Japanreise Teil VIII Niigata 1. Tag mit Aquarium
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Teil VIII: Niigata Tag 1 (30.5.2009)
Wieder hatten wir unsere Koffer gepackt und ließen einen davon an der Rezeption zurück. Mit dem richtigen Zug erreichten wir die Tokio Station, an der wir zur Weiterfahrt nach Niigata mit Karls Kollegen verabredet waren. Gemeinsam buchten wir die Reservierungen und unser Begleiter achtete dabei darauf, dass wir uns noch in Ruhe Ekiben als Proviant aussuchen konnten. Über „Ekiben“ schrieb mir Herr Takemasa Folgendes:
„Das Wort Ekiben ist die Abkürzung von Eki no Bentou ( Bentou am Bahnhof ). "Eki" bedeutet Bahnhof. Das Bentou ist eine in Japan weit verbreitete tragbare Form von Speisen, bei der in einem speziellen Kästchen mehrere Speisen durch Schieber voneinander getrennt sind. Das Kästchen zusammen mit den Speisen nennt man ebenfalls Bentou.
In Japan wurden und werden Speisen öfter nach japanischer Art in vielen verschiedenen kleinen Schälchen gereicht, aus denen gleichzeitig gegessen wird. Das Bentou bietet die Möglichkeit, diese vielen kleinen Speisen in einem einzigen Behälter aufzubewahren und zu transportieren, ohne dass sie sich mischen. Das Bentou ist ursprünglich eine Mahlzeit zum Mitnehmen. Einfache Speisen wie Reisbällchen werden auch in Japan in Plastik eingewickelt. Bentou-Verpackungen sind im Inneren in mehrere Fächer aufgeteilt, in denen das Essen angeordnet werden kann.
Ursprünglich bestanden Bentous aus leichtem Holz. Heutzutage werden meistens als Holzschachteln kaschiertes Polystyrol oder Kunststoffschachteln verwendet. Es gibt aber auch Bentous in Form von Metallkästchen oder kostbaren handgefertigten und lackierten Holzkästen.
Das Bentou ist eine tragbare Form für Mahlzeit. Praktisch jede Speise wird heute in Japan auch als Bentou angeboten. Alle Speisen, die als Bentou verpackt werden, können sowohl warm als auch kalt gegessen werden. Traditionell besteht ein Bentou aus den Hauptbestandteilen der japanischen Küche: Reis, Fisch- oder Fleischstücken und diverse (eingelegte oder gekochte) Beilagen, wie etwa verschiedene Gemüsearten, Pilze und andere.
Im Allgemeinen werden Bentous von der Ehefrau bzw. der Mutter morgens frisch zubereitet. Sie sind aber auch in vielen eigens dafür eingerichteten Bentou-Geschäften (bentou-ya) Bentou erhältlich. Besonders um die so genannten „Bahnhofs-Bentous“ (eki-ben) hat sich eine eigene Esskultur entwickelt, da jedes Geschäft an jedem japanischen Schnellzug-Bahnhof Bentous in einer nur für ihn typischen Zusammenstellung anbietet. Es gibt sogar eigene Essensführer, in denen alle Bahnhofs-Bentous mit Bild und Beschreibung aufgeführt sind.
Ekiben sind eine bestimmte Art japanischer Bentou-Gerichte, die in Japan in Eisenbahnzügen und auf Bahnhöfen verkauft werden. Am Anfang war es ein einfaches Gericht aus Reisbällchen mit einer Füllung aus Umeboshi ( nach japanischer Art eingelegten Pflaumen ), die in ein Bambusblatt verpackt waren. Heute kann man viele Arten Ekiben im Bahnhofsgebäude, auf den Bahnsteigen oder im Zug kaufen. Ihnen sind, soweit zum Verzehr nötig, Wegwerf-Eßstäbchen beigepackt. Oft wird auch heißer oder kalter Tee dazu angeboten.
Ekiben-Behälter können sehr aufwendig aus Kunststoff, Holz oder Keramik gestaltet sein. Verschiedene Bahnhöfe sind wegen ihrer schmackhaften Ekiben aus lokalen Spezialitäten bekannt.“
Soweit der Fachmann. In meiner Fotogalerie darf ich einige Ekiben-Bilder von Herrn Takemasa vorstellen.
Im Abteil drehte Karls Kollege eine Sitzbank mit einem Handriff so, dass wir uns gegenübersitzen und unterhalten konnten. Der Shinkansen nach Niigata fährt auf Schienen, die oft auf Stelzen durch und über Ortschaften hinweg geführt werden. Deshalb versperrten uns Lärmschutzwände oft die Sicht. Die Strecke führte von Tokio in nordöstlicher Richtung quer durch die Hauptinsel Honshu ans japanische Meer, durch Täler, in denen Reis angebaut wird, die Berge sind mit Wald bedeckt und nicht besiedelt.
