Meine Schottische Familie und meine Erfahrungen - 2
Damals schon und heute immer noch empfand ich die Familie etwas speziell, um nicht zu sagen, kurios. Deshalb stelle ich sie hier kurz vor:
Die Land-Lady, gross gewachsen mit ordentlich breiten Schultern, ca. 40 Jahre alt und von Beruf Sozialarbeiterin, ursprüngliche Engländerin.
Der Land-Lord, eher von schmächtiger Statur, starkes Haar, stets ein Lächeln im Gesicht mit Brille (Bülachglas = kurzsichtig), ca. 5 Minuten vor 50, Rechtsanwalt sowie Vorsitzender der Labour-Partei in Edinburgh, gebürtiger Schotte.
Die Kinder: ein Mädchen, 11 Jahre alt, Schülerin, und der Sohn, 14 Jahre alt, ebenso Schüler.
Mit dieser Familie erlebte ich so einiges Amüsantes:
Anekdote 2:
Wie zu erfahren war, wirkte meine Land-Lady in Edinburgh als Sozialarbeiterin. Ob ihr Gedankengut Sozial eingestellt war, wollte ich nicht beurteilen. Jedenfalls hatte sie irgendeine Quelle für Theaterkarten, ging aber offensichtlich nicht so gerne diesem Vergnügen nach.
So hatte ich die Chance, gefragt zu werden, ob ich mit einer Freundin ins Theater gehen möge, was ich jeweils mit Freuden angenommen habe. In der Schule lernte ich eine Paula aus Österreich kennen und wir konnten es gut zusammen und so fragte ich jeweils die Paula, ob sie mit mag.
Ich erinnere mich noch sehr gut an unser erstes Mal Theater in Edinburgh, wo wir uns kaputt lachen mussten wegen der gespielten Nationalhymne – wir kannten das nicht doch gar nicht.
Was ich hingegen gewohnt war, dass man sich für einen solchen Anlass zurecht machte und ein anständiges Kleid anzog. Also schminkte ich mich passend zum grünen Kleid, das ich für diesen Abend auswählte. Die Absätze meiner schwarzen Schuhe waren nicht allzu hoch, denn sonst hätte ich nicht damit gehen können!
Wegen der langen Busfahrt bis ins Zentrum von Edinburgh musste ich mich bereits schon zum Familien-Abendessen, das ja immer die Land-Lady zubereitete, Theater fertig an den Tisch setzen.
Zu meiner Überraschung machte der Land-Lord beinahe einen Hofknicks vor mir und der Land-Lady fielen beinahe die servierten Teller aus den Händen. Das merkte ich natürlich und würde lügen, wenn ich auf den Stockzähnen nicht geschmunzelt hätte.
Aus Zeitgründen musste ich den Esstisch auch noch früher verlassen und verbrachte zusammen mit der Paula einen schönen Abend im Theater. Ich muss allerdings auch gestehen, dass wir beide nicht sehr viel von diesem Stück verstanden haben, denn soooo lange drückten wir die Schulbank noch nicht, als dass wir alles in Englisch hätten verstehen können. Wir beobachteten aber die Mimik, die uns doch immer wieder zum Lachen brachte.
Wer meint, diese Geschichte sei zu Ende, weit gefehlt. Die Pointe kommt erst, nämlich am nächsten Morgen am Frühstückstisch der Familie. Ich traute meinen Augen nicht, als ich die Land-Lady aus der Küche kommen sah:
Und die kleine Tochter sagte: «oh Mom, you look beautiful» – «oh thanks darling»
Fortsetzung folgt……
Jutta
Kommentare (9)
@Claudine
Liebe Irmina,
Danke für die Lorbeeren - freut mich sehr, dass es gefällt.
Schottland erlebte ich damals als Beginn meiner Freiheit, was grossartig war und die ich leben wollte. Wenn dann eine Land-Lady das warme Wasser abschaltet, weiss man Bescheid, mit wem man unter einem Dach lebt. Aber die Freiheit erleben war viel wichtiger und spannender.
