Kürzlich hörte ich einen Auszug aus einer Geschichte, die von einem Dorf in Afrika handelt. In diesem Dorf begrüßen sich die Menschen nicht mit „GutenTag“, sondern mit „Ich sehe dich“. Wer zum Tode verurteilt wird, wird nicht wirklich getötet, sondern von diesem Tag an einfach übersehen.

Was heißt das nun „gesehen werden“? Jemand wendet sich zu, nimmt sich selbst einmal zurück und ist offen dafür, was den anderen gerade bewegt oder beschäftigt. Das setzt voraus, sich einmal von sich selbst ab- und einem anderen zuwenden zu können. Es heißt weiter, dass es manchmal „nur“ genügt, anteilnehmend zuzuhören, damit sich ein anderer in dem, was immer ihn bedrückt, freut, beschäftigt oder vielleicht sogar quält, gesehen/wahrgenommen fühlt. Es braucht keine Ratschläge oder gar einen Versuch, jemandem ausreden zu wollen, was er/sie empfindet.

Das ist keine leichte Übung, sind doch alle oder die meisten immer sehr mit sich selbst beschäftigt, haben mit sich zu tun, müssen gerade etwas bewältigen oder verarbeiten oder was auch immer.

Mich hat diese Geschichte aus Afrika sehr bewegt und zum Nachdenken angeregt, deshalb wollte ich sie gerne teilen.

 

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Kommentare (20)

felix772

Liebe Brigitte,

den Film mit Senta Berger habe ich auch gesehen, aber erst durch deinen Blog bin ich dazu gekommen, über das "Ich sehe dich" nachzudenken.

Gegen Ende des Films sagt der Ehemann diesen Satz zu seiner Frau, und ich verstehe das so, dass er damit seine Bereitschaft ausdrücken will, ihr künftig wieder mehr Aufmerksamkeit und Respekt entgegenzubringen, nachdem er sich zuvor zeitweise eher mies verhalten hat. So weit kann ich folgen.

Jetzt versuche ich mir vorzustellen, wie es wohl wäre, in dem afrikanischen Dorf zu leben, in dem man sich mit "Ich sehe dich" begrüßt (was sagt dort wohl jemand, der blind ist?). Man geht morgens durch das Dorf und sagt zu jedem, dem man begegnet: "Ich sehe dich." - "Ich sehe dich." - "Ich sehe dich." - "Ich sehe dich." - ....... Ich könnte mir denken, dass dieser Satz sich irgendwann abnutzt. Genauer gesagt vermute ich, dass es darauf ankommen wird, zu wem man diesen Satz sagt. Auch in dem afrikanischen Dorf wird es vermutlich Menschen geben, denen man lieber begegnet als anderen, und im einen Fall wird das "Ich sehe dich." wahrscheinlich mehr Freude enthalten und Aufmerksamkeit signalisieren als im anderen. So wie man auch bei uns unterschiedlich viel Freude, Lächeln und Aufmerksamkeit in das "Guten Tag", "Hallo!", "Moin!" oder was auch immer legen kann. Ich glaube, den Unterschied macht nicht, was man sagt, sondern wie man es sagt.

Ich wünsche dir einen Guten Tag 😊
Wolfgang

Roxanna

@felix772  

Lieber Wolfgang,

für mich war das „Ich sehe dich“ sozusagen ein Schlüsselsatz. Mir ist darüber bewusst geworden, dass es immer wieder daran mangelt, einander wirklich wahrzunehmen. Es ist nicht so einfach, sich darauf einzulassen und natürlich kann man das nicht bei jedem Menschen tun, der einem begegnet, weil einem nicht jeder gleich sympathisch oder auch „wichtig“ ist. Es geht auch nicht darum, diesen Satz zu sagen, sondern es einfach zu tun, nämlich sich selbst einmal zurücknehmen zu können und dem anderen wirklich zuzuhören, ihn wahrzunehmen. Das setzt voraus, für einen Menschen wirklich Interesse zu haben aus welchen Gründen auch immer. Weg von der Oberflächlichkeit hin zu mehr Aufmerksamkeit, das würde nach meiner Meinung das Zwischenmenschliche sehr viel menschlicher machen. Manchmal sind  auch sehende Menschen blind.

Ich danke dir für deinen Kommentar und schicke einen herzlichen Gruß mit

Brigitte

 

felix772

@Roxanna  Liebe Brigitte,

"Es geht auch nicht darum, diesen Satz zu sagen, sondern es einfach zu tun" - ich glaube, das ist es. Man wird auch nicht dadurch satt, dass man vom Essen spricht, sondern dadurch, dass man einfach is(s)t.

Herzliche Grüße von Wolfgang
 

Roxanna

Ein lieber Dank geht an @Klara39 für das geschenkte 💗chen, über das ich mich sehr gefreut habe.

