Verwunschene Gedanken XXIV.


Verwunschene Gedanken XXIV.
 
Die weiße Hochzeit
 
 
Es war ein Sonnabend, dieser 07.Juli, die Sommerhitze war unerträglich, nirgendwo war es im Augenblick angenehmer als in der Kühle der alten Kirche. Sie schien an diesem Nachmittag ein wahres Labsal gegenüber der Temperaturen des Julitages zu sein.
        Draußen, vor dem Westportal, versuchte eine ansehnliche Menge von wartenden Besuchern im Schatten der hohen Mauern der glühenden Sonnenstrahlung ein wenig aus dem Wege zu gehen. Sie warteten mehr oder weniger geduldig auf das Eintreffen der Hauptpersonen dieses Events.
        Warum musste es gerade so heiß an diesem Tag sein? Gewiss - die Witterung konnte man nicht beeinflussen. Den Supertermin allerdings hatten die Brautleute auf den 07.07.07 gelegt, es war ein Aktionstag für Zahlen - wie so oft in unserem »aufgeklärten« Jahrhundert!
        Angehende Eheleute glauben vielleicht, das würde eine Richtschnur sein für ein glückliches Eheleben. Welch ein Aberglauben steckt doch dahinter, so etwas zu denken! (Mag ja auch sein, der Mann vergisst den Tag nicht so leicht?)
Da kommt die weiße Kutsche mit dem Vierergespann die Straße zum Kirchenportal entlang! Ein Raunen geht durch die Menge der wartenden Gäste - welch ein himmlisches Bild in dieser Umgebung. In herrlichem weißen Kleid mit Schleppe die Braut, den Myrtenkranz im Haar; der Bräutigam mit Smoking und Zylinder auf dem Kopf.
        Alle Gäste der Gesellschaft applaudieren, überall Lachen und Heiterkeit. Die Hochzeitsgesellschaft stellt sich auf, dann zieht die ganze festliche Gemeinschaft unter den Orgelklängen des Hochzeitsmarsches von Mendelssohn Bartholdy und dem Regen von gestreuten Blüten gemessenen Schrittes in die Kirche ein.
        Es ist schon ein imposantes Bild, dass sich da vor meinen Augen auftut. Meist ist solch eine Trauung schlichter und nicht so aufwendig. Hier aber wurde von den Gärtnern der Stadt ein Wunderwerk an Dekoration geschaffen! Von den etwa 400 Trauungen, die ich begleiten durfte, ist dies wohl die prachtvollste - das ist unbestritten
        Nach etwa einer knappen Stunde, nach den Trauungs-Formalitäten, den diversen Solovorträgen einiger Gäste geht dann diese Festlichkeit dem Ende zu. Den Segen kann schon keiner mehr erwarten - die Ungeduld ist schier auf dem Höhepunkt!
        Unter den Orgelklängen der Toccata und Fuge in D minor von Bach zieht die ganze Gesellschaft wieder hinaus in die Hitze des Julitages. Vorbei ist das ganze Geschehen aber noch lange nicht, in der Sonnenglut warten noch diverse Fotografen auf ihre bestellten und auch nicht bestellten Möglichkeiten, alles hübsch in beeindruckenden Bildern festzuhalten.
        Etwa 3 kg Reiskörner liegen vor dem Portal der Kirche malerisch auf der Straße, als »Glückssymbole« drapieren sie den Weg des jungen Ehepaares ...
~~~
        Als ich die Kirche danach wieder betrete, sehe ich in der vorletzten Bankreihe eine ältere Frau sitzen, einfach gekleidet und mit verweinten Augen passt sie so gar nicht zu den festlichen Augenblicken, die soeben hier abliefen.
Ich frage sie, ob ich helfen kann. Sie schüttelt stumm den Kopf. Dann flüstert sie leise, kaum verständlich. »Ich bin ihre Mutter ...«
Ich habe schon viel in meiner Zeit im kirchlichen Dienst erlebt - hierzu jedoch konnte ich nur ihre abgearbeitete Hand drücken …


©by H.C.G.Lux
 

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Kommentare (10)

ladybird

auch ich habe lange über Deine Geschichte nachgedacht,
lieber Horst
