Beobachtungen beim Auschwitzprozess - Tagebuchnotizen
6. Oktober1964: Frankfurt. Am ersten Tag meines Aufenthaltes hier pilgerte ich in die Frankenallee (Gallussaal), um Zeuge eines des erregendsten Schauspieles dieses Jahrzehnts zu sein: der Auschwitzprozeß. Den Blick auf die Stuhlreihen vor mir gerichtet, angestrengt den Worten lauschend, die, verursacht durch eine mangelhafte Technik, oft nur verstümmelt aus dem Lautsprecher drangen. Die Szene war weniger gespenstig als erregend. Linker Hand von mir die Angeklagten, teilweise (6) auf freiem Fuß, die übrigen 14 bereits in Haft, gegen zwei davon war nach der Mittagspause Haftbefehl erlassen worden. Scheinbar lockere Bewachung durch Polizisten in blauer Uniform. Die Vernehmung des Zeugen Filip Mueller aus Prag dauerte den ganzen Nachmittag lang, für Donnerstag ist noch eine Befragung dieses Zeugen anberaumt, auf Antrag des Nebenklägers Ormond und eines Verteidigers.
9. Oktober: Frankfurt. Gestern wieder beim Auschwitzprozeß. Heute auch wieder. Sind diese Leute auf den Anklagebänken überhaupt zu bestrafen? Für mich, der ich das Strafrecht mit seinem Hintergedanken, Rache nehmen zu wollen, ablehne, ergibt sich bei deren Anblick und im Hinblick auf ihre Funktion während er Auschwitz-Epoche ein innerer Streit. Darf ich auf meinem Standpunkt beharren, muß ich also konsequent bleiben und akzeptieren, daß diese Menschen doch unbescholtene Bürger geworden sind und nichts von ihrer Grausamkeit ins zivile Leben hinübergerettet haben? Vertrete ich nicht die Auffassung, daß jedem Menschen, der sich eines Vergehens gegen die bestehende Ordnung schuldig gemacht hat, die Gelegenheit gegeben werden muß, sich wieder in diese Ordnung einzufügen? Nur mit Vorbehalt räume ich der Besserung oder gar Heilung eines einmal zur Seite Getretenen wirklichen Erfolg ein. Wer sich aber darum bemüht, dem muß der Weg offen gelassen werden.
Es geht im Auschwitz-Prozeß meines Erachtens um zwei wichtige Aufgaben, zum einen, den Auschwitz-Opfern Genugtuung zu geben, zum anderen um die Niederlegung einer geradezu einmaligen Dokumentation. Ich will das Ergebnis dieser Arbeit nicht überschätzen; es muß Stückwerk bleiben, weil diejenigen, die es genau wissen, in eigenem Interesse schweigen. Sicherte man aber den Angeklagten Straffreiheit zu, was auf Grund der Rechtsprinzipien nicht möglich ist, würden gerade diese Leute, jedenfalls einige von ihnen, wertvolle Beiträge liefern können. Es geht auch weniger um die „Bestrafung“ der Helfer und Helfershelfer als Vielmehr um das Ständig-sich-vor-Augen-halten einer Vergangenheit, die sich jederzeit nur mit anderen Namen und Argumenten wiederholen kann. Nichts erschien mir widerlicher, als eine Abordnung von Soldaten der neuen deutschen Streitmacht in Uniformen an den Schauplatz dieses Prozesses zu delegieren.
14. Januar 1965: Von 8 bis 12 Auschwitzprozeß; Vernehmung zweier Belastungszeugen: Milton Buki und der Arzt Tadäus Batschala. Batschala soll auf Antrag der Verteidigung erneut vernommen werden zu der Frage, ob in Block II eine Familie - ein 34jähriger Mann, eine Frau und 2 Kinder - erschossen wurden. Batschala verneint die Frage des Vorsitzenden Richters Hofmeister. „Kennen Sie einen Herrn Farber?“. B: Ein Häftling solchen Namens arbeitete im Häftlings-Krankenbau. Ich erinnere mich nicht an sein Gesicht. Er hat sich mit Desinfektionen beschäftigt. Hofmeister: „Ist Ihnen ein SS-Mann bekannt, der unter dem Namen Klaus bekannt gewesen. ‚Klaus geht in den Block II, da ist wieder was los’ sollen die Häftlinge öfter gesagt haben“. Zeuge Batschala: „Ich kenne keinen SS-Mann namens Klaus. Es kann sein, daß es Klausen gewesen ist, der Rapportführer war und vorher in der politischen Abteilung war“. Hofmeister: „Kennen sie einen Mann, der mit Vornamen Klaus hieß?“. Batschala: „Die breite Masse der Häftlinge kannte die Vornamen der Bewacher nicht“. Wer, wie er, im Krankenbau gearbeitet habe, könne die Vornamen kennen. Hofmeister: „War Dylenski unter seinem Vornamen Klaus bekannt?“. B: „Ja, im Krankenbau“.
