Der Banker


Auf der westlichen Seite des Mönchsberges, zur Riedenburg hin, stehen sich auf einer Lichtung zwei Bänke gegenüber. Eine davon ist meine. Sie sieht gut aus, mit ihrem grünen Anstrich und dem Messingschild. Auf dem Schild steht mein Name und dass ich für diese Bank die Patenschaft übernommen habe. Die zweite Bank gegenüber ist alt und rissig und namenlos. Sie hat noch keinen Spender gefunden. Ich überlege noch.
 
Im Sommer, wenn die Baumkronen dicht sind, würde man sich, gäbe es nur das Auge, weit ab vom Stadtleben wähnen. Das Ohr allerdings nimmt den gedämpften Verkehr, der sich durch das Sigmundstor zur Altstadt wälzt, wahr. Die Bänke stehen am Ende eines Kiesweges. Mein von Spaziergängern und Hundehaltern weitgehend unbehelligter Lieblingsort des Lesens und des Schreibens.
 
Es war ein früher lauer Sommerabend mit noch bestem Leselicht, meine bevorzugte Zeit an diesem Platz. Die Frau, die dort auf ‘meiner‘ Bank saß, trug ein modernes Dirndlkleid dessen Ausschnitt einen gewissen Einblick erlaubte. ‘Holz vor der Hütte‘ würden despektierliche Männer sagen. Den dazu passenden Hut mit breiter Krempe hatte sie ebenso wie ihre Handtasche und ein Umhängtuch neben sich auf der Bank platziert. Sie trug ihre Haare offen, eine dunkle Sonnenbrille hatte sie ins Haar hochgeschoben. An ihren Ohrläppchen hingen tief rote Granatsteine, die in der Sonne funkelten.
 
Ich glaubte sie zu kennen, flüchtig nur, aber je länger ich sie ansah, umso sicherer wurde ich. Ja klar, denke ich, das ist die Verlagsleiterin, die vor kurzem bei einer Buchpräsentation im Literaturhaus einen ihrer Autoren vorgestellt hatte. Ihr Name fiel mir nicht ein – der des Verlages schon. Ich haderte mit mir: Wie kann man als angehender Buchautor ohne Verlag, verdammt noch mal, so einen wichtigen Namen vergessen.
 
Sie hatte mich beobachtet, wie ich verzweifelt in meinem Smartphone nach der Webseite ihres Verlages suchte. Und fragte ungeniert: „Ist Ihnen nicht gut? Sie schauen so verzweifelt. Kann ich helfen?“
 
Jetzt, wo ich ihre Stimme hörte, war mir auch ihr Name wieder eingefallen.
Mit hochrotem Kopf krächzte ich ein: „Hallo, Frau Sofka.“
„Wir kennen uns?“
„Na ja, wir haben nach einer Buchpräsentation, die Sie moderiert haben, ein paar Takte miteinander gesprochen. Es ging dabei um mein Buch, respektive um das Manuskript desselben, das ich Ihnen ans Herz legen wollte.” Ich war froh, diesen Satz aus dem Stegreif geschafft zu haben. Jetzt war mir leichter.
 
Als sie mich fragte: „Wie war gleich Ihr Name”, kam bei mir wieder der altgewohnte Humor durch. Mit einem erlösenden Grinsen zeigte ich auf die schöne neue Bank, auf der sie saß, und sagte: Rutschen Sie ein bisschen zur Seite – an der Lehne ist ein Schild, da steht ein Name!“
 
Sie las das Messingschild mit meinem Namen, und den darunter stehenden Satz: „Auf dieser Bank reiften die Ideen für viele Geschichten.”
Ein verzückter Schrei kam aus offenem Mund: „Na, Sie sind mir vielleicht einer …!“
 
© photo & text by eisenwein
 


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Kommentare (2)

Rosi65

Lieber Ferdinand,

eine Bank, die Deinen Namen trägt,
die Dir immer Ruhe und Geborgenheit schenkt,
die Dich inspiriert,
klaglos Dein Körpergewicht trägt,
zusammen mit Dir schweigt,
um dann gemeinsam mit Dir, in ihrem grünen Kleid,
geduldig auf das Eintreffen der Muse zu warten,
erinnert an den sanften Harmonie-Klang bester Freunde.

Eigentlich hätte diese wunderbare Bank ein eigenes Lied, oder wenigstens ein kleines Gedicht verdient.

Meint, mit schmunzelnden Grüßen
          Rosi65😊



 

Eisenwein

@Rosi65  
Vielen Dank für deine Sicht der Dinge.  Mit dem Gedichteschreiben hapert es bei mir, höchstens mal ein Haiku zum Zeitvertreib, mehr schaffe ich nicht. Ich bin nunmal ein Erzähler von authentischen Storys - davon gibt es jede Menge. Ich freue mich, wenn dir sowas gefällt. 🤗
 


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