Wieder mal Legasthenie-Erlebnisse ...
Ich las gerade den erschütternden Bericht über Adoptivkinder von aina! Wie kann man mit Kindern so umgehen? Was für Schicksale zwingt man – teils gutgläubig – solchen Kinder auf?!
Ich erlebe gerade, wie man bei uns in Deutschland legasthene Kinder einfach als dumm, lernunfähig oder lernunwillig hinstellt, obwohl man in mindestens 65 Ländern dieser Welt die genetischen Gründe hierfür kennt und zugunsten der betroffenen Kids deren andere Wahrnehmung beachtet. Überall dort entwickeln sich die Kinder, entsprechend unterstützt, genauso gut wie die nicht legasthenen! Legasthenie ist keine Krankheit, zeugt nicht von Dummheit, sondern ist ein besonderes Talent anderer Wahrnehmungen!! Max' besondere Wahrnehmungen liegen im Bereich der Technikbedienung. Er fährt seit vier Jahren Quad und stieg im Sommer 2020 auf das Erwachsenen-Quad meines Sohnes (s. o.), das er sofort problemlos beherrschte. Kinderroller fahren war dagegen nie sein Ding, zu wackelig!
Gut anderthalb Jahre wissen wir jetzt, weshalb bestimmte Dinge, die andere Kleinkinder fast grundsätzlich tun, unser Max nicht tat. Heute ist die Erzieherin, die für Max zuständig war, inzwischen so weit, dass sie auch in neuen Kleinkinder-Gruppen recht bald legasthene Kinder erkennen kann. Erst vor kurzem erklärte sie in einem Elterngespräch einer Mutter, worauf sie bei ihrem Kind in der Schule achten sollte. Die Frau war hoch empört, weil sie – unwissend – ihr Kind bereits als dumm hingestellt sah. Doch wenn sie nur ein wenig für die Zukunft ihres Kindes wünscht, sollte sie den Gedanken an Legasthenie nicht allzu weit von sich schieben. Denn:
Nach dem Kindergarten kamen auch für Max die ersten Grundschuljahre und es zeigte sich, warum er z.B. nicht von den langen Sitzbänken in der Sporthalle wie jedes andere Kind sprang: in seinem Kopf konnte er nicht die Möglichkeit finden, beim Herunterspringen nicht hinzufallen. So lange er das nicht selbst und eigenständig erfahren konnte, verweigerte er den Absprung.
So ging das auch mit den Buchstaben. So lange er den Text dreimal übereinander gedruckt sah oder Buchstaben zu dreiviertel im Text einfach nicht sichtbar werden wollten, konnte er nur raten, was dort stand.
Das Studium zur Diplom-Legasthenie-Trainerin half meiner Tochter recht schnell, zu erkennen, welche Schwierigkeiten da vorlagen. Max lernte, sich auf einen bestimmten Punkt – mit einem sogenannten „dritten Auge“ – zu konzentrieren und fragte erstaunt: „Warum sehe ich das jetzt, Mama?“
Fakt ist, dass Legasthenie vererbt wird. Mein Sohn (54) ist leicht betroffen, bei einem sehr hohen IQ. Max' Papa ist schwer betroffen, in viele Richtungen. Beide Männer - fast gleich alt - haben uns wissen lassen, dass sie durch den Scheuerbeutel Schule, dumm, nicht lernen können - erst jetzt im Alter von über 50 Jahren sich outen mögen, dazu stehen, dass sie legasthen sind. Und beide habe durch das Lernen ihres Sohnes bzw. Neffen ebenfalls noch hinzugelernt!! Beide sind berufstätig, aber hatten stets das Bedürfnis, sich beweisen zu müssen!
Max, mein Enkel, ist sehr schwer betroffen, auch durch die Legasthenie in der Dyskalkulie! Aber er hat inzwischen durch die Unterstützung der RICHTIGEN Schulung für Legasthenie eine Mathearbeit mit einer Zwei, eine Sachkundearbeit mit einer Eins und eine Deutscharbeit mit einer Zwei mit nach Hause gebracht! Inzwischen kam auch schon der Spruch: Mathe ist mein Lieblingsfach! Und er blockiert nicht im Unterricht, sondern macht mit!! Uns geht es nicht um gute Noten. Aber der Frust, in der Schule als dumm hingestellt zu werden, soll ihm erspart bleiben!!!