Der Zeuge Buki, 55 Jahre alt, will in Jiddisch aussagen, als Dolmetscher Herr Grünblatt: Buki kam am 12. Dezember 1942 nach Auschwitz, blieb dort bis 18. Januar 1945, ist dort Mitglied des Sonderkommandos in Block II, er mußte die Klamotten einsammeln und zusammenbinden; die Sonderkommandos umfassten 400 bis 900 Mann. Richter Hofmeister: „Welche Aufgabe hatte das Sonderkommando als Ganzes?“. Buki: „Die Hauptaufgabe war, die Leichen zu verbrennen. Vor der Errichtung der Krematorien wurden die Leichen auf Loren gebracht und in Gruben verbrannt“. H: „Wo wurden 1942 Menschen vergast?“. B: „Als ich ankam, lag Häftlingskleidung auf einem Platz“. H: „Wo war dieser Platz?“. Buki: „Ich kann mich nicht erinnern, wo dieser Platz gewesen ist“. 1943 hat der Zeuge im Krematorium II gearbeitet. Hofmeister: „Wurden in den Bauernhäusern täglich Vergasungen vorgenommen?“. Buki: „Ja, Tag und Nacht, wie Transporte angekommen sind“. Hofmeister: „Wer hat die Leitung gehabt?“. Buki: „Kaduk und Moll (zwei der Angeklagten). Hofmeister verliest eine von dem Zeugen abgegebene Erklärung von 1946 über das Unwesen eines Husfeld, der Chef im Krematorium I und II war. Richter Hofmeister: „Welchen Rang hatte Kaduk?“. Zeuge Buki: „Unterscharführer, wir haben ihn aber mit hohen Rängen versehen“. Der Richter: „Wie gingen die Vergasungen vor sich? Wo kamen die Leute her?“. Buki: „Mit Lastwagen, sie wurden bis zu 200 Meter an die Häuser, in denen vergast werden sollte, herangefahren. Die ankommenden Menschen wurden von SS-Leuten mit Hunden bewacht, es hieß: ausziehen. Kaduk führte den Befehl“. Hofmeister hält dem Zeugen vor, daß Kaduk behauptet, er sei nur im Stammlager Auschwitz gewesen. Buki: „Das ist eine Lüge“. Es wurde wieder ein 1946 vom Zeugen angefertigter Bericht vorgelesen, in dem von Kaduk als Befehlsgeber gesprochen wird. Die Sonderkommandos wurden in Arbeitsgruppen eingeteilt. Der Zeuge erzählt von der Begegnung mit seinem Bruder, der als Muselmann (Bezeichnung für Häftlinge, die völlig abgemagert waren) zur Vergasung bestimmt war. Er erzählt von der Flucht zweier Leute, wie zerhackte Gliedmaßen ins Wasser krachten, sie schwammen weg. Hofmeister: „Kam es vor, daß Häftlinge der Sonderkommandos sich weigerten zu arbeiten?“. Buki: „Ja“. Bei der Vereidigung setzte der Zeuge ein Käppchen auf. Ende der Vernehmung. Danach Auftritt eines Schriftsachverständigen
9. Oktober: Frankfurt. Gestern wieder beim Auschwitzprozeß. Heute auch wieder. Sind diese Leute auf den Anklagebänken überhaupt zu bestrafen? Für mich, der ich das Strafrecht mit seinem Hintergedanken, Rache nehmen zu wollen, ablehne, ergibt sich bei deren Anblick und im Hinblick auf ihre Funktion während er Auschwitz-Epoche ein innerer Streit. Darf ich auf meinem Standpunkt beharren, muß ich also konsequent bleiben und akzeptieren, daß diese Menschen doch unbescholtene Bürger geworden sind und nichts von ihrer Grausamkeit ins zivile Leben hinübergerettet haben? Vertrete ich nicht die Auffassung, daß jedem Menschen, der sich eines Vergehens gegen die bestehende Ordnung schuldig gemacht hat, die Gelegenheit gegeben werden muß, sich wieder in diese Ordnung einzufügen? Nur mit Vorbehalt räume ich der Besserung oder gar Heilung eines einmal zur Seite Getretenen wirklichen Erfolg ein. Wer sich aber darum bemüht, dem muß der Weg offen gelassen werden.
Es geht im Auschwitz-Prozeß meines Erachtens um zwei wichtige Aufgaben, zum einen, den Auschwitz-Opfern Genugtuung zu geben, zum anderen um die Niederlegung einer geradezu einmaligen Dokumentation. Ich will das Ergebnis dieser Arbeit nicht überschätzen; es muß Stückwerk bleiben, weil diejenigen, die es genau wissen, in eigenem Interesse schweigen. Sicherte man aber den Angeklagten Straffreiheit zu, was auf Grund der Rechtsprinzipien nicht möglich ist, würden gerade diese Leute, jedenfalls einige von ihnen, wertvolle Beiträge liefern können. Es geht auch weniger um die „Bestrafung“ der Helfer und Helfershelfer als Vielmehr um das Ständig-sich-vor-Augen-halten einer Vergangenheit, die sich jederzeit nur mit anderen Namen und Argumenten wiederholen kann. Nichts erschien mir widerlicher, als eine Abordnung von Soldaten der neuen deutschen Streitmacht in Uniformen an den Schauplatz dieses Prozesses zu delegieren.
