefragt, der den Menschen und seine Not sieht und nicht nur das, was der Klerus und deren Dogmen vorschreiben , was zu tun sei mit einem Selbstmörder.
Der ausserdem in unserem Dorf „Glück „ haben muss, beerdigt zu werden.

Willkommen im 21. Jahrhundert!

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Kommentare (13)

oessilady Es ist ein schreckliches Erlebnis für die Angehörigen eines so aus dem Leben gegangenen Menschen.Es bleiben Schuldzuweisungen im Raum stehen ,sei es die man sich selbst macht oder die von anderen Angehörigen oder Freunden des verstorbenen Menschen an eine Familienangehörige (frau oder mann)heran getragen werden.Oft sit das so daß derjenige der beschuldigt wird am Selbstmord eines anderen schuldhaft zu sein,dadurch an den Rand eines Suizides gebracht wird.es sollte nicht verurteilt werden,denn kein mensch kann das verhindern,wenn jemand sich das Leben nimmt-zumindest beim Erwachsenen ist das so. Wenn Kinder oder junge Menschen sich umbringen ,stecken meistens größere Probleme im Umfeld dahinter und Ausweglosigkeit vor einer bestimmten Situation. Schuld ist ein sehr schwerer Vorwurf und daß solch ein mensch
dann nicht ans Grab begleitet wird ,sagt sehr viel über eine Glaubensgemeinschaft aus,die nicht christlich handelt.
outofspain Und das ist gut so!

Mittlerweile ist der Alltag eingekehrt im Dorf,nun sucht man die/den "Schuldige/n"!
Die Ehefrau kommt nicht sehr gut dabei weg. Wie gut, dass die Leute immer so schnell ein Opfer finden! Einfacher geht's doch nicht.
snoopygirly hallo .. ich kann es verstehen auf der einen seite, wenn jemand schwer krank ist.ich denke jeder hat SEIN leben un jeder kann entscheiden was er damit macht. wie die leute reagieren ist echt schlimm, da stimme ich zu. oftmals werden menschen von genau SOLCHEN in den tod getrieben. weil die welt kalt ist. weil keiner sich mehr um den andren kümmert. wir sind katholisch?! da fällt mir nur ein satz ein:

vor gott, sind alle menschen gleich.

ehemaliges Mitglied und die christliche Nächstenliebe? Gerade jetzt brauchten die Angehörigen Trost und Zuspruch. Ich glaube nicht, dass Weglaufen die richtige Reaktion ist. Aber es ist einem schon danach zumute. Auch wenn es andernorts Zuspruch zumindest bis zur Beerdigung hätte geben können, so bleiben doch die Angehörigen isoliert. Aber es gibt ja zumindest eine Person in dem Ort, die das anders sieht und das ist ausbaufähig.

Liebe Grüße
Gerd
Drachenmutter mir fehlen die Worte. Was für eine zurückgebliebene Dorfgemeinschaft ist das. Sie bestraft die trauernden Hinterbliebenen, sie tittt damit auf die Menschen ein, die eh schon am Boden liegen. Was für eine verlogene Moral steckt da nur hinter? Ich fasse es nicht.
Anstelle der Hinterbliebenen würde ich aus diesem Dorf wegziehen.

Liebe Grüße,
woelfin
outofspain dieser Mensch beerdigt worden. Die Jäger ( der verstorbene war Jäger) haben sich geweigert am Grab ein letztes Mal in ihr Horn zu blasen, viele der Kirchenchormitglieder weigerten sich bei der Totenandacht zu singen , bei der Andacht selbst waren nur sehr wenige zugegen. Ein schwarzer Tag für dich Menschlichkeit in unserem Dorf.
Es gab wenig Trost oder Halt in der Dorfgemeinschaft für die Angehörigen.





ehemaliges Mitglied in einer kleinen Gemeinde erlebt, dass ein Familienvater sich suicidierte. Depression hat viele Gesichter, bleibt oft unerkannt vom Umfeld.
Es war keine Frage, dass die Kirchengemeinde anwesend war, es wurde am Grab gesungen und christlich beigesetzt.
Ich persönlich meine, es geht auch um die Angehörigen, denen diese christlichen Rituale Trost und Halt geben sollen und können und deren Entsetzen durch das Geschehen schon groß genug ist.