Zur Mittagszeit öffneten wir den Reisstrohkorb, in den unser Bentou verpackt war, und genossen verschiedene Fischgerichte, Reis, Gemüse, natürlich mit Sojasoße, eingelegtem Ingwer und Wasabi, grüner japanischer Meerrettich. Ein Dessert rundete die Mahlzeit ab.
Der Blick durch unser Hotelfenster.
In Niigata brachte uns ein Taxi zu unserem Hotel. Wir fuhren durch Straßen, in denen sich wieder Hochhäuser mit kleinen Holzhäusern abwechselten, zum Kongresszentrum mit unserem Hotelturm. Wie bereits gewohnt wurden wir von netten Damen in Hoteluniform in Empfang genommen und zur Rezeption begleitet. Der Lift brachte uns zu unserem Zimmer im 24. Stockwerk. Unvergessen bleibt mir der Blick aus dem Fenster: Senkrecht hinunter sahen wir auf die mehrspurige Zufahrtstraße, dann auf einen Wasserlauf, in dem malerisch in mehreren Reihen Boote und Schiffe vor Anker lagen, auf eine Reihe von Brücken, über eine Lagerhallen, hinüber zur Stadt mit ihren Gebäuden und Straßen bis hin zum offenen japanischen Meer.
Karl wurde zu Gesprächen erwartet und ich wollte die Zeit bis zum abendlichen Empfang nutzen, um das Meeresaquarium, von dem ich schon bei meinen ersten Recherchen zu Niigata gelesen hatte, zu besichtigen. Mit dem Taxi war es kein Problem, dorthin zu finden. Schwierig war nur, das Ziel dem Taxifahrer zu erklären, da das Aquarium nicht Aquarium hieß und ich den japanischen Namen nicht kannte. Wir einigten uns auf einen Begriff, der mit Marine.... begann, was in mir als Lateinerin die Assoziation Meer hervorrief, und tatsächlich landeten wir an der Küste beim Aquarium. Als ich meine Eintrittskarte lösen wollte, erklärte mir die Kassiererin, dass ich leider zu spät sei, und sich der teure Eintritt für nur eine Stunde, die noch geöffnet war, nicht lohnen würde. Ich sah das ein und ging wieder nach draußen, um zumindest ans Japanische Meer zugehen und einen Blick in Richtung Russland zu werfen. Gerade wollte ich noch an der Bushaltestelle nach den Abfahrtszeiten sehen, um mit dem Bus zurückfahren zu können, als die Kassiererin mir nachlief, sich verbeugte und fragte, ob ich wegen des Kongresses in Niigata sei, und als ich bejahte, mich bat als Gast des Hauses einzutreten.
Der Weg führte leicht bergab um eine Kurve und von klassischer Musik umgeben stand ich in einer Glaskuppel, die vom Wasser umgeben war. Vor, über und neben mir schossen Schwärme schillernder kleiner Fische umher, größere zogen ihre Bahnen, ein Riesenrochen schwebte heran, große Schildkröten paddelten vorbei, Haie zogen majestätisch vorüber, durchsichtige Quallen tanzten im Wasser, Krebse stolzierten am Grund, Seeanemonen bewegten in der Strömung ihre Arme. Ich hätte endlos lange zusehen können. Irgendwann riss ich mich los und folgte dem vorgeschlagenen Rundweg. Aquarium reihte sich an Aquarium mit Bewohnern, die weit phantasievoller aussahen, als ich sie mir vorgestellt hätte. Hinter einer Scheibe schillerten die Fische silbrig, als ob sie mit Folie überzogen wären, und blickten ausgesprochen vornehm, daneben bewegten sich im weißen Sand viele helle kleine Seeschlangen, die sich im Grund eingraben hatten, und wie Pflanzen in leichtem Wind hin und her schwangen. Stachelige Fische sahen flaumig aus, als ob sie Federn hätten und erinnerten an aufgeplusterte kleine Vögel. Ein Künstlerwettbewerb hätte kaum mehr Formen und Farben erfinden können, so skurril sahen einige Exemplare aus. Die Zeit bis zur Schließung um 17 Uhr ging viel zu schnell vorbei, und so konnte ich nur im Vorübergehen einige Blicke auf die Aquarien mit den Quallen werfen, die sich als filigrane Kunstwerke in ihren Becken tummelten.
Um mir noch einen Überblick über die Gesamtanlage zu verschaffen, nahm ich beim Schlussgong nicht den direkten Ausgang, sondern machte noch einen kleinen Schlenker, der mich dann am Delphinbecken vorbei ins Freie brachte. Das hätte ich besser nicht getan. Ich befand mich jetzt in der weitläufigen Freianlage und musste erst an den Robben- und Pinguingehegen vorbei den Ausgang suchen. Als ich schon fürchtete, eingesperrt zu sein, fand ich dann aber doch noch eine geöffnete Tür. Bis ich jedoch an der Bushaltestelle angekommen war, war der letzte Bus bereits pünktlich vor drei Minuten abgefahren. So hatte ich doch noch Gelegenheit zu einem Spaziergang am nahe gelegenen Strand.