14. Januar 1965: Von 8 bis 12 Auschwitzprozeß; Vernehmung zweier Belastungszeugen: Milton Buki und der Arzt Tadäus Batschala. Batschala soll auf Antrag der Verteidigung erneut vernommen werden zu der Frage, ob in Block II eine Familie - ein 34jähriger Mann, eine Frau und 2 Kinder - erschossen wurden. Batschala verneint die Frage des Vorsitzenden Richters Hofmeister. „Kennen Sie einen Herrn Farber?“. B: Ein Häftling solchen Namens arbeitete im Häftlings-Krankenbau. Ich erinnere mich nicht an sein Gesicht. Er hat sich mit Desinfektionen beschäftigt. Hofmeister: „Ist Ihnen ein SS-Mann bekannt, der unter dem Namen Klaus bekannt gewesen. ‚Klaus geht in den Block II, da ist wieder was los’ sollen die Häftlinge öfter gesagt haben“. Zeuge Batschala: „Ich kenne keinen SS-Mann namens Klaus. Es kann sein, daß es Klausen gewesen ist, der Rapportführer war und vorher in der politischen Abteilung war“. Hofmeister: „Kennen sie einen Mann, der mit Vornamen Klaus hieß?“. Batschala: „Die breite Masse der Häftlinge kannte die Vornamen der Bewacher nicht“. Wer, wie er, im Krankenbau gearbeitet habe, könne die Vornamen kennen. Hofmeister: „War Dylenski unter seinem Vornamen Klaus bekannt?“. B: „Ja, im Krankenbau“.
Der Zeuge Buki, 55 Jahre alt, will in Jiddisch aussagen, als Dolmetscher Herr Grünblatt: Buki kam am 12. Dezember 1942 nach Auschwitz, blieb dort bis 18. Januar 1945, ist dort Mitglied des Sonderkommandos in Block II, er mußte die Klamotten einsammeln und zusammenbinden; die Sonderkommandos umfassten 400 bis 900 Mann. Richter Hofmeister: „Welche Aufgabe hatte das Sonderkommando als Ganzes?“. Buki: „Die Hauptaufgabe war, die Leichen zu verbrennen. Vor der Errichtung der Krematorien wurden die Leichen auf Loren gebracht und in Gruben verbrannt“. H: „Wo wurden 1942 Menschen vergast?“. B: „Als ich ankam, lag Häftlingskleidung auf einem Platz“. H: „Wo war dieser Platz?“. Buki: „Ich kann mich nicht erinnern, wo dieser Platz gewesen ist“. 1943 hat der Zeuge im Krematorium II gearbeitet. Hofmeister: „Wurden in den Bauernhäusern täglich Vergasungen vorgenommen?“. Buki: „Ja, Tag und Nacht, wie Transporte angekommen sind“. Hofmeister: „Wer hat die Leitung gehabt?“. Buki: „Kaduk und Moll (zwei der Angeklagten). Hofmeister verliest eine von dem Zeugen abgegebene Erklärung von 1946 über das Unwesen eines Husfeld, der Chef im Krematorium I und II war. Richter Hofmeister: „Welchen Rang hatte Kaduk?“. Zeuge Buki: „Unterscharführer, wir haben ihn aber mit hohen Rängen versehen“. Der Richter: „Wie gingen die Vergasungen vor sich? Wo kamen die Leute her?“. Buki: „Mit Lastwagen, sie wurden bis zu 200 Meter an die Häuser, in denen vergast werden sollte, herangefahren. Die ankommenden Menschen wurden von SS-Leuten mit Hunden bewacht, es hieß: ausziehen. Kaduk führte den Befehl“. Hofmeister hält dem Zeugen vor, daß Kaduk behauptet, er sei nur im Stammlager Auschwitz gewesen. Buki: „Das ist eine Lüge“. Es wurde wieder ein 1946 vom Zeugen angefertigter Bericht vorgelesen, in dem von Kaduk als Befehlsgeber gesprochen wird. Die Sonderkommandos wurden in Arbeitsgruppen eingeteilt. Der Zeuge erzählt von der Begegnung mit seinem Bruder, der als Muselmann (Bezeichnung für Häftlinge, die völlig abgemagert waren) zur Vergasung bestimmt war. Er erzählt von der Flucht zweier Leute, wie zerhackte Gliedmaßen ins Wasser krachten, sie schwammen weg. Hofmeister: „Kam es vor, daß Häftlinge der Sonderkommandos sich weigerten zu arbeiten?“. Buki: „Ja“. Bei der Vereidigung setzte der Zeuge ein Käppchen auf. Ende der Vernehmung. Danach Auftritt eines Schriftsachverständigen
.............bewundeswert, nach meiner Meinung nach die Rache bleibt ewig vorhanden, leider, wir sind nur ein ein Stück Perle an der Kette
von Gorilla zum Mensch.
grüßt
Nasti