Trampen verboten!
Sechzehn Jahre jung und Ferienbeginn....juchuuuu!
Eine Tante meiner Freundin Monika aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Göttingen hatte uns eingeladen, die Hälfte unserer Ferien bei ihr zu verbringen. Warum nicht? Sie war sehr nett und konnte sensationellen Rhabarberkuchen backen.
Unsere Eltern hatten sich eine Zugfahrt von Essen nach Göttingen (wir lebten damals im Ruhrgebiet) vorgestellt, dort sollten wir abgeholt werden. Zu der Zeit sah es im Geldbeutel von Monika und mir immer ein bisschen dürftig aus. Wir hatten zwar neben der Schule ein wenig gejobbt, von zu Hause bekamen wir auch etwas finanzielle Unterstützung, das heißt, was die Eltern für angemessen hielten, aber das war für heutige Verhältnisse nicht viel.
Es war irgendwie durchgesickert, dass Monika und ich uns Gedanken ums Trampen machten. Strikt wurde uns dieses untersagt, stattdessen wurden uns Bahnkarten Essen - Göttingen und zurück spendiert.
Viel zu früh standen wir am Essener Hauptbahnhof. Da wollten wir nur mal so nachfragen, rein theoretisch natürlich, ob man die Karten zurückgeben könnte. Man konnte (damals sogar so kurzfristig). Keine Frage, natürlich war das nicht in Ordnung, was wir nun taten, aber in diesem Moment war die Aussicht sehr verlockend, während der Ferien etwas mehr Geld zur Verfügung zu haben. Wir gaben also die Karten zurück, bekamen Bargeld ausgezahlt und gingen mit unseren Rucksäcken zu der B 1, sie verlief südlich vom Hauptbahnhof, das ist ein Abschnitt der heutigen A 40.
Ach die Eltern mit ihren übertriebenen Ängsten! Wir fanden uns einfach alt genug, selbst auf uns aufzupassen. Außerdem waren wir ja schließlich zu zweit und würden natürlich nicht zu jedem ins Auto steigen, bevorzugt zu Frauen oder Paaren, und wir hatten ja schließlich auch Menschenkenntnis. Wir hatten auf der Hin- und Rückfahrt Glück, lernten fremde Menschen für eine kurze Zeit kennen, fanden es irgendwie spannend.
Weil alles so gut geklappt hatte, trampten wir auch während unseres Aufenthaltes bei der Tante weiter, schließlich konnte man so eine Menge Geld sparen. Bis.......ja, bis etwas geschah, das uns doch nachdenklich machte.
Wir hatten uns in Hannoversch Münden, einem etwa 15 km vom Dorf der Tante entfernten schnuckeligen Fachwerkstädtchen am Zusammenfluss der Fulda und Werra, die dann die Weser wird, einer altersgemäßen Clique angeschlossen und verbrachten täglich Zeit mit ihr zusammen. Da der letzte Bus abends nach unserem Verständnis zu früh zurückfuhr, nahm uns eine Angestellte eines Lokals, die unseren neuen Freunden bekannt war, täglich mit und setzte uns entsprechend ab.
In der letzten Woche hatte unsere "Taxi Fahrerin" einmal frei. Ach, irgendjemand würde uns schon mitnehmen, da waren wir sicher.
Ein für unser jugendliches Alter älterer Mann bot sich später für die Rückfahrt an, er war einigen bekannt, allerdings nur vom Sehen. Er war uns unsympathisch, er schaute während des Sprechens niemanden direkt an, immer seitlich vorbei und schnaufte. Dieses Mal fiel es uns schwer mitzufahren, aber es war schon sehr spät geworden, und wir wollten keinen Ärger mit den Verwandten meiner Freundin. Die ganze Clique stand um das Auto herum, wir waren nicht die einzigen, denen es nicht wohl war bei dieser Fahrt. Einer notierte sich sogar das Kennzeichen.
Die Fahrt fing auch schon merkwürdig an. Unser Fahrer starrte mit aufgerissenen, großen Augen in die nur von den Scheinwerfern erhellte Dunkelheit. Die Straße von Hann.-Münden bis zu unserem Ferienaufenthalts Ort war damals unbewohnt, führte einmal durch ein Wäldchen. Das Fahrzeug war eine Art Bulli, in dem wir auf dem Vordersitz zu dritt saßen, ich in der Mitte. Nach kurzer Zeit spürte ich die wulstigen Finger des Mannes auf meinem Oberschenkel. Mit der rechten Hand hielt ich fest die Hand meiner Freundin, mit der linken schob ich die aufdringliche Männerhand zur Seite. Immer wieder machte er Annäherungsversuche, auf einmal fuhr er in dem kleinen Wäldchen rechts ran und stieg aus. Kein weiteres Auto war zu sehen. Wir krallten unsere Hände ineinander, hatten Angst. "Was machen wir jetzt?" Wir drehten uns um und.....schauten in das gruselig beleuchtete Gesicht des Mannes auf der Rückseite des Fahrzeugs. Was machte der da? Voller Panik sprangen wir aus dem Auto und liefen auf die andere Straßenseite in das Wäldchen, das uns aber, wie wir es jetzt bemerkten, keinen Sichtschutz bot, da es kein Gebüsch gab.