Sei herzlich gegrüsst von
Jutta
Liebe Jutta,
mit Spannung verfolge ich Deine Erlebnisse bei der , für mich etwas misteriösen Familie...das ist Image der Schotten ist ja der "Geiz", meine dort lebende Familie korriert dieses und kontert mit: die Schotten sind nicht geizig, sondern " sparsam"...
Übrigens, ich war auch erstaunt, als ich in der kleinsten Kirche im Hinterland von den highlands, nach dem Gottesdienst die Nationalhymne hörte....es war recht feierlich, weil alle Besucher den Text kannten und kräftig mitsangen......
freue mich auf Deine Fortsetzung und danke Dir für diese beiden ersten Teile,
herzlichst
Renate
@ladybird
Liebe Renate,
Ja, eine, wie ich sie stets nannte, komische Familie. Dieser Vorfall mit dem grünen Kleid wiederholte sich später nochmals, als ich in Schwarz ins Theater ging und die Land-Lady am nächsten Morgen in Schwarz zum Frühstück erschien.
Dass die Nationalhymne jeweils gespielt wurde, wusste ich halt nicht, aber ich gewöhnte mich natürlich daran.
Wenn auch die Familie komisch war, ich lernte sehr viel über mich selbst und es war für mich eine der lehrreichsten Zeit meines Lebens!
Bis zum nächsten Mal,
liebe Grüsse
Jutta
Hi Jutta
1964 bin ich zum ersten mal nach England getrampt. Wetter sehr regnerisch , nicht viel Geld also in ein (ähnlich wie damals das Aki Kino in Deutschland) um aus dem Regen zu kommen (Jugendherberge hat dich erst um 4 Uhr nachmittags reingelassen)
Ploetzlich vor dem Anfang des nächsten Filmes, das Bild der Königin und die Nationalhymne. Alle die im Kino waren standen auf, wir kannten es nicht und blieben erstmal sitzen, bis die neben uns , hinter uns anfingen zu schimpfen. (Möchte jetzt nicht sagen was gesagt wurde,) In der Zwischenzeit bin ich sogar ein subject of her/ now his Majesty und stehe beim abspielen der Nationalhymne wie es sich gehört (im englischen Sprachraum) auf
Treffliche Wirkung ohne Worte, einfach nur durch beispielhaftes Vorführen… große Klasse!
...bemerkt mit Beifall
Syrdal
Liebe Jutta,
Dann hast du die selbe Begegnung mit einer "copy cat" gemacht wie ich. Die gibt es heute immer noch, leider auch hier im Forum, wo von mir einfach die Idee zu einer Geschichte kopiert wurde.
LG Gisela
@Globetrotter
Liebe Gisela,
Die Land-Lady war eigentlich zu bedauern, aber dafür waren andere zuständig. Was sicher für mich nicht so toll war, dass sie kaum auf mich zukam ausser der Tagesbefehle. Bestimmt hätte ich etwas einfacher die Sprache gelernt.
Das holte ich dann bei der zweiten Familie nach!
Liebe Grüsse
Jutta
Hallo Jutta,
ich hoffe ich störe deine Kreise nicht, wenn ich ein KI-erzeugtes Stimmungsbild der Phantasie-Burg zeige, denn die Wiese, die man auf deinem Bild sieht, kenn ich auch, die ist unterhalb unweit des Scott Denkmals,
Dein Schreibstil, liebe Jutta, gefällt mir sehr gut.
Trotz ungerechter Behandlung erzählst Du Deine Erlebnisse bei Deinem damaligen Aupair-Abenteuer mit viel prickelndem Humor. Einfach köstlich!
Ich freue mich schon wie es weitergeht mit Deiner Land-Lady. Ob da aber noch ein Funken Verständnis für Dich dabei herausspringt, bezweifle ich. Wer weiß, vielleicht irre ich mich ja auch. Hoffentlich.
Herzliche Grüße
Irmina