Liebe Grüße
Meli
floravonbistram Einzelne zu Selbstmord steht, egal, wie oft die sogenannten guten Christen sich gegenseitig versichern, welch große Sünde das ist, egal, wie die "Kirchenfürsten" dies benennen, wo ist denn bei denen das Gebot versteckt worden, du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst?

Hier starb weder ein Katholik, ein Protestant, ein Buddhist oder wie auch immer, hier starb ein MENSCH, der für sich keinen anderen Weg sah
Danke für diese Geschichte, die alle zum Nachdenken anregen sollte
Flo
ehemaliges Mitglied Ein Glück für mich dass ich in einer aufgeschlossenen Kirchengemeinde lebe. Auch ich wohne in einem Dorf, aber bei uns ist es anders. In früheren Jahren wurden Menschen die Suizid begangen haben, ohne Christlichen Beistand an der Friedhofsmauer beigesetzt. Das hat sich aber gottlob geändert. In unserer Kirchengemeinde werden Menschen die den Freitod gewählt haben, heute christlich beerdigt. Unser Pfarrer ist weltoffen und gerade wenn ein Mensch den Freitod gewählt hat, steh er den Angehörigen und Freunden zur Seite. Nicht nur an den Tagen bis zur Beerdigung sondern auch danach.
Auch kann ich mir für unsere Kirchengemeinde solche taktlosen Worte nicht vorstellen. Gerade Menschen die ihrem Leben selber ein Ende setzen, müssen total verzweifelt sein. Die familiäre Umgebung braucht gerade dann Zuspruch.

desoxy Meine Mutter begann Selbstmord als ich 14 Jahre alt war. Der Beerdigung blieb der gesamte katholische Verwandtschaftszweig fern.
Ich werde nie vergessen, wie ich alleine mit meiner Tante und meinem Onkel, (evangelisch) in der Kapelle saß.
Zuhause angekommen, traf diese Verwandtschaft ein .....meine Tante hat sie alle aus dem Haus gejagt ......nie wieder haben diese Menschen auch nur einen Fuß über unsere Schwelle gesetzt.

Ein Mensch der Selbstmord begeht ist weder mutig noch feige.....er ist verzweifelt und krank.....ist dem leicht verletzbarem Pflänzchen namens Leben einfach nicht gewachsen.
Da müßen nicht irgendwelche sogenannten Gläubigen kommen und den letzten Stab über diese Menschen brechen.



LG
Desoxy
ehemaliges Mitglied
sicher wird niemand einfach so den entschluss fassen, seinem leben ein ende zu machen. wieviel verzweiflung muss da vorausgehen?
welchen mut muss derjenige aufbringen, der seinem leben ein ende machen will.

immerhin besteht auch die "gefahr", daß der versuch misslingt, er in letzter sekunde gerettet wird, obwohl er es gar nicht will.

oder vielleicht doch?
spielt auch der gedanke eine rolle?

wie auch immer - jede art, seinem leben ein ende zu bereiten, ist mit schmerz und leid verbunden. wenn es misslingt, was ist DANN?

eine garantie gibts wohl kaum im voraus.

es gehört eine menge MUT dazu - ist meine meinung.

k.
Drachenmutter Mich wundert die Reaktion dieser Katholiken ganz und gar nicht. Alles andere hätte mich gewundert, bekommen diese Glaubenbrüder und -schwestern es doch von der Kanzel herab gepredigt, dass Selbstmord eine Sünde sei. Soviel zur Menschlichkeit bei diesem Glaubensanbieter.
Harte Worte, ich weiß, aber wenn ich sowas lese, dann kommt mir die Galle hoch ob der Überheblichkeit solcher Menschen.

Möge der arme Mensch, der keinen anderen Ausweg wusste in Frieden ruhen, mit Gottes Segen. Die Kirche braucht er dazu nicht.

LG,
woelfin
tilli Diese Art von Menschen die sich nicht in das Leben des Menschen einfüllen können,der in seiner Verzweiflung so eine Tat begangen hat, solche Menschen egal welcher Religion sie angehören , besser meiden. Leider gibt es noch viele, dann denken sie noch,das sie gläubig sind.
Du hast ein Thema angesprochen,das wirklich eine Diskussion auslösen müsste.
Tilli

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