Kriegsschluß in unserem Dorf


Magda Gülck erzählt in ihrer unnachahmlichen Art, wie groß die Aufregung war, bevor die Engländer ins Dorf kamen (aus: Hemdingen, Chronik eines Dorfes zwischen den Mooren, von H. Bredehorn, 1999)

Plötzlich ballert jemand nachts an unser Schlafzimmer-fenster: „Sofort upstahn, de Engländer kamt. Sind all in Quickborn. Bringt sofort all'ns, wat ji an Waffen un Fotoapparate hebt, na'n Bürgermeister! Jetzt sofort! Nu man to, man to!“ und weg ist er wieder. Bald darauf kommt die Nachbarin, noch halb im Nachtgewand und mit aufgelösten Haaren: „Hebt ji 't hört? Sofort na'n Bürgermeister! Oh Gott, oh Gott, de Engländer kamt!“ In der Hand hat sie schon den teuren Fotoapparat von einem Bekannten aus Hamburg, der diesen bei ihr im Garten verbuddelt hatte.

Magda ihr Mann Walter ist Hobbyfotograf und besitzt eine fast komplette Ausrüstung. Die liegt wohlweislich schon im Stall in der Schweinefutterkiste. Magda überlegt, was ihr Mann wohl sagen wird, wenn er wiederkommt und die Fotoapparate nicht mehr vorfindet. Schließlich nimmt sie nur eine Entwicklerschale, reinigt die notdürftig vom Getreideschrot und macht sich damit auf zum Gemeindebüro, mitten in der Nacht.

Dort geht es zu wie im Bienenkorb, alles voll Leute und allenthalben große Aufregung. Hinter dem Schreibtisch sitzt ein Mann in grüner Joppe und sortiert alle angelieferten Sachen. Sagt nichts dabei. Ist ja auch zwecklos, denn wer kann sein Englisch schon verstehen!

In der Ecke stehen schon einige alte Gewehre. Auf dem Tisch liegen mehrere Fotoapparate und anderes mehr. Mit Magdas Schale kann der Mann nicht recht was anfangen. „De gehört dor to!“ sagt Magda und zeigt auf die Fotoapparate. Es nützt nichts, sie kann schließlich das Ding wieder mit nach Hause nehmen – und Walter behält seine komplette Fotoausrüstung.

Übrigens, der Engländer in der grünen Joppe war gar kein Engländer, war ein Flüchtling aus dem Dorf. Hat kein Mensch in der Aufregung bemerkt, und gesagt hat er ja nichts.

Nicht ganz so gut läuft das mit Walters wertvoller Schreibmaschine. Die hat Magda mit irgendeinem Öl oder Fett eingepinselt, um sie gegen Rost zu schützen. Es war wohl nicht das richtige Konservierungsmittel, denn nach wochenlanger Lagerung in einem großen Steinhaufen hinter dem Hühnerstall ist der Mechanismus der Maschine derart verklemmt und verschmiert, dass man sie wegwerfen muss.

Klostermeier

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Kommentare (2)

chris
Hab deine Geschichte gelesen, ich kann mich leider nicht
daran erinnern, als die Amerikaner hier in den Ort kamen.
Man hat mir nur erzählt, dass einer der GIs ganz glücklich
gewesen sei, als ich ihm ein Lächeln schenkte.
Er sagte, er hat zu Hause auch so ein Baby.

So beruhen meine Erinnerungen nur auf Erzählungen aus
dieser Zeit.



Chris
struppi trotz der Schreibmaschine, die Magda war ganz schön clever.
Wieder eine schöne Schmunzelgeschichte von dir...ich sagte doch schon mal: nur wer Augen hat zu sehen..... u.s.w.
Bei uns lief es ganz anders ab. Erst kamen die Amis, da gab es Kaugummis und Fliegerschokolade. Nach, ich glaube, acht Wochen kamen die Russen. Da herrschte nur die Angst unter der Bevölkerung.
Nach meinen Urlaubsreisen zum Schwarzen Meer und auch in den Kaukasus durfte ich zum Glück erfahren, welch warmherziges Volk die Russen, Abchasier, Georgier sind.
Bald sind es 70 Jahre, dass hier in Deutschland kein Krieg die Menschen ängstigte. Seien wir dankbar dafür.
Du merkst, welche Gedanken du bei mir ausgelöst hast.
Danke auch für diese schöne Geschichte.
Einen lieben Gruß von Struppi

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