Ich war noch nicht einmal fertig mit dem morgendlichen Kleinhausputz. Der Fernseher lief, weil ich die „News“ und den Wetterbericht absehen wollte, letzteren doch nur, um beurteilen zu können, ob die Frösche, so es welche gibt, oder die „Metrolügen“ für heute in ihrer „Angeberei“ recht haben.
Ach, und da saß ich nun mal „entspannend“ (am frühen Vormittag), hatte noch keine einzige Zeile in den Bildschirm montiert, blätterte im typischer Männerart durch die Kanäle, blieb beim MDR (der „mdr“) hängen, hängen an Bildern einer Stadt, die ich doch irgend wann und irgend wo gesehen hatte – MDR: also im „Osten“.
Die Sendung, die da lief, interessierte nicht, die Stadt da, die Bilder, die in der Handlung im Hintergrund, als Kulisse liefen eingebaut waren, und da die Brücke in der Form wie die „Glienicker“, ach und dann die Kirche, der Markplatz, und da die Ecke, wo früher die Straßenbahn so rumpelnd und quietschend am Hotel vorbei „machte“, jetzt so schön aufgeputzt Tram-Wagen. Da ein Auto! Kennzeichen? Na gloar! …


Vor zwanzig Jahren bekam ich den Auftrag, den großen A0-Plotter auszuliefern. Ein Bully wurde gemietet. Der Kollege, Jahre vorher waren wir bei dem Verein, wo man Kameraden hat, er in Marineblau ich in Luftwaffenblau, aber Beide Elektroniker, half mir das Ungetüm einzuladen, das Festzurren überließ ich ihm, konnte er doch besser als ich als Fahrender Seemann wissen, wie man so ein „Gepäckstück“ gut einbindet.

Da fuhr ich in Bielefeld los, ging auf die Autobahn A2, die ich ja schon reichliche Kilometerstücke kannte. Herford, Minden, Hannover, Braunschweig, die Grenze und ihre Reste, Magdeburg. Da musste ich runter von der Autobahn, runter auf eine (jetzt) Bundesstraße so in Richtung Südsüdost.

Nicht gerade bundesdeutsche Glattpoliertheit der Straße, reichliche Längswölbung und eng und die Seitenstreifen versandet und tiefer liegend. Ach! Da ist Bernburg, Bernburg an der Saale, wo mein Großvater mal vor „Urzeiten“ das Licht der Welt (noch vor zwei hässlichen Kriegen) erblickt hatte. Und, wovor ich mich die ganze Zeit gefürchtet hatte: der Wagen rutschte mit seinem Hinterteil in das Sandbett – ich konnte ihn mit einem Ruck da wieder rauskriegen. Aber hinter mir im Laderaum rumpelte und knallte es, und ein Ruck wollte mich noch einmal da runter drücken. Ich fuhr sachte bis zur nächsten Ausweichmöglichkeit: der Plotter hatte sich losgerissen. Also alles wieder neu einbinden, und etwas vorsichtiger weiterfahren.

Ich kam zu einer Stadt, die mich weiß Gott nicht mit schönem Pflaster und auch nicht mit schönen Fassaden vorstellte. Ein GPS gab’s nicht, aber irgendwie landete ich vor dem avisierten Haus, ein wenig außerhalb der Stadt. Nachmittags! Man hatte auf mich in Hochpaterre eines alleinstehenden Hauses schon gewartet. Eine Verständigung, wie sie heute ja bis in die kleinste Feuchtzelle möglich ist, gab es damals noch nicht, oder das klobige Gerät dazu kostete ein Schweinegeld, man hatte ungeduldig gewartet und da war ich nun.
Da standen vor mir zwei schmächtige Damen, die recht feine und gepflegte Hände hatten und … es hat uns Drei einige Zeit und Kraft das massige Stück von Plotter, A0, na, so zehn Stufen aus Ziegelsteinen außen, mussten bewältigt werden. Warten, am nächsten Morgen ein männliches Gespenst hätte helfen können: das war mir doch etwas zu gewagt, das gute Stück über Nacht draußen im Freien zu parken. Aber wir haben es geschafft, danke schön meine Damen! Ein Hotelzimmer hatten sie mir in der Innenstadt reservieren lassen. So kutschte ich mein erleichtertes Gefährt in die Innenstadt in eine Stadt, die mal aus den Nähten geplatzt war und sich ein „-Neustadt“ angehängt hat. Du weißt, wie diese Stadt an der Saale heißt? HALLE.

1986 war ich mal mit dem Auto da durchgefahren – just for fun. Da ist mir die blöde, Reifen und Stoßdämpfer mordende Pflasterung schon aufgefallen, ein Trabbi war leise gegenüber der Tram.

Ich fand das Hotel, konnte den Wagen seitab abstellen. Nach Bezug der Butze, mit Fenster zur Straße, wo die Tram in die Kurve ging, mich selbst etwas landfein, zu Recht gemacht, ging ich rein in die Altstadt. Ganz zögerlich versuchte man hier und da sich mit dem Kapitalismus, etwas abergläubisch, anzufreunden. Wenn du genau hingesehen hast, dann hatten da Vater, Mutter, Kinder und Oma zusammengelegt und einen Stand installiert, wo nun kein Broiler mehr zum Abflug startete, sondern für Besucher und andere Herumlungernde irgend etwas Fressbares feilgeboten wurde. Die Wessies waren schon in manches untergegangene Ladenlokal eingerückt, irgendwie fühlte man als nicht ganz so verdorbener Wessy, dass da (etwas zu-)viel Optimismus in dem Alltag einzog. Ich freute mich! Ich freute mich auch darüber, dass dieser Landstrich, diese Stadt jetzt endlich viel leichter zu „erobern“ war. Der Optimismus damals steckte an.

Am nächsten Tag fuhr ich wieder raus, der Plotter musste installiert, justiert und vorgeführt werden. Am Spätnachmittag rollte mein Bully wieder gen Westen. Ich fuhr nicht zurück über Magdeburg – das war mir zu langweilig. Ich nahm den Weg direkt nach Westen, durch Eisleben – Luther! Sangerhausen – Rosengarten! Berga-Kelbra – da geht’s ab in mein geliebtes Stolberg! Nordhausen – Schnäpschen gefällig? – Worbis – Duderstadt – Kassel – Warburg – Paderborn – ich kam in der Nacht in Bielefeld an.


Halle! So, wie ich das da in dem Film erkennen konnte, hat es sein Aschenputtel-Gesicht, das es ja auch durch Bitterfeld bekommen hatte, Abgewaschen. Ganz klar: lass‘ mich erst in Berlin gelandet sein, dann ist Halle fällig, wenn wir Beiden wieder rüber nach Stolberg düsen!


ortwin

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Kommentare (1)

Traute Interessant, wie Andere es betrachten.
Wir waren farbenblind. Betriebsblind.
Erst wenn man einen Gegensatz zu sehen bekommt, kann man Vergleiche ziehen. Nun können wir auch das.
Grüßt Traute

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