Durchgehend mit ihrem Studium hakte meine Tochter bei jedem Unverständnis für eine Aufgabe ihres Sohnes auch bei ihm gleich entsprechend ein. Das führte dazu, dass Max von der Klassen- und der Mathelehrerin nicht ins zweite Schuljahr zurückversetzt wurde, denn er konnte inzwischen nicht nur sinnerfassend lesen, sehr sauber schreiben und machte auch im Unterricht mit – es sei denn, die Mathelehrerin glaubte, ihm bei einer Klassenarbeit den Text der Aufgabe mit ihrer schrillen Stimme noch einmal extra schnell vorlesen zu müssen. Dann verstand Max gar nichts mehr und musste sich erst neu orientieren!! Kostete Zeit für weitere Aufgaben – war überflüssig!!
Über diese ganzen Erlebnisse hat die Mama eine Broschüre geschrieben, die sie laufend bis jetzt im zweiten Halbjahr des dritten Schuljahres weiter ergänzt hat. Nun liegt ein Büchlein vor, wo hier in der Umgebung – aber auch eine Nachfrage (ausgerechnet) aus Wuppertal – eine neue Auflage erforderlich macht. Auch wenn sie die ersten längst vergriffenen 500 selbst gedruckte Exemplare umsonst verteilt hat, nun ist es an der Zeit, das Heftchen von einer niedergelassenen Druckerei, mit der sie schon lange zusammenarbeitet, drucken zu lassen. Auch wird das Büchlein nun Geld kosten.
Sie bietet auch Workshops – auch online – an. Inzwischen darf sie aufgrund ihres Diploms Betroffene testen und diagnostizieren, Trainingsstunden geben. Außer Max gibt es schon ein paar weitere Kinder, die aufgrund der Wahrnehmungs-Schulung inzwischen ihre „Bockigkeit“ in der Schule sowie bei den Hausaufgaben aufgegeben haben, auch in der Schule mitarbeiten! Ungeheuer wichtig aber ist ihr, auch die Eltern und Lehrer mit ins Boot zu holen, so dass kein Kind mehr vor der Klasse von Lehrenden als dumm, als lernunfähig geoutet wird! Gerade diese Kinder brauchen mehr Lob und Zustimmung! Von der Schule, in die Max geht, hatten sich vor anderthalb Jahren acht Lehrpersonen zu einem Workshop angemeldet. Leider trat dann Corona auf und die Lehrpersonen hatten so peu á peu auch für die Schüler der Grundschule den Schulunterricht in Form von home-schooling zu liefern. Da gab es keine Zeit mehr für eigene Workshops der Lehrer ...
Gerade gestern traf meine Tochter auf einen Berufskollegen, um den Druck ihrer erweiterten Broschüre zu besprechen. In einem langen Gespräch erkannte der Exkollege dann allerdings, weshalb seine 12-jährige Enkelin, als legasthen den bislang "ärztlich-psychologischen Weg", den hier die Schulen leider immer noch meist erfolglos empfehlen, gegangen ist, nun eine Montessori-Schule besucht, aber auch dort total verweigert, weil sie in der Grundschule keinerlei Unterstützung für die Legasthenie erfuhr. Sie steht inzwischen auf dem Standpunkt: versteh ich ja doch nicht! Wozu dann mitmachen?? Und das, obwohl diese Schulform für legasthene Kids die richtige sein kann.
Der Großvater dürfte wohl die Broschüre sehr interessiert und sehr rasch durchgelesen haben, um diese dann seiner Tochter, Mama der 12-jährigen Enkelin in die Hand zu drücken. Ein 12-jähriges Kind ist natürlich schon etwas reifer als ein I-Männchen. Aber noch ist sie nicht zu einem trotzigen Teenager herangewachsen, so dass man ihr eventuell so einige Dinge in ein paar Schulungsstunden erklären könnte. Es wäre so schade um jedes Kind, das die Schule „schmeist“, weil ihm vier oder fünf Jahre eingebläut wurde, es sei dumm und faul!!