Liebe Grüße zu dir von

Brigitte

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Samick

Habe letzte Tage den neuen Film mit Senta Berger gesehen und genau diesen Satz gehört .
" Ich sehe dich " . Mensch wo hast du den Satz denn letztens gelesen , hab ich mir gedacht .
Jetzt stoße ich wieder zufällig darauf .
Danke für den Blog  Roxanna , jetzt wird mir die Bedeutung wesentlich sinnvoller , als wie er im Film erklärt wurde .
Gruß Herbert

Roxanna

@Samick  

Du hast mich ertappt, lieber Herbert 😉. Genau aus diesem Film habe ich den Satz. Er hat mich so beeindruckt und mir ist dabei so vieles klar geworden, dass ich einfach hier versuchen wollte, es in einem Blog weiterzugeben. Wie oft lebt man nebeneinander her und "sieht" sich nicht mehr. Da ist es gut, mal innezuhalten und einander wieder wahrzunehmen. Oder auch sonst, einmal mit offenen Augen zu gehen, zu schauen, wer begegnet mir unterwegs. Leider ist es ja heute so, dass überall ins Smartphone geschaut wird, sogar wenn man durch die Straßen läuft. Ich denke, da wäre dringend eine "Umkehr" notwendig.

Herzlichen Dank für deinen Kommentar, über den ich mich gefreut habe.

Liebe Grüße
Brigitte

Roxanna

Liebe @Liliom, auch dir sage ich lieben Dank für das geschenkte 💗chen und schicke herzliche Grüße mit

Brigitte

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ehemaliges Mitglied

Diese Geschichte ist schrecklich und ich hoffe, dass sie nicht wahr ist, liebe Brigitte.

Wir Menschen sind Gemeinschaftswesen und es ist grausam einen Menschen komplett zu ignorieren, mMn. grausamer als ihn zu töten.

Es ist ein Geschenk, wirklich wahrgenommen zu werden und es tut uns gut. Es bereichert auch, wenn wir mal genau hinhören und sehen, bei den Menschen, die uns begegnen. Es tut uns allen gut, weil es auch verbindend wirkt.
"Ich sehe dich" - kann viele Abstufungen haben und auch sehr tief gehen.

Danke für deinen Gedankenanstoß und das wunderbare Bild oben.

liebe Grüße
WurzelFluegel



 

Roxanna

@WurzelFluegel  

Über deinen Kommentar, liebe WurzelFluegel habe ich noch einmal nachgedacht.
Ich würde es wirklich grausam finden, wenn ein Mensch, der vielleicht anders ist als die anderen in seiner Art, seinem Denken oder sogar vielleicht wegen eines körperlichen Gebrechens so aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wird, dass er nicht mehr "gesehen wird". Schließt sich ein Mensch, der ein Verbrechen begangen hat, nicht selbst aus, indem er die Regeln oder Gesetze dieser Gemeinschaft missachtet und anderen Schaden zufügt?

Lieben Gruß
Brigitte

Roxanna

@WurzelFluegel  

Ob diese Geschichte wahr ist oder nicht, liebe WurzelFluegel, das weiß ich nicht. Sie war in einen Film eingebettet, den ich gesehen habe.

Sie hat zwei Aspekte. Der eine ist diese Strafe für einen Menschen, der ein schweres Verbrechen begangen haben muss, denn sonst käme es nicht zu einem solchen Urteil. Er muss also gegen die Regeln oder Gesetze dieser Gemeinschaft, die er sicher gekannt hat,  in schwerer Weise verstoßen haben. Möglicherweise wird er, wenn er bereut, wieder in die Gemeinschaft aufgenommen und das bleibt nicht auf Dauer so. Ich kenne nicht die ganze Geschichte.

Der zweite Aspekt ist, dass in dieser Gemeinschaft aufeinander geachtet und Anteil genommen wird am anderen. Das hat mich sehr angesprochen. und mir wieder bewußt gemacht, wie wichtig es ist hinzuschauen und zu sehen.

Ich stimme dir zu, dass "Ich sehe dich" viele Abstufungen haben kann, je nachdem wie nahe uns ein Mensch auch steht.

Ich danke dir für deinen Kommentar und grüße dich herzlich

Brigitte

 

Roxanna

Für das geschenkte 💗chen, liebe @mondie sage ich lieben Dank und schicke herzliche Grüße mit

Brigitte


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HeCaro

Liebe Brigitte,
Unsichtbarkeit ist ein Zustand in dem das Ding bzw. der Mensch oder Gegenstand für das Auge nicht mehr wahrnehmbar ist. In Deiner Geschichte bedeutet es wohl,  „ich will dich nicht sehen, ich ignoriere dass du noch existierst“. Dadurch wird dieser Mensch aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Das ist aber die Strafe für eine Untat und wird absichtlich so gehandhabt.

In unserer lauten, von Hektik und Ehrgeiz geprägten Gesellschaft hingegen, sind oft die stillen und schüchternen Menschen „unsichtbar“. Wer sich nicht bemerkbar macht, wird leider oft übersehen. Und das  ist nicht einmal ein absichtlicher Akt, sondern eher Gleichgültigkeit, Ichbezogenheit und Desinteresse.

So hast Du vollkommen Recht, wenn Du sagst man solle sich die Zeit nehmen sein Gegenüber zu beachten und sich ihm zuwenden.  Ich glaube, bei der Entdeckung der stillen Wasser,  würde so mancher eine positive Erfahrung machen.
 
