Wo meine Sonne scheint .
Es herrschte allgemeine Aufbruchsstimmung in unserer Stadt. Die Stadtväter organisierten erstmals ein Stadtfest. Es sollte ein unvergessliches Fest werden, und alle machten mit. Damit war die erste Regional-Messe mit internationaler Warenschau geboren. Neben der Messehalle wurde ein riesiges Festzelt inklusive Schaubühne aufgebaut. Tagsüber bespielten Musikkapellen die Gäste. Abends sorgte eine Dixie-Band und ein gigantisches Feuerwerk für beste Unterhaltung. Der absolute Höhepunkt war die Schluss-Veranstaltung. Ungläubiges Staunen allerseits: Ein Weltstar war angesagt: Caterina Valente! Ich war elektrisiert!
Seit ich Caterina Valente das erste Mal im Radio gehört hatte, war es um mich geschehen. Es war Liebe auf den ersten Ton, sozusagen. Gut, ich war zu jung, um die Tragweite dieses Gefühls zu überblicken, schließlich war ich gerade Mal knapp zwölf Jahre alt. Mir war klar, dass ich alle Verbote umgehen musste, um sie erleben zu dürfen, denn eigentlich sollte ich um diese Zeit im Bett sein. Mein Glück war, dass die Eltern im Festzelt mitarbeiteten. Vater war der Mundschenk beim Weinhändler und Mama wusch die Gläser. Ich war allein zu Hause, also nichts wie hin. Ich kannte ja die Schleichwege, denn tagsüber war auch beim Weinhändler engagiert – als Wasserträger. Mein Job war es, die Wassereimer vom nahen Hydranten durch eine Öffnung in der Zeltplane hinter die Bühne zu transportieren. Von diesem Schlupfloch wussten die Kontrolleure am Eingang nichts.
An leeren Bierfässern gelehnt, die hinter der Bühne in die Höhe ragten, blickte ich durch den Spalt der Zeltplane auf die Bühne. Der Schlagzeuger der Band saß mit dem Rücken zu mir und erzeugte gerade einen fantastischen Trommelwirbel trat der Conférencier vor das Mikrofon und stellte das Programm vor. Ein Mix aus Modenschau, Musik und schlüpfrigen Witzen füllte die erste Stunde. Dann der ersehnte Moment:
„Meine Damen und Herren, zum Höhepunkt des Abends wollen wir Sie in das Traumland der Liebe entführen. Ein Weltstar, begleitet von ihrem Bruder Silvio Francesco, gibt sich die Ehre: Caterina Valente!“
Unter tosendem Beifall erschien Caterina mit Silvio auf der Bühne. Sie im roten Kleid mit weißen Tupfen, Silvio im Glitzer-Jackett. Es ging los mit den Ohrwürmern: Ganz Paris träumt von der Liebe und Komm ein bisschen mit nach Italien bis zu Wo meine Sonne scheint. Zum Schluss sang sie urkomisch den Calypso-Song Tipitipitipso.
Um mehr zu sehen, war ich auf die gestapelten Weinkisten geklettert und prompt mit Getöse samt den Holzkisten zu Boden gekracht. Plötzlich stand meine Caterina vor mir und fragte in jovialem Ton:
„Na, mein junger Verehrer, wie geht’s dir?“
Ich wurde feuerrot und starrte ängstlich auf. Sie strich mir übers struppige Haar und lächelte. Statt entzückt zu sein, vor so viel Wärme, die sie mir armseligen Bürschlein entgegenbrachte, wand ich mich hin und her vor Verlegenheit. „Danke, gut“, konnte ich gerade noch stammeln. Rasch, mit heftig schlagendem Herz verließ ich die Stätte meiner Blamage. Zu Hause schlich ich selig in mein Bett und machte mich ans Träumen.
©Text & Bild by Ferdinand
Kommentare (4)
@Rosi65
Oh ja, das war es wohl. Damals ahnte ich noch nicht, mit welch großartiger Künstlerin ich das "Vergnügen” hatte.
Liebe Grüße
Eisenwein (Ferdinand9
Lieber Eisenwein...."DEINE" Caterina Valente bzw.Dein Erlebnis ,
traf mich wie ein PAUKENSCHLAG um die Mittagszeit....mehrmalös las ich Deine Begenung und erweckten auch meine Erinnerung an die großartige vielseitige Künstlerin. Ich sah sie bei uns un Köln im Tanzbrunnen mit Kurt Edelhagen ca zur selbigen Zeit, wie Du sie erlebt hast...(ich war noch in der
"Volksschule"...
Kürzlich las ich, dass sie heute mit 93 Jahren zwischen der Schweiz und Amerika zurück gezogen lebt...
mit diesem Autogramm, aus dieser,unserer Zeit...sende ich begeisterte Grüße mit fröhlichem Winker vom Rhein
herzlichst Renate-ladybird
@ladybird
Vielen Dank für die begeisterten Grüße und sen fröhlichen Winker vom Rhein!
Meine Entzückung für Caterina Valente hält bis heute an! Mit ihr und ganz Paris träumte ich als Jugendlicher von der Liebe und als ich älter war, taufte ich meinen Sohn nach ihrem Lied: „Manuel”.
Grüße aus Salzburg.
Ferdinand
Lieber Eisenwein,
die Sängerin war sicher in den 50er Jahren der absolute Superstar, denn sogar meine Eltern hatten zwei ihrer Singles in der feinen „Musiktruhe“ gesammelt. 😊
Ich erinnere mich deshalb sofort an den Ohrwurm: “Spiel noch einmal für mich, Habanero“.
Diese einmalige Begegnung muss ein ganz besonderes und schönes Erlebnis für Dich gewesen sein.
Viele Grüße
Rosi65