„Die ham nich e mal een Chrisboom!“
„Die ham nich e mal een Chrisboom!“
Im ostmeißnischen Dialekt, der Sprache des Radeberger Landes, ist der „Chrisboom“ seit etwa 180 Jahren bekannt. Im 17. Jahrhundert aus Straßburg kommend, löste er in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Weihnachtspyramide ab. Selten hat sich das Einführen neuen Brauchtums so rasch verbreitet, wie mit dem Weihnachtsbaum. „Die ham nich e mal een Chrisboom!“, war ein Makel, sodass nahezu jeder einen Baum in der Stube, in Häuslerwohnungen in der Küche, aufstellte, am Anfang gab es auch Versuche ihn am der Decke aufzuhängen.
Zunächst war es vielfach die Tanne, sie kam aus Bayern, dem Vogtland oder Schlesien. Die Fichte brachte damals im Volksaberglauben noch Unglück. Für das Heidewaldgebiet im Dresdener Raum ist jedoch auch schon die Kiefer bezeugt (1856 Ottendorfer Kirche). Der gusseiserne Baumständer kam ausgangs des 19. Jahrhunderts auf und schuf damit eine sichere Grundlage des Aufstellens eines Christbaums. In der Meißner Gegend setzten vielfach die Bauern auch den Baum in einen Topf mit feuchtem Sand. Äpfel, Nüsse, Pfefferkuchen, Oblaten und Teigfiguren (Plätzchen) hingen ursprünglich am Baum. Weißes Mehl mit Wasser, kaum Zucker, nach dem Backvorgang mit kräftigen Farben angemalt, das war in den Bauernstuben, vor allem bei den Häuslern und Kleinbauern üblich. Aber zum Essen musste immer etwas am Baum hängen. Bezeugt ist der Ausspruch aus Ottendorf „E Boom ohne Fresserei, is keen Boom!“
Mit der Glasentwicklung ab 1865 und dem Stanniol um 1890 ging eine völlig neue „Schmückkultur“ einher. Dennoch dominierte noch lange der grüne, bunt behangene Baum, der „weiße Baum“ blieb den Städtern und reicheren Familien vorbehalten. Aus der gesamten Vierfalt lässt sich auch eine Art „Familienkultur“ ableiten.
Den Baum selbst mussten 12 oder 24 Kerzen, auf jeden Fall eine gerade Zahl, schmücken. Ansonsten ist das Unglück vorprogrammiert. Ursprünglich durften die Kerzen nur mit einem Holzspan angezündet werden, auch ein Streichholz bringt Unglück. Da das offene Herdfeuer zunehmend aus den Haushalten verschwand, ging dieser Glaube verloren. Wenn ein Licht vor dem Anzünden verlischt, bringt auch das Unglück. Eigentlich sollten die Kerzen nur am 24. Dezember und den folgenden drei Feiertagen beim Abendessen brennen. Obwohl der dritte Weihnachtsfeiertag 1806 durch Napoleon abgeschafft wurde, blieb er zumindest im Sprachgebrauch erhalten, zumal ursprünglich der 27. Dezember der Tag des Stollenanschneidens waer. Das Aufkommen der elektrischen Beleuchtung zu Beginn des 20. Jahrhunderts ließ die überkommenden Überlegungen immer mehr in den Hintergrund treten, obwohl es in den 1960er Jahren noch eine Vielzahl von Familien gab, die auf das „natürliche Licht“, sprich Kerzen schworen.
Bis zum 6. Januar sollte er auf jeden Fall stehen bleiben und in der Radeberger Region durften die Kinder oft erst zu diesem Zeitpunkt den Baum leeren. Mancherorts diente der abgenadelte Baum auf dem Hausboden aufgerstellt als Gewitterschutz. Aus den verschiedenen Teilen wurde auch Quirle oder Haken gefertigt. Auch sollte man ihn wegen des Glücks nicht zerhacken. Ein Verbrennen im Ofen war schon gar nicht möglich, wer verbrennt einen Glücksbringer? Das heute in unserer Region seit etwa zwanzig Jahren zu beobachtende Weihnachtsbaumbrennen als kleines Volks- und Begegnungsfest hätte unsere Vorfahren auf jeden Fall entsetzt. Aber vielleicht hätten sie ja bei einem kostenlosen Glühweintrunk wie er heute oft dazu angeboten wird, auch nicht „Nein“ gesagt.