Das Gegenteil ist meist der Fall. Alle Kinder sind neugierig, wollen lernen, können auch lernen. Wenn allerdings die Entwicklung der Gene im Gehirn dafür sorgt, dass eine „andere Wahrnehmung“ unsere Kulturtechniken des Lesens, Schreibens und Rechnens nicht verstanden werden kann, unser Schulsystem das auch noch ignoriert, obwohl viele Länder in der Welt das längst akzeptiert und anerkannt haben – werden in Deutschland leider immer noch lernwillige Kinder zu dummen Kindern gemacht!! Sie werden als diejenigen in der Statistik erfasst, die als Erwachsene keine hohe Schulbildung haben, die immer wieder arbeitslos werden, die vom Staat sich unterstützen lassen (müssen). In meinen Augen ist es der Staat, der hier endlich tätig werden müsste. Sich auf dem Ruf, das Land der Dichter und Denker zu sein, auszuruhen und nicht zu merken, dass da etwas passiert, was stark beachtet werden sollte, das haben die etwa 15 % der legasthenen Menschen nicht verdient! Es gehört kein hoher IQ dazu, wenn jemand legasthen ist. Aber es gibt eine Reihe Menschen, die hochintelligent sind u n d Legastheniker wie
Leonardo da Vinci
Galileo Galilei
Jules Verne
Thomas Edison
Ernest Hemingway
Wolfgang Amadeus Mozart
Charles Darwin
Agatha Christie
Alfred Hitschcock
Ludwig van Beethoven
Henry Ford
Georg W. Bush
Bill Gates
Walt Disney
Prinzessin Victoria
König Carl Gustav
und viele, viele mehr!
Kommentare (4)
Ich muss doch noch etwas ergänzen: Ich vergaß zu erwähnen, dass eine gute Freundin meiner Tochter selbst zwei legasthene Töchter hat. Sie wusste als Ergotherapeutin und Logopädin, was zu tun war und hat ihre Töchter in deren Schulzeit jeweils in den Punkten unterstützt, die gerade nötig waren. Beide habe Abitur gemacht und studieren!!
Auch meine geringe Hilfe für meinen Sohn hat vor fast 50 Jahren dazu beigetragen, dass er trotz der Ablehnung einiger Lehrer und meinem Unwissen seine Mittlere Reife machte und nach der Kfz-Mechatroniker-Ausbildung dafür auch noch seinen Meister schaffte!! Allerdings hätte er lieber auf Ingenieur studiert!
Heute hoffen meine Tochter und ich darauf, dass wir bald gegen Corona geimpft werden und meine Tochter weiterhin ihrem legasthenen Sohn während seiner Schulzeit die Unterstützung geben kann, die er hier und da doch braucht.
Vergangene Tage erhielt sie ein Feedback, das uns fast umwarf!! Ein Bekannter, der in seinem Heimatort eine Firma führt, hatte einem neuen Angestellten die Broschüre meiner Tochter in die Hand gedrückt, als er sich als legasthen outete. "Ach, da schreibt eine Mutti über ihren legasthenen Sohn" war sein allererster Eindruck. Dann aber packte ihn Interesse, weil Fakten beschrieben werden, die für die Legasthenie verantwortlich sind. Immer öfter kam ein zustimmendes Ja, ein Kopfnicken und andere Bestätigungen, Fragen in die Luft: "... ach darum?!" Und zum Schluss, als er das Büchlein durchgelesen hatte, es wieder abgeben sollte, wollte er es nicht mehr hergeben, er verteidigte es, als wäre es sein Leben!! Er gab es nicht heraus! Und der Chef orderte gleich eine große Zahl, um die Bürgermeister seiner Heimatstadt und die Schulen damit zu beliefern!! Wer sich ein wenig mit diesem Thema befasst, weiß, dass in jeder Grundschulklasse bis zu 15 % Legastheniker sitzen! Und den meisten wird nicht geholfen!!!
Ich bedanke mich bei einzelnen Sternchengebern für ihre Zustimmung und freue mich darüber.
💖lichen Gruß
Uschi
@nnamttor44
Ja, auch heute werden Schüler wegen Rechtschreibfehlern belächelt und, wenn sie hören "Legastheniker" verlangen sie sofort den Beweis... bzw. Feststellg.-Nachweis. Keiner mag natürlich vor der ganzen Klasse so vorgeführt werden.
