Ich wanderte mit meiner Mutter durch den Park bei der Dortmunder Westfalenhalle. Es war kalt, wie so als Bub wollte ich meine rechte Hand in ihre Manteltasche stecken, doch zog ich sie schmerzhaft wieder heraus. Was war los? Mutter hatte einmal wieder geräubert. Die Manteltasche verbarg die heimlich und vorsichtig abgeschnittenen Rosenzweige. Ich ließ meine Hand da nicht noch einmal hinein, konnte nun aber auch verstehen, warum Mutter immer da und dort im Gehen verhielt und Triebe vorsichtig mit einer kleinen Gartenschere abschnitt. Wieder etwas für den Rosengarten zu Hause.

Zu Hause wurde gepfropft, in der Blütezeit dann auch die Blüten bestäubt, gekreuzt und vorsichtig eingebunden. Das Bestäuben führte der Vater aus, ebenso, wie er es mit Lilien der verschiedensten Sorten machte. Es kamen in den Folgejahren dann Freunde und wünschten Ableger oder Samen. Zur BuGa in Düsseldorf stellte Mutter ihre am Kreuzberg in Bonn gewachsene Rose aus.

Als Jahre danach der Garten, den die Eltern gut vierzig Jahre belebt hatten, aufgegeben werden mußte, gingen viele Rosenstöcke auf die Reise, meine Schwester nahm sie mit nach Dachau in einen kleinen Garten an der Amper. Andere Rosenstöcke holte unser Bruder nach Unna in seinen Garten. So lebt unsere Mutter in ihren Rosen bei uns weiter. Man könnte meinen, daß sie so bei uns bleibt, wie es im Märchen Aschenputtel zu lesen ist.

Vorgestern kam aus Dachau eine Mail: Bilder aus dem Garten, die Rosen blühen. Nächste Woche fahren mein Spatz und ich hinüber nach Dachau zum Streicheln der Rosenstöcke und der auch blühenden Lilien. Man muß zwischen allem sich auch bücken, um die (geklauten) Alpenpflanzen zu bewundern, die den Weg im Rucksack der Bergsteiger den Weg dorthin fanden.

Aber auch das ist da in Dachau wieder zu finden: die Eltern fuhren den ganzen Winter hinauf zu ihrem Garten, fütterten die Vögel mit geschmelzten Haferflocken. Dafür besuchten die Piepmätze im Garten am Kreuzberg Meisen, Kleiber, Buchfinken, Dompfaffen, Spatzen und Sperlinge, ach wer von der singenden Zunft kam nicht, flitzten durch die Laube, stibitzten vom Tisch, brachten ihre flügge gewordene Brut mit. Das hat Schwesterlein auch mitgenommen – phantastische Fotos sind entstanden.

Ich sitze jetzt, wo es endlich wieder möglich ist, auf dem Balkon, kann Meise, Rotschwanz, Buchfink und Amsel in dem Grün der Hainbuchen und Kastanie erleben, ab und zu kommt eines her, nimmt Platz auf dem Balkongeländer, auch wenn es ab und an nur zum Ablassen ist (das kann man ja eben wieder wegmachen).

Ich habe keine Blumen und auch keinen Garten. Dazu muß ich erst wieder seßhaft werden, und das soll doch bald mit dem Umzug nach Berlin beginnen. Solange kann ich die lautstarken Amseln mit dem Abspielen ihres eingefangenen Gesanges ärgern.

ortwin

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Kommentare (1)

floravonbistram über diese Rosengeschichte.
Meine Freundin ist 75 Jahre alt. Als ihr Vater, ein ebensolcher Rosenliebhaber wie deine Mutter, starb, musste der Garten aufgegeben werden und so wanderten auch von dort die Rosen zu meiner Freundin.
Als sie sich vor ca 20 Jahren von ihrem Mann trennte, musste das Haus aufgegeben werden und die Rosen wanderten in den Garten des ältesten Sohnes. Als der umzog, konnte er noch die Rosen, vom Vermieter geduldet, in den Vorgarten setzen, doch bis auf eine Rose gingen alle ein.
Als er dann in eine andere Ortschaft zog, konnte er die letzte Rose nicht mehr mitnehmen und meine Freundin war sehr traurig.
Also fuhr ich hin und nahm die Rose mit zu mir. Hier blüht sie nun seit 7 Jahren zur Freude der gesamten Freundinfamilie und natürlich zu unserer.
Erinnerung an einen liebevollen Mann und seine herzensgute Frau, die beide schon bald 30 Jahre nicht mehr leben.
Danke
Flo

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