Danke für Dein Jugendgedicht


Liebe Joan,
Dein Gedicht rief in mir eigene Erinnerungen wach, und meine Gedanken gingen zurück in die Vergangenheit.

Ich war noch etwas jünger. Weihnachten 1945.

Nach unserer Ausweisung als Reichsdeutsche aus Österreich,
Ende September 1945, waren wir, dem Zwang der Zeit und des
Geschehens unterworfen,
nach tagelangen Fahrten, in Viehwaggons gezwängt, in der Umgebung
des alten, kleinen Bad Meinberg untergekommen.
Der Heimat meines Vaters.

Niemand wollte uns haben, schon gar nicht die Stiefmutter meines
Vaters, die um Ihr und ihrer Kinder Erbe fürchtete.

Der Sohn eines Freundes meines vermißten Vaters brachte uns aus dem Wald
eine kleine Tanne. Wir hatten nichts um sie zu schmücken, außer einem
Päckchen Watte.
Meine Schwester und ich zerpflückten sie in kleine Wölkchen und
setzten sie, sehr liebevoll verteilt, in die grünen Zweige.
So geschmückt, sah sie richtig hübsch aus.

In dem hohen gußeisernen Ofen zischte das noch feuchte Holz,welches
wir in den späten Herbsttagen zusammengesucht hatten.

Meine Schlammkohlen nicht zu vergessen, die ich kilometerweit, quer,
über einen Bach, durch Felder, Wald und Wiesen, bis zu unserer Unterkunft geschleppt hatte, und über deren Qualmerei meine Mutter genau so schimpfte, wie
über das feuchte Holz.

Zur Erläuterung: Um meiner Mutter die Lebensmittelkarte zu erhalten.
hatte ich, anstatt wieder zur Schule zu gehen, eine Arbeit, bei einer auf dem
Gut Bärentrup in Schönemark untergekommenen kinderreichen Familie,
angenommen. Der Mann war im Dritten Reich Offizier gewesen und jetzt
Schwarzhändler.

Am späten Nachmittag gingen wir auf der ungestreuten Strasse, durch Eis und Schnee, in unseren nicht wasserdichten dünnen Schuhen, die vier Kilometer
zum Dorf hinunter, in die kleine romanische Kirche.

Auch dort war es kalt und der Kirchenchor sang, in dicke Mäntel gehüllt,
die wir beide nicht besaßen, alte Weihnachtsweisen.
Nach der Predigt des Pfarrers und der “Stillen Nacht“ zogen wir zurück
in die nun „ heimatlichen Gefilde.“

Wir nahmen die Abkürzung durch den oberen Kurpark, der, besonders
in der Dämmerung und Dunkelheit der Nacht, streng bewacht wurde
von einer Amtsperson mit Schäferhund.

Es war ja auch bei dem Hunger, den wir alle täglich hatten, zu verführerisch,
an den nun dort angepflanzten Kohlköpfen, die übrigens im prächtigem Saft
standen, vorüberzugehen, ohne insgeheime „Komm mit Gelüste“ zu verspüren.
Ich glaube, nicht der anerzogene Gehorsam, sondern die Angst vor dem
scharfen Biss eines Wachschäferhundes, hinderte uns daran.

Zuhause angekommen, hatte es meine Mutter irgendwie geschafft,
aus Bucheckern gewonnenem Öl und zusammengeklaubten
Getreideernterestbeständen uns etwas zu zaubern, was unseren größten
Hunger stillte.
Es war selbstverständlich, und auch ein inneres Bedürfnis, daß wir „unser,
mit Wattebäuschchen geschmücktes Tannenbäumchen, andächtig
betrachteten, und alle alten Weihnachtslieder sangen.

Auch, man möge es uns Jugendlichen verzeihen, „Es ist für uns eine Zeit angekommen, die bringt uns eine große Freud'.“
Und weiter: „ Unter sternbesätem Zelt, wandern wir, wandern wir,
durch die weite, weiße Welt.“

Vorweihnachtliche Grüße
von Sarahkatja



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Kommentare (2)

alisika Ein sehr interessanter Artikel den ich gerne gelesen habe ich habe von dieser Zeit als Kind nicht allzu viel mitbekommen.
Und nun sind wieder Menschen auf der Flucht, die viele nicht haben wollen. Wird es auf dieser Welt mal Frieden geben.
Liebe Adventsgrüße Anne
finchen es erinnert mich auch an meine Kinderzeit.
Die Nahrungsbeschaffung war zu dieser Zeit schon sehr beschwerlich und bedurfte viel Fantasie.
Aber schau, wir leben noch - sind wir dankbar, daß unsere Mütter einfallsreich waren.
Ich wünsche Dir ein schönes Weihnachtsfest und einen reichlich gedeckten Tisch.
Fröhliche Weihnachten
vom Finchen

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