Weihnachten 1943
Weihnachten 1943
Eichwalde, 23.Dezember 1943
Die Einflüge der feindlichen Kampfverbände (so die Nennung im Rundfunk) im Gebiet Hannover-Braunschweig zeigten an, daß wir in und um Berlin in Kürze wieder Ziel der Britischen oder Amerikanischen Bomber sein werden.
Die Zeit war üblich, also werden sie zwischen 22 und 24 Uhr wieder hier sein. Mutter sprang im Wohnzimmer auf – mit irgendeiner Tätigkeit beschäftigt, hatte sie darauf gewartet. Aber nun trieb es sie die Treppe hinauf, uns Kinder zu wecken … und sofort zur Toilette zu springen – das war immer das Spiel.
Und die Sirenen heulten los. Wir Großen waren angezogen, den kleineren Geschwistern wurde noch geholfen. Das Bettzeug wurde zusammengerollt. Hinunter damit und los hinaus ins Dunkle, um das Haus herum zum Keller.
Den Keller hatte Vater mit seinem Vetter, einem Steiger, bergmännisch abgestützt und verschalt und Betten eingebaut. Wir hatten so unsere Betten da unten.
Wir waren gerade im Keller untergebracht, da kamen auch schon die Bomber. Kurz nach Mitternacht war der Spukt für diese Nacht vorbei, Entwarnung heulten die Sirenen. Also auf, wieder ab nach oben. Die kleineren Geschwister taten uns leid, mußten sie doch wieder durch die Nacht zurück ins Haus getragen werden.
24.Dezember 1943=04:00
Überraschung!
Zum zweiten Mal in dieser Nacht Alarm. Wieder Marsch-Marsch in den Keller.
Wir waren kaum unten, ich stand im Treppenaufgang zum Keller, um dem Spiel des gebündelten Lichtes der Scheinwerfer zuzuschauen. Nicht ungefährlich, denn wenn die Flak schoß, könnten einen ja Granatsplitter treffen.
Man hörte das Brummen der Flugzeuge, es kam näher, „Pfadfinder“ hatten schon die „Christbäume“ gesetzt (an Fallschirmen gruppierte Leuchtkugeln), wir lagen in mitten des damit gekennzeichneten Zielgebietes.
Wir verkrochen uns. Ich blieb nicht oben. Die Flak ballerte heute anders: die Batterien der Eisenbahn-Flak vom Betriebsbahnhof Schöneweide standen hier in Eichwalde am Bahnhof.
Abschüsse und Bombeneinschläge wechselten einander, hoben im Keller die Decke an, der Putz rieselte durch die Verschalung, das Gerüst hielt die Erschütterungen aus.
Bis sechse lief da der Zirkus ab, bis Entwarnung kam.
Der Himmel rot, es roch, es stank nach Brand. Nachbarn liefen herum – in der Schillerstraße hatte es das Haus mit den alten Damen erwischt. Nachbar Bär rannte schon los zum Löschen.
Ich mußte als erster unser Haus inspizieren, ob da nichts war, was brannte (ich hatte davor immer Schiss!).
Mutter setzte sich den Luftschutzhelm auf, hängte sich die Gasmaske und ihre Rote-Kreuz-Tasche um, gab den Geschwistern den Hinweis zum Umziehen ins Haus. Mir drückte sie zwei Eimer in die Hand, und wir liefen zur Brandstelle. Man räumte aus dem Haus, was zu retten noch möglich war.
Die Feuerwehr kam nicht, die war nach Großbeeren ausgerückt.
Und als wir nach Hause gehen wollten, es war inzwischen hell geworden, wurden wir zu einer Laube und noch einer anderen gerufen:
Schwelbrand, da hatte Leutchen aus Berlin in ihre Lauben Mobiliar gerettet, das brannte nun ab, keine Feuerwehr, also Luftschutzspritze und Sand zum Löschen.
Der ganze Tag verging, Löschen hier und Löschen da. Es wurde dunkel, als Mutter und ich nach Hause gingen, verschmutzt, verklebt, müde.
Im Wohnzimmer saßen die Geschwister und warteten auf uns. Babs hatte mit Nörli den Baum geschmückt, da waren wieder die WHW-Figuren in den Baum gehängt, das im Vorjahr sorgsam eingesammelte Lametta war, wie wir es gelernt hatten, einzeln – nie büschelweise – über die Zweige gehängt, auch die Kerzen waren schon angebracht.
Wie glücklich waren wir von der Arbeit zurück. Erst gegen achte kam unser Vater aus Berlin vom Dienst aus der Kaserne, die S-Bahn hatte auch Schäden zu verzeichnen. Da standen wir unterm Tannenbaum – wie jedes Jahr wieder bis zur Decke reichend. Aber so richtig wollte das Singen nicht klappen.
Wir waren aber zusammen und heil. Tage später fanden wir ein Loch in etwa einen Meter Abstand vom Haus im gefrorenen Boden: eine ausgebrannte Stabbrandbombe hatte unser Haus verfehlt, verschont.
Tage danach
In der Schule blieben in unserer Klasse drei Plätze frei. Eine Luftmine hatte das große Haus in der Taut-Siedlung getroffen. Als Pimpfe standen wir auf dem Friedhof bei der Beerdigung der 30 (?) Todesopfer Spalier.
Und später
Am 16.Januar 1944 war Eichwalde wieder Ziel eines Angriffes. Da verfügte Mutter das Evakuieren der Familie nach Erbach im Odenwald zu ihrer Schwester.