Die Hauptaussagen zu diesem Thema entstanden aus mir bekannten Volkstumsaufzeichnungen aus den Jahren 1928 bis 1934.
Der Weihnachtsbaum in Daten:
1539 Aufstellen eines Weihnachtsbaums im Straßburger Münster
Um 1605 im Elsass allgemeiner Brauch
1774 In Goethes Werk „Die Leiden des jungen Werthers“ wird ein „aufgeputzter Baum“ zu Weihnachten erwähnt.
1806 Napoleon lässt einen „geschmückten Tannenbaum“ im Dresdener Schloss aufstellen.
Im Gegensatz zur katholischen Kirche, der oft große Wälder als Ausstattung gehörten und damit ein Abholzen untersagen, wird der Tannenbaum in evangelischen Gegenden nach 1840 allgemein, nach 1860 auch Fichten und Kiefern im Gebrauch
In unserer Gegend bezeugt: 1856 Ottendorfer Kirche, wahrscheinlich 1869 Radeberger Ratsstube, 1872 Hermsdorfer Schloss
Nach 1875 Beginn einer umfangreichen Schmückkultur, da durch die Industrialisierung in Sachsen Lametta und Glaskugeln als Massenware immer preiswerter zu kaufen waren.
1919 – Beschluss des Deutschen Reichstages in jeder Stadt und jedem Dorf einen „öffentlichen Weihnachtsbaum“ aufzustellen, damit nach dem Krieg jedes Kind die Möglichkeit hat, einen solchen Baum mit Lichtern zu erleben. Zugleich war es der Beginn, dass es keinen Weihnachtmarkt mehr ohne Baum gab.
1935 – Die NS – Machthaber erlassen eine Anordnung den Gebrauch des Wortes „Christ“ in der Verbindung mit Weihnachten zu vermeiden. Dadurch wird das Wort „Weihnachtsbaum“ üblicher, obwohl sprachlich der „Christbaum“ nicht verschwindet.
haweger
Im ostmeißnischen Dialekt, der Sprache des Radeberger Landes, ist der „Chrisboom“ seit etwa 180 Jahren bekannt. Im 17. Jahrhundert aus Straßburg kommend, löste er in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Weihnachtspyramide ab. Selten hat sich das Einführen neuen Brauchtums so rasch verbreitet, wie mit dem Weihnachtsbaum. „Die ham nich e mal een Chrisboom!“, war ein Makel, sodass nahezu jeder einen Baum in der Stube, in Häuslerwohnungen in der Küche, aufstellte, am Anfang gab es auch Versuche ihn am der Decke aufzuhängen.
Zunächst war es vielfach die Tanne, sie kam aus Bayern, dem Vogtland oder Schlesien. Die Fichte brachte damals im Volksaberglauben noch Unglück. Für das Heidewaldgebiet im Dresdener Raum ist jedoch auch schon die Kiefer bezeugt (1856 Ottendorfer Kirche). Der gusseiserne Baumständer kam ausgangs des 19. Jahrhunderts auf und schuf damit eine sichere Grundlage des Aufstellens eines Christbaums. In der Meißner Gegend setzten vielfach die Bauern auch den Baum in einen Topf mit feuchtem Sand. Äpfel, Nüsse, Pfefferkuchen, Oblaten und Teigfiguren (Plätzchen) hingen ursprünglich am Baum. Weißes Mehl mit Wasser, kaum Zucker, nach dem Backvorgang mit kräftigen Farben angemalt, das war in den Bauernstuben, vor allem bei den Häuslern und Kleinbauern üblich. Aber zum Essen musste immer etwas am Baum hängen. Bezeugt ist der Ausspruch aus Ottendorf „E Boom ohne Fresserei, is keen Boom!“
Mit der Glasentwicklung ab 1865 und dem Stanniol um 1890 ging eine völlig neue „Schmückkultur“ einher. Dennoch dominierte noch lange der grüne, bunt behangene Baum, der „weiße Baum“ blieb den Städtern und reicheren Familien vorbehalten. Aus der gesamten Vierfalt lässt sich auch eine Art „Familienkultur“ ableiten.
