Es ist mir ein Bedürfnis diese Geschichte mit Euch zu teilen..


So vieles vergessen und verdrängen wir im Leben , bis eines Tages eine bleibende Spur der Erinnerung durch ein Telefonat in mir wachgerufen worden ist.


Es müsste das Jahr 1976 gewesen sein. Unser Aufenthalt in USA liegt schon länger zurück. Da unsere Nicol noch ein Winzling war, konnte ich mir die Zeit einteilen und habe im Geschäft meiner Eltern mitgeholfen.

Ein Restaurantbetrieb mit vielen Sitzplätzen, und jeden Tag kamen Wildunger, weil mein Vater, der Kölner, trotz seiner Kriegsverletzung, mit seinem Humor, seiner Liebenswürdigkeit und seiner positiven Lebenseinstellung sehr anziehend auf die Gäste wirkte und für jeden Menschen immer ein gutes Wort hatte ...

An dem Tag unterhielt mein Vater sich mit Gästen. Ich wurde neugierig, weil ich unter anderem auch englische Worte hörte.

Frau Klapphut, eine Wildungerin, stellte meinem Vater ihren Besuch als „ihren“ Sohn und dessen Familie vor. Mein Vater war erstaunt, weil er wusste, das Frau Klapphut kinderlos geblieben ist. Ihr Mann ist in Russland gefallen, und sie hat nie wieder geheiratet.

Da ich eine Geschichtenerzählerin bin, folgte ich ihren Worten mit höchster Konzentration, da das Menschliche mir wunderbar erschien.

Bad Wildungen gehörte zur amerikanischen Zone. Auf der Prachtallee stand und (steht noch immer) ein wunderbares Hotel, in dem US-Offiziere wohnten.

Frau Klapphut war dort als Mädchen für alles beschäftigt. Sie mochte den jungen US-Offizier und er sie wohl auch. Im Laufe der Zeit entwickelte sich ein Mutter/Sohn Verhältnis. Sie kochte für ihn, bügelte, er erzählte ihr seinen Kummer, und sie erzählte ihm ihren Kummer.

Zwei die sich gefunden hatten und nie wieder aus den Augen verlieren sollten.

Nach der Rückkehr in die Staaten hielten sie weiterhin Kontakt. Sie erlebte, in Briefen und Telefonaten (er rief jeden Sonntag an), das er eine wunderbare Frau kennengelernt hat.

Sie flog zu seiner Hochzeit nach USA und freute sich über ihre“ Schwiegertochter“.

Jedes Familienereignis wurde zwischen ihr und dem „adoptierten Sohn“ ausgetauscht.

Alle 2-3 Jahre kamen sie nach Deutschland und besuchten „Mom Klapphut“.

Durch dieses innige Verhältnis lernten auch wir das Ehepaar näher kennen. Jedes Mal, wenn sie in Deutschland weilten, besuchten sie uns auch.

Inzwischen kamen die Enkelkinder, die logisch nun auch involviert waren.

Viele Jahre gingen ins Land, Frau Klapphut wurde älter, über 90 Jahre, sie konnte schlecht laufen und hatte Probleme sich selber zu versorgen. Ihr Entschluss stand fest, sie zog in ein Altenheim, wo ich Pflegefachkraft war. Auch da kam die Familie aus USA.
Jeden Sonntag kam noch immer der Anruf aus USA.

Frau Klapphut wurde hinfällig, sie ist gestorben. Zu ihrer Beerdigung kam die gesamte Familie nach Deutschland. Sehr berührend finde ich ...

Damit hörten leider auch die Besuche in Deutschland auf.

Aber zwischen uns hielt die Freundschaft. Jedes Jahr bekamen wir ein Päckchen zu Weihnachten, Fotos, von Kindern und Enkeln, einen Jahresbericht von der Familie. Den Jahresbericht haben sie sogar in Deutsch übersetzen lassen, weil sie in den Jahrzehnten einige deutsche Freunde gefunden haben, auch dieses Jahr.

Vor 3 Tagen bekamen wir einen Anruf: „Roy“ ist verstorben...

Darum habe ich am Anfang dieser Geschichte geschrieben: „So vieles vergessen und verdrängen wir im Leben , bis eines Tages eine bleibende Spur der Erinnerung durch ein Telefonat in mir wachgerufen worden ist.“...

Ela

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Kommentare (12)

Ela48 ich denke wir Menschen, die diese Gedanken LEBEN, können uns alle die Hand reichen, weil es diesbezüglich nur eine Ebene der Verbundenheit gibt.
Ich kenne Dich persönlich nicht, aber Deine wunderbaren Geschichten, Deine Liebenswürdigkeit. Menschen sind Dir auch sehr wichtig.
liebe tilli, gern geschehen, es war mir eine Freude zu sehen, das meine Geschichte auch Deine Aufmerksamkeit bekommen hat.
herzlich, Ela
tilli Diese Erinnerung zu schreiben, das war richtig.Jeder von uns hat seine eigene Erfahrungen gemacht. Ich bin sehr dankbar den Menschen die mir nach vielen, vielen Jahren die Hand gereicht haben als mir schlecht ging.Jahrelange Briefkontakte, Freundschaften die von Herzen kommen, das ist was Besonderes.
Deine Geschichte und auch die Kommentare geben uns Allen die für ST wahre Erinnerungen schreiben , das Gefühl etwas
für die Menschen zu tun, die hier im ST Freundschaften suchen und auch finden.

