Meine Schottische Familie und meine Erfahrungen
Erst kürzlich schrieb ich, dass ich in jungen Jahren in Edinburgh weilte und bei einer Familie als Au-pair wohnte, lebte und arbeitete. Bewusst schreibe ich das Wort «arbeitete».
Damals schon und heute immer noch empfand ich die Familie etwas speziell, um nicht zu sagen, kurios. Deshalb stelle ich sie hier kurz vor:
Die Land-Lady, gross gewachsen mit ordentlich breiten Schultern, ca. 40 Jahre alt und von Beruf Sozialarbeiterin, ursprüngliche Engländerin.
Der Land-Lord, eher von schmächtiger Statur, starkes Haar, stets ein Lächeln im Gesicht mit Brille (Bülachglas = kurzsichtig), ca. 5 Minuten vor 50, Rechtsanwalt sowie Vorsitzender der Labour-Partei in Edinburgh, gebürtiger Schotte.
Die Kinder: ein Mädchen, 11 Jahre alt, Schülerin, und der Sohn, 14 Jahre alt, ebenso Schüler.
Mit dieser Familie erlebte ich so einiges Amüsantes, manchmal ein klein wenig unangenehm, aber unter dem Strich waren es köstliche Erlebnisse, die in der Erinnerung immer noch amüsieren.
Es zeigte sich mir relativ schnell, dass ich mit meinen 22 Jahren fast zu alt für diese Familie war; etwas präziser: für die Land-Lady, wie später noch zu erfahren ist.
Meine Aufgabe dort war nicht etwa mich um Kinder zu kümmern, wie das so üblich ist bei den Au-pairs, sondern nach der Schule am Vormittag ging es nach meiner Mittagspause ans Haushalten.
Beginnend im 1. Stock mit Bettwäsche wechseln im Eltern-Schlafzimmer und Hoovering (staubsaugen), Badezimmer putzen.
Zweiten Tag: Beide Kinderzimmer: Bettwäsche wechseln, Hoovering und Staubwischen. Gab es noch Wäsche zum Bügeln, dann auch das noch.
Dritten Tag: Wenn alle Betten gemacht waren, ging es ins Erdgeschoss, wo ich das Spielzimmer aufräumen und Hoovering musste, Küche putzen und Boden aufziehen, das anschliessende Esszimmer ebenso, hin und wieder mit dem Blocher zum Glänzen bringen!
Vierten Tag: war meistens Bügeln angesagt und am fünften Tag war ich dann mit dem Wohnzimmer beschäftigt, das doch sehr gross war und vor allem grosse Sessel (English like) hatte. Bügeln immer, wenn was vorhanden.
Am Samstagvormittag war der 2. Stock gefragt, das Arbeitszimmer des Land-Lord säubern und gleich nebenan mein Zimmer. Dann noch das Treppenhaus und meine wöchentliche Arbeit war getan – für 2 Pfund die Woche, Wohnen und Essen.
Ergänzend muss ich noch erwähnen, dass ich nachmittags immer alleine im Haus war und so mein Arbeitspensum, das sich jede Woche wiederholte, ungestört erledigen konnte. Die Land-Lady überprüfte meine Arbeit sehr genau und hatte hin und wieder mal was zu meckern, weil ich das Bügeln nach meiner Manier erledigte. Naja, kein Drama!
Nun eine erste Anekdote:
In diesem schottischen Haushalt gab es natürlich auch eine Regel für das Duschen oder gar ein Bad nehmen.
So wurde jeweils der Dienstag, früh abends, mir zugeteilt, wo ich ungestört ein Bad geniessen durfte. Das empfand ich sehr angenehm.
Wie vorher zu erfahren war, bestand meine Pflicht in der Familie aus meiner Putzarbeit bis Samstagvormittag, sodass ich mir überlegte, wie schön es doch wäre, dürfte ich mir jeweils samstags nach getaner Arbeit noch eine Dusche gönnen. So entschloss ich mich, die Land-Lady zu fragen, ob sie mir dies gewähre, was sie mir zum Glück nicht abschlug.
Jeden Samstag nach Ende der Arbeit fragte ich sie: «Madame, may I have another shower please» und sie antwortete, «yes of course».
Das tat ich jeden Samstag, Woche für Woche.
Eines Tages überlegte ich mir, na, meine Dusche hat sich ja richtig eingebürgert und ging direkt ins Bad, um zu duschen. Kaum spürte ich das warme Wasser über meinen Kopf fliessen, wurde es plötzlich kühler und kühler und kälter und noch kälter und dann halt kalt 😮.
Ich ahnte sofort der Grund dieses so kalten Wassers, aber ich müsste ja nicht die Jutta sein, um mir nichts anmerken zu lassen und duschte kalt weiter.
So fragte ich eine Woche später, am Samstag: «Madame, may I have another shower please»? und mit diesem Fragesatz hatte ich immer schönes warmes Wasser.
Fortsetzung folgt……………
Jutta
Kommentare (5)
@werderanerin
Weisst du, liebe Kristine, es war ein sehr eigenartiges Verhältnis zwischen dieser Familie und mir. Wir wurden nicht warm miteinander. Dass ich als billige Putzkraft ausgenutzt wurde, war mir klar, dafür hatte ich meine Freiheit. Du wirst noch einige Geschichtchen lesen, wo du dann auch merkst, dass sie mit mir weniger umgehen konnten, als ich mit ihnen.
Gerade diese Umstände liessen mich vieles lernen und erkennen.
Bis zur nächsten Folge
herzliche Grüsse
Jutta
@JuergenS
Nein, sie schaltete das warme Wasser aus, weil ich nicht mehr fragen wollte, ob ich darf. Das gehörte sich doch nicht und so fragte ich halt weiter und war mir des warmen Wassers sicher dadurch. Schönen Sonntag und
Gruss
Jutta
Es ist schon interessant, liebe Jutta, dass du ja eigentlich als Au-pair dort hingegangen bist, aber als Putzfrau ausgenutzt wurdest und noch dazu wohl recht preiswert...hat dir das damals nicht zu schaffen gemacht, oder war das kein Thema für dich...?
Kristine