Darüber ein anderes Mal weiter.
ortwin
Eichwalde, 23.Dezember 1943
Die Einflüge der feindlichen Kampfverbände (so die Nennung im Rundfunk) im Gebiet Hannover-Braunschweig zeigten an, daß wir in und um Berlin in Kürze wieder Ziel der Britischen oder Amerikanischen Bomber sein werden.
Die Zeit war üblich, also werden sie zwischen 22 und 24 Uhr wieder hier sein. Mutter sprang im Wohnzimmer auf – mit irgendeiner Tätigkeit beschäftigt, hatte sie darauf gewartet. Aber nun trieb es sie die Treppe hinauf, uns Kinder zu wecken … und sofort zur Toilette zu springen – das war immer das Spiel.
Und die Sirenen heulten los. Wir Großen waren angezogen, den kleineren Geschwistern wurde noch geholfen. Das Bettzeug wurde zusammengerollt. Hinunter damit und los hinaus ins Dunkle, um das Haus herum zum Keller.
Den Keller hatte Vater mit seinem Vetter, einem Steiger, bergmännisch abgestützt und verschalt und Betten eingebaut. Wir hatten so unsere Betten da unten.
Wir waren gerade im Keller untergebracht, da kamen auch schon die Bomber. Kurz nach Mitternacht war der Spukt für diese Nacht vorbei, Entwarnung heulten die Sirenen. Also auf, wieder ab nach oben. Die kleineren Geschwister taten uns leid, mußten sie doch wieder durch die Nacht zurück ins Haus getragen werden.
24.Dezember 1943=04:00
Überraschung!
Zum zweiten Mal in dieser Nacht Alarm. Wieder Marsch-Marsch in den Keller.
Wir waren kaum unten, ich stand im Treppenaufgang zum Keller, um dem Spiel des gebündelten Lichtes der Scheinwerfer zuzuschauen. Nicht ungefährlich, denn wenn die Flak schoß, könnten einen ja Granatsplitter treffen.
Man hörte das Brummen der Flugzeuge, es kam näher, „Pfadfinder“ hatten schon die „Christbäume“ gesetzt (an Fallschirmen gruppierte Leuchtkugeln), wir lagen in mitten des damit gekennzeichneten Zielgebietes.
Wir verkrochen uns. Ich blieb nicht oben. Die Flak ballerte heute anders: die Batterien der Eisenbahn-Flak vom Betriebsbahnhof Schöneweide standen hier in Eichwalde am Bahnhof.
Abschüsse und Bombeneinschläge wechselten einander, hoben im Keller die Decke an, der Putz rieselte durch die Verschalung, das Gerüst hielt die Erschütterungen aus.
Bis sechse lief da der Zirkus ab, bis Entwarnung kam.
Der Himmel rot, es roch, es stank nach Brand. Nachbarn liefen herum – in der Schillerstraße hatte es das Haus mit den alten Damen erwischt. Nachbar Bär rannte schon los zum Löschen.
Ich mußte als erster unser Haus inspizieren, ob da nichts war, was brannte (ich hatte davor immer Schiss!).
Mutter setzte sich den Luftschutzhelm auf, hängte sich die Gasmaske und ihre Rote-Kreuz-Tasche um, gab den Geschwistern den Hinweis zum Umziehen ins Haus. Mir drückte sie zwei Eimer in die Hand, und wir liefen zur Brandstelle. Man räumte aus dem Haus, was zu retten noch möglich war.
Die Feuerwehr kam nicht, die war nach Großbeeren ausgerückt.
Und als wir nach Hause gehen wollten, es war inzwischen hell geworden, wurden wir zu einer Laube und noch einer anderen gerufen:
Schwelbrand, da hatte Leutchen aus Berlin in ihre Lauben Mobiliar gerettet, das brannte nun ab, keine Feuerwehr, also Luftschutzspritze und Sand zum Löschen.
Der ganze Tag verging, Löschen hier und Löschen da. Es wurde dunkel, als Mutter und ich nach Hause gingen, verschmutzt, verklebt, müde.
Im Wohnzimmer saßen die Geschwister und warteten auf uns. Babs hatte mit Nörli den Baum geschmückt, da waren wieder die WHW-Figuren in den Baum gehängt, das im Vorjahr sorgsam eingesammelte Lametta war, wie wir es gelernt hatten, einzeln – nie büschelweise – über die Zweige gehängt, auch die Kerzen waren schon angebracht.
Wie glücklich waren wir von der Arbeit zurück. Erst gegen achte kam unser Vater aus Berlin vom Dienst aus der Kaserne, die S-Bahn hatte auch Schäden zu verzeichnen. Da standen wir unterm Tannenbaum – wie jedes Jahr wieder bis zur Decke reichend. Aber so richtig wollte das Singen nicht klappen.
Wir waren aber zusammen und heil. Tage später fanden wir ein Loch in etwa einen Meter Abstand vom Haus im gefrorenen Boden: eine ausgebrannte Stabbrandbombe hatte unser Haus verfehlt, verschont.
Tage danach
In der Schule blieben in unserer Klasse drei Plätze frei. Eine Luftmine hatte das große Haus in der Taut-Siedlung getroffen. Als Pimpfe standen wir auf dem Friedhof bei der Beerdigung der 30 (?) Todesopfer Spalier.
Und später
Am 16.Januar 1944 war Eichwalde wieder Ziel eines Angriffes. Da verfügte Mutter das Evakuieren der Familie nach Erbach im Odenwald zu ihrer Schwester.
Darüber ein anderes Mal weiter.
ortwin
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