@Irida
Das ist ja das Schlimme: Rechtschreibfehler = LRS, wird in der Schule erworben!! Und genauso schlimm ist es, dass der Öffentlichkeit weisgemacht wird, LRS und Legasthenie seien ein und dasselbe!
Legasthenie ist eine genetische Sache und wird vererbt, nicht in der Schule erworben. Beispielsweise das Wort Elefant: Der LRS-Fehler-Schreibende würde nie das erste E zu schreiben vergessen. Das legasthene Kind denkt L (=EL) und lässt das E weg. Dann folgt das F (=ef), warum sollte dann zwischen dem L und dem F ein E stehen? Das A wird der Legastheniker schreiben, vielleicht sogar ein E danach, weil das N = sprich en, folgt. Das Kind schreibt also lfant ...
Das alles geht einem untrainierten legasthenen Kind rasend schnell durch den Kopf und man kann sogar davon ausgehen, dass bei so vielen verwirrenden Buchstabenfolgen (Serialität) direkt die Verwirrung einsetzt, so dass das betroffene Kind gar nicht mehr weiter weiß! Wenn es nicht gelernt hat, sich aus dieser Desorientierung zu lösen und wieder zu konzentrieren, dürfte ziemlich klar sein, dass es erst einmal aus dem Fenster schaut oder mit dem Stift spielt ...
Den Nachweis der Legasthenie verlangt im Unterricht niemand. Aber es fällt manchen Lehrkräften überhaupt nicht schwer, dann eine überflüssige Bemerkung vor der ganzen Klasse herauszulassen...!
Eine "gescheite", verständnisvolle Lehrkraft wird in solch einem Fall mit den Eltern und Kollegen sprechen und veranlassen, dass überprüft wird, ob Legasthenie vorliegen könnte. Allerdings gibt es noch viel zu viele Lehrkräfte, die überhaupt nicht erkennen, ob sie ein legasthenes Kind vor sich haben. Leider verläuft das dann so, dass das Kind über den HA zum Psychologen geschickt wird und das ist völlig überflüssig!! Wichtig wäre der AFS-Test, der die diversen Wahrnehmungen erkennen lässt und so dann die richtigen Trainings-Notwendigkeiten feststellt.
Noch besser wäre es, die Grundschulen hätten diesbezüglich geschulte Lehrkräfte. Aber in sehr vielen Fällen fehlen einfach geschulte Kräfte, die auch im Studium die Legasthenie nicht einfach links haben liegen lassen ...!
Entschuldige, dass ich Dir einfach so widersprechen musste. Aber ich hab mich gefreut, dass Du kommentieren mochtest.
💖lichen Gruß von Uschi
Gute Arbeit! Kann ich nur bestätigen!
Mein Enkel ist auch Legastheniker, konnte nicht so schnell Rad fahren wie die anderen in seinem Alter, las aber all die Bücher über Zukunftsfantasien, die man kaufen konnte. Im Unterricht reicht es, daß er konzentriert zuhört, dann hat er es intus. Er zerlegte einen PC und baute ihn auch wieder zusammen, so daß er auch wieder ging. Er wußte schon mit 14, was manipulieren heißt und wendete es für sich an. Er ist klug aber auch schwierig und bringt mich und Andere zur Verzweiflung. Er erklärte auch seinem Lehrer, warum er der Meinung ist, daß Gras etc. etc.erlaubt werden sollte, auch wenn das gegen die Schulübung u These der Schulgemeinde ging und er sich dadurch ins Abseits brachte u dafür eine schlechte Note erhielt, weil er dabei blieb. Auch wenn bei der Behandlung und Hilfe der Schüler zum leichteren Umgang mit der Legasthenie durch einen dafür geschulten Psychologen bzw. Legasthenie-Fachkraft wurde er getestet und ihm ein hoher IQ bestätigt, der aber bei allgemeinen Tatbeständen oder einfachen Verhaltensweisen einfach nicht greift. So etwas hab ich bisher noch nie erlebt. In der Technik ist er einfach nur großartig.
Sehr interessant fand ich die Aufzählung der bekannten Legastheniker.
Danke für den sehr interessanten Beitrag!