Ich danke dir und viele Grü0e Tilli
Ela48 Danke Dir erst einmal für Deinen Kommentar.
Wenn Gedanken "frei" werden und man innerlich manches aufzuspüren gelernt hat, ist es mir immer wieder ein Bedürfnis es öffentlich zu machen.
Unsere Welt hat sich durch ein schnelles Netz, durch Medien, die uns zugänglich gemacht worden sind, verändert.
Haben wir Menschen uns verändert? Ich denke, die Harmonie der positiven Gedanken haben sich nicht verändert, nur zugeben wollen "wir" es öfters nicht, weil es verletzlich machen könnte..
Die Geschichte lag mir am Herzen, weil es für mich, uns, einmalig ist und immer sein wird.
Noch einmal möchte ich es erwähnen: Ich freue mich besonders über so eine positive Rückmeldung von Dir und gebe Dir in allen Punkten recht.
herzlich,
Ela
indeed ist die zwischenmenschliche tiefe Bestimmung zweier fremder Menschen, die sich durch Zufall im Alltag begegnen. Eine Bindung aufbauen, die offensichtlich dicker war als das zum eigenen Blut, sprich zu Verwandten.
Das diese Verbindung Kreise zieht und wiederum andere, sprich Euch, liebe Ela, mit einbezieht und dann irgendwann hat sich dort der Kreislauf gerundet, aber auch die Nachkommen haben euch nicht vergessen, sondern mit euch Kontakt aufgenommen. Das berührt sehr. Wie oft wird diese Benachrichtigung von den Nachkommen nicht vollzogen und irgendwann wundert man sich, warum man nichts mehr voneinander hört . . .
Danke, für diesen Blog. Ich erfahre es gerade in der eigenen Verwandtschaft. Leider . . . und die Gedanken sind oft bei dem/der Vermißten. Dann freut man sich, wenn es auch anders geht.
Mit lieben Gruß von
Ingrid
Ela48 ich danke Dir für Deine Worte. Durch Dein eigenes Erleben weiß ich, dass Du uns verstehst.
Ich möchte mal das Wort Beständigkeit anführen: Wir werden "Roy" sehr vermissen der "Mom Klapphut" und uns in seiner Treue zu einem wertvollen Freund in den vielen Jahren geworden ist.
Menschen, egal welche Nation, Hauptfarbe und Sprache sie angehören werden so empfinden.
Danke Dir finchen für Deine Worte.
liebe Grüße, Ela
finchen ...solche Freundschaften kenne ich auch. Eine Frau -heute 92 Jahre alt - die Mutter eines Berufsfreundes und auch privat, der längst verstorben ist und wir stehen noch immer in telefonischen Kontakt. Seit Längerem ist sie in einem Pflegeheim - doch der Kontakt wickelt sich über ihre Nichte ab. Wirklich ein Phänomen von Freundschaft und Liebenswürdigkeit, das sich auch in Generationen weiterentwickelt. Es ist einfach schön und liebenswert.
Sei ganz lieb gegrüßt
vom Moni-Finchen
Ela48 Danke auch Dir!
Du schreibst mit meinem Herzen....

- wie Umwelt öffnen
- Fähigkeit des Menschen (ohne auf Lohn u. Wiedergutmachung zu hoffen)
- die Verletzlichkeit der Seele
- aber es überwiegt bei weitem die positive Nutzung.
usw.
Im Grunde genommen ist es Dein gesamtes Posting, was ich 100%ig übernehmen kann.
Ich weiß es nicht, aber könnte es sein, das unsere Lebenseinstellung diesbezüglich im Laufe der Jahre sich fest in uns verankert hat?
Übrigens: Herzlichen Glückwunsch zu Deinem dritten Buch
Danke Dir...
Ela
Ela48 wie recht Du hast "Freundschaften" sollten gepflegt werden, das tun wir beide doch auch.
Ich persönlich finde, dass es kommt nicht immer auf die Intensität ankommt, sondern auf das aufeinander zugehen in bestimmten Lebenssituationen, auch verlässlich sein. So sehe ich Freundschaft.
Ich freue mich, Christine, das Dir meine Geschichte gefallen hat.
Ela
Ela48 ich danke Dir für Deinen Kommentar. Es macht mir Freude zu erfahren, das auch Du diese Lebensgeschichte als berührend empfunden hast...
Diese Geschichte wird von uns in englisch übersetzt und mit der Kondolenzkarte nach USA gesendet. Ich persönlich denke, wenn "Roy Frau lesen kann, wie wichtig uns die Freundschaft geworden ist, ist es vielleicht ein kleiner Trost für sie..
Danke, Ela
Traute So kann das Leben auch sein. Wenn wir uns für die Umwelt öffnen, können solche Freundschaften entstehen und zeigen zu was der Mensch fähig ist, ohne auf Lohn und Wiedergutmachung zu hoffen. Aber es macht auch verletzlich. Schnell ist ein Unwürdiger in eine so weit offene Herzenstür hereingeschlüpft und bringt Schmerzen und hinterlässt Enttäuschungen.
Aber es überwiegt bei weitem die positive Nutzung.
Auch mein Motto war es, für mich ist jeder gut, wer das Gegenteil ist zeigt sich mit der Zeit, da brauche ich nicht das Misstrauen auf alle aus zu weiten.
Du hast die Wahre Begebenheit so herzlich erzählt, dass man spürt, Du bist in dem Geschehen eingebunden gewesen.
Ja, so kann das Leben auch sein so herzlich und so ausdauernd über eine Generation.
Mit freundlichen Grüßen und Dank für das Lesevergnügen,
Traute
Traute2012(Traute)
Drachenmutter Danke, dass Du diese berührende Geschichte mit uns teilst. Es ist schön, wenn Freundschaften über so viele Jahre halten, auch wenn die Freunde so weit voneinander entfernt leben.

Dir einen ganz lieben Gruß,
Deine Freundin Christiane
margit Es ist schön, wenn Menschen Freundschaften knüpfen.

Margit

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