Den Baum selbst mussten 12 oder 24 Kerzen, auf jeden Fall eine gerade Zahl, schmücken. Ansonsten ist das Unglück vorprogrammiert. Ursprünglich durften die Kerzen nur mit einem Holzspan angezündet werden, auch ein Streichholz bringt Unglück. Da das offene Herdfeuer zunehmend aus den Haushalten verschwand, ging dieser Glaube verloren. Wenn ein Licht vor dem Anzünden verlischt, bringt auch das Unglück. Eigentlich sollten die Kerzen nur am 24. Dezember und den folgenden drei Feiertagen beim Abendessen brennen. Obwohl der dritte Weihnachtsfeiertag 1806 durch Napoleon abgeschafft wurde, blieb er zumindest im Sprachgebrauch erhalten, zumal ursprünglich der 27. Dezember der Tag des Stollenanschneidens waer. Das Aufkommen der elektrischen Beleuchtung zu Beginn des 20. Jahrhunderts ließ die überkommenden Überlegungen immer mehr in den Hintergrund treten, obwohl es in den 1960er Jahren noch eine Vielzahl von Familien gab, die auf das „natürliche Licht“, sprich Kerzen schworen.
Bis zum 6. Januar sollte er auf jeden Fall stehen bleiben und in der Radeberger Region durften die Kinder oft erst zu diesem Zeitpunkt den Baum leeren. Mancherorts diente der abgenadelte Baum auf dem Hausboden aufgerstellt als Gewitterschutz. Aus den verschiedenen Teilen wurde auch Quirle oder Haken gefertigt. Auch sollte man ihn wegen des Glücks nicht zerhacken. Ein Verbrennen im Ofen war schon gar nicht möglich, wer verbrennt einen Glücksbringer? Das heute in unserer Region seit etwa zwanzig Jahren zu beobachtende Weihnachtsbaumbrennen als kleines Volks- und Begegnungsfest hätte unsere Vorfahren auf jeden Fall entsetzt. Aber vielleicht hätten sie ja bei einem kostenlosen Glühweintrunk wie er heute oft dazu angeboten wird, auch nicht „Nein“ gesagt.
Die Hauptaussagen zu diesem Thema entstanden aus mir bekannten Volkstumsaufzeichnungen aus den Jahren 1928 bis 1934.
Der Weihnachtsbaum in Daten:
1539 Aufstellen eines Weihnachtsbaums im Straßburger Münster
Um 1605 im Elsass allgemeiner Brauch
1774 In Goethes Werk „Die Leiden des jungen Werthers“ wird ein „aufgeputzter Baum“ zu Weihnachten erwähnt.
1806 Napoleon lässt einen „geschmückten Tannenbaum“ im Dresdener Schloss aufstellen.
Im Gegensatz zur katholischen Kirche, der oft große Wälder als Ausstattung gehörten und damit ein Abholzen untersagen, wird der Tannenbaum in evangelischen Gegenden nach 1840 allgemein, nach 1860 auch Fichten und Kiefern im Gebrauch
In unserer Gegend bezeugt: 1856 Ottendorfer Kirche, wahrscheinlich 1869 Radeberger Ratsstube, 1872 Hermsdorfer Schloss
Nach 1875 Beginn einer umfangreichen Schmückkultur, da durch die Industrialisierung in Sachsen Lametta und Glaskugeln als Massenware immer preiswerter zu kaufen waren.
1919 – Beschluss des Deutschen Reichstages in jeder Stadt und jedem Dorf einen „öffentlichen Weihnachtsbaum“ aufzustellen, damit nach dem Krieg jedes Kind die Möglichkeit hat, einen solchen Baum mit Lichtern zu erleben. Zugleich war es der Beginn, dass es keinen Weihnachtmarkt mehr ohne Baum gab.
1935 – Die NS – Machthaber erlassen eine Anordnung den Gebrauch des Wortes „Christ“ in der Verbindung mit Weihnachten zu vermeiden. Dadurch wird das Wort „Weihnachtsbaum“ üblicher, obwohl sprachlich der „Christbaum“ nicht verschwindet.
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