Hoch über dem Rhein: Faszination der Graubündner Bergwelt
Es begann so freundlich harmlos, als eine Freundin mich einlud, in die Graubündner Berge mitzukommen, wo sie ein Chalet auf rund 1200 Metern Höhe besitzt. Warum sie mich nicht vorwarnte, begriff ich, als sie ein Stück nach einer Fahrt entlang des Vorderheins nach Chur plötzlich in einen Weg abbog, bei dem schon zu Beginn warnend ein Schild mit dem Hinweis auf 2,3 Metern Breite stand.
Ja, und dann "schraubte" sie uns höchst kurvenreich 10 Km- eine Ewigkeit für mich- zwischen tiefsten Abgründen auf der einen Seite und heftigen Felsvorsprüngen auf der andern Seite bergwärts.In den sehr enge Kurven sah man nicht, was hinter dem nächsten Felsen lauerte, also wurde erst mal warnend gehupt.
Eigentlich wundere ich mich noch jetzt, dass ich so ruhig bleiben konnte -relativ! Denn als sie so nebenbei erwähnte, dass hoffentlich das Postauto schon durch sei, weil man sonst rückwärts eine Ausweichstelle suchen muss, wurde mir doch recht mulmig. Aber nichts kam uns entgegen.
Irgendwann war das Ziel erreicht: ein einsames Chalet, in das ich mich auf de ersten Blick verliebte. Wunderschön gepflegt, alles voller Blumen, ringsum eine sagenhaft schöne Bergwelt, üppige Wiesen mit einer vielseitigen Farbenpracht der Bergblumen, der Duft von Holunder- und Lindenblüten, plätschernde Naturquellen und tiefste Ruhe - wie in einer andern Welt.
Die tiefe Schlucht des Flusses Rabiosa trennte uns von einem gegenüber und weiter unten liegenden Dorf .
Aber hier oben war irgendwie die Welt zu Ende, 4 weit auseinander liegende Holz-Chalets , ein Bergbauernhof …und sonst nichts- nur Natur pur.
Später sah ich dann, dass vor jedem Chalet Briefkästen aufgestellt waren- und das Postauto aus einem kleinen Kabinenroller bestand, der plötzlich bergab rollend auftauchte. Auf dem schmalen Strässchen wäre allerdings ein Kreuzen nicht möglich, und ich war heilfroh, dass die Begegnung nicht schon vorher geschah. Der Postbote musste ganz knapp vor uns hochgefahren sein.
Erstaunlich, dass hier sogar der Postdienst funktionierte, es gab weder Ortsbezeichnungen noch einen Namen für die einzige Strasse - hier haben nur einige Graubündner einen kleinen, einsamen, ruhigen Erholungssitz- wie meine Freundin, die hier geboren ist und wie andere ihr Chalet geerbt hatte und innen hochmodern ausgestattet , aussen gut gepflegt als kleinen Ruhepol behielten.
Im Prinzip weiss ich nicht einmal genau, wo ich eigentlich war, irgendwo zwischen den Schluchten der Rabiosa (der "Wütigen") und des Plessur, die sich dann vereinigt im Tal in den Rhein stürzen. Die Ortsnamen im Tal irgendwo hinter Chur hatte ich zuvor noch nie gehört, zudem war alles der rätoromanischen Sprache angepasst., nicht so leicht zu merken.
Nach einer kleinen Erfrischung mit wunderbar klarem Bergwasser auf der kleinen, gemütlichen Terrasse mit einem grandiosen Blick auf die umliegenden Gipfel war dann ein "Spaziergang" angesagt.
Zuerst relativ sanft ging es in einen Wald hinein, danach allerdings auf einem sehr schmalen, steinigen Bergpfad steil in die Höhe.
Die Aussicht entschädigte dabei jeden Schritt, was für mich allerdings ganz langsam zur Tortur wurde, denn das Geröll unter den Sohlen gab immer wieder nach. Es war echt schweisstreibend, langsam wollte ich alle 5 Schritte "Berge bewundern", dachte aber mit gelindem Schrecken daran, dass es auch noch einen Rückweg gab - mit anschliessender Talfahrt auf dem gleichen schmalen, kurvigen Strässchen wie bei der Anfahrt.
Trotz allem : diese Bergwelt mit einer einmalig schönen Pflanzenpracht, die klare Luft, der Blick in die Ferne auf noch schneebedeckte Gipfel, das Zirpen der Grillen als Begleitkonzert , nicht weit entfernt muntere Gemsböcke , die da herumtollten und uns gar nicht beachteten- ich hatte das schon sehr lange nicht mehr erlebt, und es war wie eine neue Offenbarung.
Einige Bergdohlen und Bussarde umflogen uns misstrauisch. Von Luchsen und Wölfen, die sich hier ebenfalls niedergelassen haben sollen, habe ich leider nichts gesehen. Aber gegenüber an den Grashängen tummelte sich eine kleine Kuhherde, ein Wunder, dass die Tiere in dem steilen Gelände nicht abrutschen.
Es ist schon ein grandioser Unterschied, ob man mit einer Berggondel hochfährt - sofern es eine gibt, die Aussicht bestaunt , eine Weile sich oben aufhält und wieder zurück ins Tal fährt - oder ob man sich ein Stück der Berge per pedes mühsam erwandert - auch wenn sie mit 1200 Metern Höhe ja nicht gerade so hoch sind - und wir vielleicht 500 Meter Anstieg bewältigten.
Wirkliche Bergwanderer würden mich wohl auslachen, aber es war einfach nur wunderschön, aber doch anstrengend- denn ich bin nun mal keine "Bergziege"
Dass ich es tags darauf mit einem herzhaften Muskelkater bezahlen würde, war auch klar, aber das war es wert.
Als mich dann am Ende die Freundin augenzwinkernd fragte, ob ich noch einmal mitkommen würde, sagte ich sofort zu. Allerdings muss ich erst den Anfahrtsweg verdauen!
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Luchs
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