Mein Spatz hat mir zum Geburtstag (neun mal neun Jahre) etwas Wunderbares geschenkt: einen Besuch im Varieté Wintergarten.

Wintergarten: das alte Haus, das seit 1888 bestand, annoncierte auch im Kriege noch eifrig, ebenso wie die Scala in Berlin. Aber wir waren da für einen Besuch noch viel zu klein.

Heute war ich nicht mehr zu jung. Spatz hatte Karten für die Nachmittags-Varieté-Show besorgt, ganz vorne hatten wir einen Zweiertisch bekommen. Ein ShowCafé mit den Highlights aus dem Abendprogramm, inclusive Gedeck.

Pünktlich um 16:30 Uhr „ging die Post ab“ mit dem Thema „Musique & Varieté am Rande der Nacht“. Eine Szene oder „Nummer“ jagte die andere. Pausenlos wurden wir in den neunzig Minuten von dem, was sich vor uns auf und über der Bühne abspielte, gefesselt.


Gerade noch etwas „Büchsenlicht“ herrschte, als wir wieder auf der Kurfürstenstraße (nicht Ku’damm) standen. So konnten wir zu den wenigen, nicht erlaubten Fotos doch vom Treiben auf den Straßen einiges einfangen.

Ich schaltete ein wenig zurück in die Vergangenheit: wie sich das damals vor und im Krieg zeigte, das Berlin. Fuhren wir vor dem Krieg mit der Stadtbahn abends von West nach Ost – wir kamen dann immer aus Eichkamp – dann konnten wir das Wechselspiel der Lichter erleben: da ein Gebäude, dessen Fenster Licht abgaben, dort ein flüchtiger Blick in einen Hinterhof, und zwischen zwei an die Bahn grenzende Brandmauern wurde eine hell beleuchtete Straße überquert. Die S-Bahn rollte von Bahnhof zu Bahnhof, ihre Motoren sangen auf und ab schwellend – etwas, was wir dann, wenn wir in unseren Betten lagen, nach zu summen versuchten.

Und dann kam der Krieg. Wenn wir anfangs noch abends unterwegs waren, dann war nur noch wenig Licht zu sehen: Verdunklung! Wir mieden es bald, so spät noch in der Stadt zu bleiben, wir blieben draußen in unserem Vorort, in Eichwalde.
Die Anzeigen von Wintergarten, Scala und Plaza im „Völkischen Beobachter“ wurden zur Farce. Sie blieben eben nur noch im Gedächtnis erhalten. Was mag man da wohl zu sehen bekommen haben?!

Das ist doch schon so lange her. Da haben nun Andre Heller und Bernhard Paul den neuen Wintergarten an anderer Stelle, also in der Potsdamer Straße installiert, es gibt ihn wieder, den Wintergarten.

Und Licht en mass.

ortwin



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