THEO UND HELENA (Teil I)
THEO UND HELENA Teil I
In den ersten Semesterferien in Heidelberg wollte ich etwas Geld verdienen. Wenn man verheiratet ist, ist das Stipendium nicht ganz genug. Also ging man zur Arbeitsvermittlung fuer Studenten. Dort wurde eine Stelle in einer Fabrik in Pfaffengrund angeboten, in der die D-Schilder hergestellt wurden. Also D-Schilder fuer deutsche Autos, aber auch F-Schilder fuer Frankreich und so weiter. Man verdiente fuenf Mark die Stunde, also 200 DM fuer die Woche. Fuer Studenten war dies ein Riesenbetrag. Von dem Bismarckplatz fuhr man mit der Strassenbahn nach Schwetzingen, stieg in Pfaffengrund aus, und von der Haltestelle war die Fabrik knapp 5 Minuten zu Fuss.
„Hascht du je in einer Fabrik gearbeitet?“
„Leider nicht!‘
„Das ist kein Problem! Komm mit! Wir gehen zu Theo!“
Mit dem Abteilungschef ging ich zu Theo, der an einem Ofen arbeitete. Daher schwitzte er auch. Theo war ein relativ kleiner Mann mit ganz lustigen Augen. Theo fragte mich,
„Was kannst du alles tun?“
„Ich kann Deutsch, Englisch und Spanisch sehr gut!“
„Ja, ja, ich meine von der Arbeit hier? Hast du sonstwo gearbeitet? Etwa in einer Fabrik oder so?“
„Nein. Aber ich kann lernen.“
Es gab sieben oder acht Leute in der Werkstatt, die meisten waren Maedchen, die an verschiedenen Maschinen arbeiteten. Nur eine Maschine war frei. Neben der Maschine war ein Kasten voll mit den D-Schildern. Dann ging Theo zum Ofen. Er sagte:
„In der Druckerei nebenan werden die D-Schilder gedruckt. Dann kommen sie zu meinem Ofen fuer Laminierung, also Schichtung. Dann kommen die laminierten Streifen zu deiner Schneidmaschine. Dort werden sie gleichfoermig geschnitten und im Kasten gesammelt.“
Dann zeigte er mir, wie man die Schneidmaschine bedient. Das war relativ einfach. Schon nach paar Minuten konnte ich die Maschine bedienen. Aber Theo hatte was zu sagen:
„Nicht all zu schnell schneiden und nicht all zu langsam! Wenn du zu schnell arbeitest, dann ist die Groesse unterschiedlich und wenn du zu langsam schneidest, schaffst du nicht genug. Und wenn das so ist, haut Herr Hahn mir einen auf dem Po!“
Theo fand die Bemerkung lustig, als er das Maedchen beobachtete, das von draussen reinkam. Als sie vorbei ging, schlug er ihr leicht auf den Hinterbacken. Sie war natuerlich boese, oder hat auf jeden Fall so reagiert.
„Theo, du darfst so was nicht. Du bist doch so alt wie mein Vater!“
„Sofia, gerade deswegen muss ich mich um dich kuemmern! Dann gehst du nicht unter den Jungs hier verloren! Komm hier! Heute habe ich fuer dich einen neuen Jungen aus Indien mitgebracht. Gib ihm seine Arbeitskleidung!“
..............
Die meisten dort arbeitenden Maedchen kamen aus Griechenland. Besonders interessant war das Maedchen in der Ecke auf der anderen Seite. Sie arbeitete sehr tuechtig, sprach aber kein Wort und machte immer ein ernstes Gesicht. Einmal hat Theo sie mit dem Vornamen Helena angesprochen. Bestimmt hatten ihre Eltern es gut gemeint. Aber der Name Helena war nicht besonders geeignet fuer sie. Nicht weit von ihrer Arbeitsstelle war Theo’s Ofen und daneben war der Bierkasten. Ich fand es ganz irre, dass am Arbeitsplatz ein Bierkasten stand. Als ich die D- und F-Schilder geschnitten habe, merkte ich, dass bis zum Mittagessen mehrere Flaschen leer wurden.
Theo war ein netter, freundlicher Mensch. Als wir dann etwa um sechzehn Uhr Feierabend machten, hat er mich sogar eingeladen, ein Bier mit ihm zu trinken. Etwa nach zwei Wochen waren wir dann zusammen in einer Bierstube. Nach dem zweiten Bier habe ich Mut gehabt ganz offen zu sprechen.
„Guck mal Theo! Dut bist ein guter Chef. Aber du behandelst nicht alle Maedchen in der Abteilung gleich. Du lachst mit fast allen, sprichst mit allen, und ab und zu bekommt fast jedes Maedchen einen freundlichen auf den Hinterbacken! Es gibt aber eine Ausnahme! Die arme Helena in der Ecke, die behandelst du anders, sprichst kaum mit ihr. Das finde ich nicht schoen!“
Theo war sprachlos.
(Fortsetzung folgt)
Kommentare (4)
@chris33
Liebe Chris33,
direkt nach dem Abitur 1968 habe ich in einem Großbetrieb drei Monate als "Werkstudentin" gearbeitet, weil ich Geld zum Studieren brauchte.
Auch dort gab es zweideutig-eindeutige Anspielungen, die frau überhören musste. Bei einem Klaps auf den Po hatte ich spontan mit einer Ohrfeige reagiert und hatte von da an meine Ruhe. Andere Frauen fanden diese Art von Aufmerksamkeit zum Teil als schmeichelhaft und verurteilten meine Reaktion. Ich selbst hatte danach Angst, entlassen zu werden.
Insofern schildert Prakash sicher eine echte Erfahrung, die er seinerzeit gemacht hat.
Unverständlich ist mir jedoch seine völlig unreflektierte Wiedergabe Geschichte. Er scheint mir auf seine damalige Intervention ja auch heute noch stolz zu sein.
Margit
@margit
Ich bin nicht etwa stolz. Die Geschichte ist etwa 52 Jahre alt. Die muesste man in der Perspektive sehen koennen. Uebrigens ist die Geschichte hier eine Kurzfassung von der urspruenglichen Geschichte in Marathi. Der Titel des Buches hiess etwa 'Die Geschichte des haesslichen Maedchens'. Der Autor war immer sympathisch fuer die Probleme der Maedchen/Frauen, die den einen oder den anderen Defekt hatten.
Auch hier wollte er ja der Helena helfen!
LG Margit von
Prakash
@Prakash
Hässlichkeit liegt in der Perspektive des Betrachters.
Mädchen/Frauen/Knaben/Männer, auf Grund körperlicher Merkmale als defekt zu bezeichnen, drückt für mich Abwertung aus.
Maschinen können defekt sein.
freundlichen Gruß
WurzelFluegel
".... und ab und zu bekommt fast jedes Maedchen einen freundlichen (Klaps?) auf den Hinterbacken.."
Prakash, Gott sei Dank sind die Zeiten hier vorbei, wo Maedchen auf der Arbeitsstelle freundlich ausgeteilte Befummelung von Männern ueber sich ergehen lassen mussten.....
Nix fuer ungut, ich" kaempfte" damals, an der Seite meiner "Schwestern " fuer die Rechte der Frauen, als ich mich noch jung und dynamisch fühlte und in den Staaten lebte... 😁
Chris33
Z. Z. USA