"Wo wollt ihr denn hin, Mädchen?" rief die Männerstimme hinter dem Auto. "Ihr könnt doch in der Nacht nicht hier alleine bleiben....". Zögerlich kam wir zurück, da erklärte uns der Fahrer, dass er nur austreten musste, das hatte er hinter dem Auto erledigt.
Wie peinlich!! Na ja, so peinlich auch wiederum nicht, denn er hatte sich ja schließlich vorher ganz schön übergriffig verhalten.
Die restliche Rückfahrt verlief ohne störende Komplikationen, aber wir waren immer noch ein wenig geschockt. Es war der erste Zwischenfall, bei dem wir merkten, dass, wenn der Mann andere Absichten gehabt hätte, es für uns sehr ernst geworden wäre.
Irgendwie waren wir damals ein bisschen naiv und leichtsinnig, das ist mir später klar geworden. Als meine Tochter Julia so etwa in mein damaliges Alter kam, habe ich mit ihr übers Trampen gesprochen, und sie gebeten, es auf keinen Fall zu tun. Sie antwortete mir: "Da mach dir mal keine Sorgen, ich bin doch nicht lebensmüde......"
Nachtrag: Da konnte man etwas "plumpsen" hören.......
Sommerzauber/She
Aus "Jugenderinnerungen"......
Kommentare (8)
@Willi P
So einer warst du... soso... 😁, guten Morgen Willi😊.
Bei uns war es so, dass wir während dieser Ferien auf den Geschmack gekommen sind, bei uns spielte das Finanzielle schon eine Rolle.
Liebe Grüße.... Katharina 😊🌸
Hallo Kathy
Ja dieses trampen war schon immer ein kleines Abendteuer. Aber für junge Dame sicher nicht ungefährlich. Gut kann man es heute als gute Errinerung erzählen. Lb. Grüsse Cornelis
@Vandie48
Lieber Cornelis,
nein, ungefährlich war es auch damals sicher nicht, auch wenn wir nur zu zweit getrampt sind. Gottseidank haben wir Glück gehabt.
Liebe Grüße....Kathi
Liebe Katharina,
sicher haben eure Eltern nie etwas von der heimlichen Tramperei und dem Ticket-Umtausch erfahren, denn sonst hättet ihr bestimmt mindestens 30 Jahre „Stubenarrest“ bekommen!😨😅
Natürlich waren wir früher auch keine braven Engelchen und sind, allerdings um einige Jahre älter, auch gerne per Anhalter in die Discos der Nachbarstädte gefahren. Das galt damals nämlich als ziemlich cool wenn man in der Clique mitreden wollte.
Als Warnung galt stets: Niemals allein, nicht zu älteren Herren (so ab 35 Jahren) und auf gar keinen Fall in einem teuren Auto, z. B. Mercedes, einzusteigen.
Zum Glück ist uns dabei aber nie etwas Böses passiert.
Herzliche Grüße
Rosi65
@Rosi65
Liebe Rosemarie,
du hast Recht, es ist nicht heraus gekommen, dass wir getrampt sind. Zumindest nicht in diesem Jahr 😁. Ein wenig leichtsinnig waren wir schon, das haben wir damals aber nicht so empfunden, bis auf diese unangenehme Geschichte (siehe oben), da sind wir doch ein wenig nachdenklich geworden.
Vielen Dank fürs Lesen und deinen Kommentar.
Katharina
Liebe Katharina, wenn ich mich daran erinnere, wie oft ich in meiner Jugendzeit per Anhalter gefahren war, wird es mir unangenehm. Oft allein, das war so leichtsinnig. Ich muss schon sagen, dass ich immer Glück hatte: alle Autofahrer:innen und andere Personen waren sehr freundlich, es hat nie jegliche Probleme gegeben. Einmal nur, als ich mit meiner Studienfreundin unterwegs war, hatten wir Angst bekommen, als es uns plötzlich bewusst wurde, dass der nette Autofahrer dem Serienmörder aus einem Film von Alfred Hitchcock, den wir kurz davor im TV gesehen hatten, sehr ähnlich aussah. Das war natürlich Blödsinn, aber wir waren echt froh, als an Ort und Stelle ausgestiegen. So eine Reise würde ich nie wieder unternehmen wollen. :)
Mit Grüßen
Christine
@Christine62laechel
Liebe Christine,
das kann ich mir gut vorstellen, dass ihr da Angst bekamt. Etwa den Mörder aus "Psycho"? 😁
Als junger Mensch empfindet man die Gefahr nicht so sehr, uns zumindest kamen die Warnungen seitens unserer Eltern damals sehr übertrieben vor.
Gut, dass nichts passiert ist.
Liebe Grüße
Katharina 😊
Eine schöne Geschichte, die erzählt was hätte passieren können.
Heute wird ja nicht mehr so oft getrampt wie früher.
Ich bin auch schon einmal getrampt, und das war schon ein Abenteuer.
Bin aber nur getrampt weil es mir verboten wurde 😂
Gruß Willi