und ich landete in einem Gefühlschaos. Bis ich zu der Erkenntnis kam, man muss wirklich beide Seiten kennen, um sich ein Urteil erlauben zu können.....
Egal weshalb auch immer: tragisch und traurig bleibt diese, Deine diesbezügliche
Erfahrung (wie wir inzwischen wissen)
mit Dank und Gruß aus Köln
Renate
 

Pan

Das Leben spielt so manches Mal den verschiedenen Seiten übel mit. Oft ist es nur ein falsches Verständnis - und schon ist ein Bruch da.
Wer weiß immer, wie es wirklich war? -
fragt mit Grüßen
an Dich - Horst

Pan

Ich möchte zu dieser Geschichte bemerken, dass ich sie tatsächlich so erlebt habe!
Das Zerwürfnis in der Familie lag schon 4 Jahre zurück, seit das Ehepaar sich trennte und die Tochter zum Vater zog, da sie dort mehr Freiheiten hatte.

(Nebenbei gesagt: Die Ehe der jungen Frau wurde bereits nach 3 Jahren wieder geschieden! Das - so wurde mir berichtet, hatte ihre Mutter vorausgesagt, da sie die entspr. Familie bestens kannte ...)
Wer weiß schon, was in den Familien vorgeht - es geht auch niemand etwas an!

Christine62laechel

@Pan  

Mein Kommentar betraf natürlich nicht diese echte Familie, sondern nur den Eintrag - der fiktiv sein könnte.

Mit Grüßen
Christine

Muscari

@Pan  

Danke Dir für die nähere Erläuterung.
Dazu nur so viel:
Meine Oma väterlicherseits hasste meine Mutter, weil sie ihr ihren einzigen Sohn "genommen" hatte.
Ich weiß nicht, ob sie bei der Hochzeit meiner Eltern anwesend war. Auf jeden Fall ist der Hass zwischen den beiden Frauen später eskaliert, was ich teilweise miterleben musste. Ein Kapitel für sich.
Andrea

Christine62laechel


Nichts ist einfach... Natürlich könnte man denken: Die arme Mama, wie konnten die jungen Leute sie so behandelt haben. Die Mama konnte aber auch so ein Menschentyp gewesen sein, die anderen Menschen, auch ihren eigenen Kindern, immer wieder etwas Böses angerichtet hat. Ich weiß gut, wie ich das meine, in meiner Familie gab es zwei solche Personen. Und wenn sich dann die Tochter oder der Sohn endlich entschieden haben, mit ihr abzubrechen, wird aus einer strengen Obermutter plötzlich ein kleines Mädchen, das in der Umgebung Mitleid erwecken will - und es auch findet. Dabei hat sie natürlich dem Jungen Paar ihren Schönsten Tag verdorben, denn sie wussten wahrscheinlich, dass sie da sitzt, und Eindruck macht. Unangenehm; hätten sie aber nicht genug Mut gehabt, würden sie wahrscheinlich ihr Leben lang noch mit ihrer Laune zu tun haben müssen... Wer weiß, wie das wirklich war.


tes.jpg

Roxanna

@Christine62laechel  

Ja, liebe Christine, auch das ist möglich, was du schreibst. Wenn man die Hintergründe nicht kennt, weiß man nicht wirklich, wie es zu dieser Situation kam.

Lieben Gruß
Brigitte

Muscari


Lieber Horst,

es ist unfassbar, dass diese Mutter bei der großartigen Hochzeit ihrer Tochter so alleine zurückbleibt.
Das wirft unendlich viele Fragen auf
Wieso, weshalb, warum???
Zu gerne hätte ich mich neben sie gesetzt und mit ihr ein Gespräch begonnen.

Im Übrigen finde ich das obige Bild farblich wunderschön und danke Dir für diesen gedankenschweren Beitrag.
Andrea

 

Roxanna

Von solchen Brüchen in der Familie, lieber Horst, liest und hört man immer wieder. Wie herzlos muss man sein, um so etwas fertigzubringen. Schwer vorstellbar, dass darauf Segen liegen kann.

Lieben Gruß
Brigitte

Rosi65

Ach Horst,

es ist einfach beschämend und erbärmlich, wenn man seine eigene Herkunft und das Elternhaus versucht zu verleugnen! 😡
Gerade bei der eigenen Hochzeitsfeier sollte doch wohl das eigene Mütterlein als Ehrengast eingeladen werden.

Rosi65


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