Liebe Grüße Carola
Brigitte.

Roxanna

@HeCaro  

Das hast du schön gesagt, liebe Carola "bei der Entdeckung der stillen Wasser,  würde so mancher eine positive Erfahrung machen". Davon bin ich auch überzeugt.
 
Ich stimme dir zu, in dieser Geschichte wird das bewußt als Strafe gemacht. Nicht gesehen werden kann sich aber vielleicht auch wie Strafe anfühlen, wenn das nicht bewusst sondern aus Unachtsamkeit, Egozentrik oder Gleichgültigkeit gemacht wird, wie du auch so ähnlich geschrieben hast. Natürlich kann man nicht ständig und überall anderen Menschen die volle Aufmerksamkeit schenken und kann das auch nicht für sich selbst erwarten. Aber sich hin und wieder diese Zeit bei jemandem nehmen, das würde das zwischenmenschliche Miteinander ganz sicher verbessern.

Ich danke dir herzlich für deinen Kommentar und schicke ebenso herzliche Grüße mit

Brigitte

 

ehemaliges Mitglied

Es ist eine wirklich tolle Geschichte, eigentlich ist es keine Geschichte, sondern eine afrikanische Weisheit, die sich wie du beschreibst, auch auf unser aller Leben umsetzen lässt.

Herzlichst 
Rosenbusch/Lea

Roxanna

@Rosenbusch  

Ja, liebe Lea, es ist eine afrikanische Weisheit, die in eine Geschichte eingebettet ist. Vielleicht sind uns Menschen in Afrika mit ihrer ganz anderen Kultur in manchem etwas voraus. Als ich mal Urlaub machte in Marokko, konnte ich beobachten, dass sich Männer, während sie sich unterhielten an den Händen fassten. Das wäre hier z.B. völlig undenkbar, weil sofort Wunder was gedacht würde,

Ich glaube, wir leben heute in einer Zeit, in der man gut aufpassen muss, dass wir einander nicht aus den Augen verlieren.

Herzlichen Dank für deinen Kommentar und das dazu geschenkte 💗chen sagt mit lieben Grüßen

Brigitte

Roxanna

Für die geschenkten 💗chen sage ich lieben Dank an



@Maslina
@Muscari
@Juttchen
@Christine62laechel
@Komet
@Syrdal
@Songeur
@Monalie
 


Herzlichen Gruß von
Brigitte

Syrdal

Liebe Brigitte,
in meiner Marginalien-Reihe gibt es u.a. einen
zu deiner Geschichte passenden Titel:


Zuhören!

Möchtest du jemandem Gutes tun,
so höre ihm aufmerksam zu,
lass deine eignen Gedanken ruhn,
auch Worte von dir sind tabu,
nimm allein auf, was berichtet wird,
was dich von dem andern erreicht,
bleib still auch, wenn sich sein Ton verliert,
denn er fühlt sich nun frei und leicht.

..........................



...dies als kleine Zugabe zu deiner
Geschichte aus dem afrikanischen Dorf.

...zum ersten „Sommerabend des Jahres“ grüßt
Syrdal
 

Roxanna

@Syrdal  

Deine Marginalie "Zuhören" lieber Syrdal ist eine wunderbar passende Zugabe zu dieser afrikanischen Geschichte, für die ich dir herzlich danke. Ich bin mir ganz sicher, dass du so ein Zuhörer sein kannst.

Herzliche Grüße zu dir von
Brigitte

Manfred36


Ablehnung

Will Sigmund Freud man noch Glauben schenken
Und einen Blick auf Ursachen lenken
Für schlimmste Gefühle in unserem Leben,
Die uns fast die eigene Wertschätzung nehmen,
So lese man nach, was er zur Liebe er sagt.
Und Jemandem, der auch sich selbst zu sein wagt.

Nicht Hass sei der Liebe Kontrast, das sei klar:
Die Gleichgültigkeit sei's, („ich nehm dich nicht wahr“)..
Bei Liebe und Hass sind wir mit dir am Leben;
bei Gleichgültigkeit hat's uns fast nicht gegeben.
Lieb oder hass mich, beachte mich aber.
Ich bin wie du auch ein Daseins-Teilhaber.

Die Fehler von mir kann ich dann nur erkennen,
Wenn wir alle Beide beim Namen sie nennen.
Selbst wenn sie fast irreparabel sind dann,
Ich nehme mich ihrer auf jeden Fall an
Und kann, wenn zum Teil ich sie habe vertrieben,
Vielleicht wieder anfangen, mich auch zu lieben.
 

 

Roxanna

@Manfred36  

Nicht "gesehen" werden und Gleichgültigkeit zu erfahren, lieber Manfred, macht auf die Dauer krank. Der Mensch ist ein soziales Wesen und er braucht das wahrgenommen werden. Bekommt man sozusagen die kalte Schulter gezeigt, schafft das Leidensdruck.
Dein Gedicht hat mich sehr beeindruckt und ist eine Bereicherung für diesen Blog, für die ich dir herzlich danke.

Liebe Grüße zu dir von
Brigitte


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