Menschen waren nur vereinzelt unterwegs, einige Angler standen auf großen Steinen, die als Wellenbrecher weit ins Meer reichten. Meer und Himmel hatten eine interessante Färbung in der sinkenden Sonne angenommen, als ich mir ein Taxi für die Rückfahrt rufen wollte. Die Nummer hatte ich mir notiert, das Mobiltelefon war auch zur Hand, aber ich konnte nicht sagen, dass ich – wie ich inzwischen weiß - beim "Marinepia Nihonkai" war. Zuerst kam ich mir richtig verloren vor, darauf dumm, weil ich kein Wörterbuch bei mir hatte. Karl wollte ich nicht anrufen und bei der Arbeit stören, außerdem wäre es mir peinlich gewesen, mich als „verloren gegangen“ zu melden. Eine Wanderung zurück wäre sicher sehr interessant gewesen, aber dann wäre ich viel zu spät zurück gekommen. Die rettende Idee war, jemanden zu bitten, für mich das Taxi zu rufen. Passanten gab es zwar keine, aber zum Glück fand ich ein Restaurant, das bereits in der Vorsaison geöffnet hatte. Die Kellnerin konnte soviel Englisch, dass sie mein Problem verstand und für mich ein Taxi rief.
Zum Warten auf das Auto durfte ich im Spielzimmer Platz nehmen, und nun saß ich am Anfang einer Stuhlreihe, vor mir lagen verschiedene Spielsachen und am Ende der Stuhlreihe saß eine große Mickymaus. Lang blieben wir aber nicht allein, denn ein junger Angestellter, der gut Englisch sprach, brachte mir ein Glas Wasser und war neugierig, wie eine Goijin (Fremd-Mensch) nach Niigata gekommen war. Die Ankunft des Taxis beendete unsere Unterhaltung – und ich war pünktlich im Hotel. Ich nahm den Aufzug, der sich gerade öffnete und wurde ohne Zwischenstopp in das 31. Stockwerk zur Aussichtsplattform des Hotels geliftet, die einen atemberaubenden Rundblick über die Stadt und Umgebung bot. Als einzige Ausländerin fiel ich einer älteren Dame auf, die mir die einzelnen Gebäude und Besonderheiten erklärte und sich gern an einen Aufenthalt in Europa erinnerte, besonders an Heidelberg, München und Neuschwanstein. Im zweiten Anlauf fand ich den richtigen Lift, unser Hotelzimmer und Karl, der gleich mit mir aufs Dach fahren musste, um ebenfalls die Rundumsicht zu genießen.
Den Weg zur offiziellen Tagungseröffnung, an der ich auch teilnehmen durfte, fand in einem anderen Hotel von Niigata statt. Den Weg dorthin legten wir mit Karls Kollegen zu Fuß zurück. Nett war die Begegnung mit dem einzigen weiteren deutschen Wissenschaftler, der mir lächelnd versicherte, sein Lateinlehrer habe Unrecht gehabt mit der Aussage, Latein hülfe beim Sprachenlernen, denn zum Japanischlernen sei Latein als Grundlage völlig unbrauchbar. Nach den offiziellen Begrüßungsansprachen, die auf Englisch stattfanden, stürzte sich Karls Kollege für mich ins Gedränge am Büffet und ich hatte das Problem, Nudelsuppe mit Stäbchen zu essen. Als ich diese Aufgabe gemeistert hatte, war der Rest des Büffets bereits weitgehend geplündert, dafür konnte ich mich am Nachtisch schadlos halten. Zurück im Hotel trafen wir im Lift festlich gekleidete Gäste einer Hochzeitsfeier. Die Unterhaltung der Frauen war japanisch, aber auch für eine deutsche Frau sofort verständlich – es ging darum, ob Frisur und Make-up noch richtig saßen.
In unserem Zimmer entdeckte Karl die Notfallrichtlinien für den Fall eines Erdbebens und mir fiel ein, dass ich bei Wikipedia gelesen hatte, dass die Stadt 1964 durch ein Erdbeben in großen Teilen zerstört worden sei. Auch 2004 habe es wieder ein starkes Erdbeben gegeben, bei dem insgesamt 15 Menschen gestorben seien und es über 1500 Verletzte gegeben habe. Müde wie wir waren schliefen wir trotzdem im Vertrauen in die Fähigkeiten der japanischen Architekten ausgezeichnet.
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Außerdem brachte er mich hier uns Forum. ich habe mich gestern angemeldet.
Also nochmals herzlichen Dank für Deine eindrucksvollen Schilderungen.
viele Grüße
Hans10