Hallo Opa !?

 
Die Mittagsruhe ist mir heilig, seit ich nicht mehr ins Arbeitsleben eingespannt bin. Und so lebe ich dann auch genüsslich und tief versunken in irgendwelchen Traumwelten. Dann, im Halbschlaf die Melodie der »schönen blauen Donau«! Ist das nicht etwas Wunderbares? So zart mit Johann Strauß geweckt zu werden, das ist fast ein Märchenzauber.
Aber die schöne blaue Donau scheint doch irgendwelche anderen Pläne zu haben, ich stelle überrascht fest, dass es mein Smartphone ist, das mich den seligen Träumen entreißt. Meine freundlichen Gedanken nehmen sekundenschnell eine andere Färbung an. Noch schlaftrunken melde ich mich:
»Ja, Waldmann. Was gibt’s?«

»Hallo Opa,« eine jugendlich frische und sympathische Stimme meldet sich am anderen Ende der Leitung, »nu sag bloß, du kennst mich nicht mehr? Ich wollte dir nachträglich gratulieren! Und viel Gesundheit wünschen!«
Ich laufe ein wenig neben der Schiene. Wer wünscht mir was? Geburtstag ist schon vier Wochen vorbei. Sollte das mein Doc sein? Glaub ich nicht, der ist doch froh, wenn ich ich öfter bei ihm erscheine.

Wer wünscht mir alles Gute? Langsam komme ich zu mir. »Wer ist denn da?«
»Ich bin’s, dein Enkel!« 
Oha! Jetzt wird es spannend.
Ich frage ganz ostentativ: »Krischan?« Ein anderer Name fällt mir so schnell nicht ein.
»Klar Opa, der Christian, was denkst du denn. Mama hat mir extra aufgetragen, dich ja nicht zu vergessen. Sie ist gerade auf ’ner Kreuzfahrt im Mittelmeer!«

Soso, Kreuzfahrt. Na dann pass mal auf, du Kolkrabe, ich bin jetzt unter vollen Segeln.
»Na mien Jung, was hasse denn auf dem Herzen?« 
Ich bringe das so richtig mitfühlend rüber, meine eigenen Gefühle spielen schon Achterbahn.
»Ach Opa, ich hab da ein Problem. Ich muss da eine Kaution für eine Wohnung in Wilhelmshaven hinterlegen, und meine Kröten reichen nicht ganz!«

»In Wilhelmshaven? Was machst du denn in Wilhelmshaven? Arbeitest du da?« 

Wollen wir doch mal sehen, wie weit der Clown da noch geht. Jetzt macht es so richtig Spaß.
»Nee, Opa, Ich studier doch an der Seefahrtsschule. Will doch Käpt’n werden, so auf großer Fahrt!«

Ist doch gediegen - da gibt es gar keine Seefahrtsschule, die ist hier bei uns in Leer. Na gut, lassen wir ihm seinen Willen.
»Also Krischan, wie viel brauchst du denn für die Kautschion?«
Bin nun mal gespannt, wie hoch der Kerl jetzt pokert!
»Ach Opa, du weißt doch, wie das heute mit den Wohnungen ist.
Zweitausendfünfhundert Euronen will der haben, ist das nicht unerhört?
Kannst du mir die vorschießen? Kriegst auch auf Heller und Pfennig alles wieder.«

Tja, das ist wirklich »unerhört«, will der Knilch zweieinhalb Mille von mir! Wie gehe ich da nun weiter vor?

»Also, so viel hab ich aba nicht im Haus, da muss ich erst zur Bank!« 
Dann fällt mir noch ein Trick ein.
»Du Krischan, ich kann dir das doch von ´ne Bank überweisen, ist doch auch sicherer!« 
Vor Lachen kann ich schon bald nicht mehr reden; Was macht er nun?
»Ist was, Opa, du klingst so komisch? - -
Also, der will das doch in bar! Und heute noch.

»Nee, mien Jung, is allens klor! Ich geh gleich zur Bank. Kannst das dann ja hier abholn, nee?«
Eine kurze Stille, ich frage nach: »Bist du noch da?«

Dann seine Stimme: »Ja! Nein! Das geht ja nicht, Opa, ich bin doch in Wilhelmshaven. Aber ich schick dir meinen Freund Till vorbei, der ist heute noch zu Hause in Augustfehn und kommt heut abend zu mir. Dem kannst du das mitgeben! Der kommt so gegen Drei zu Dir, ist das recht?«

Und ob mir das recht ist. Nebenbei bemerkt: ich hab gar keinen männlichen Enkel, meine Kinder haben alle Mädels auf die Welt geschickt!

So, nun ist es halb Zwei. Mein Skatbruder Willi, der Polizeimeister ist, den werde ich gleich informieren.
Und der liebe Christian - oder wie er sonst noch heißt -
der kriegt dann a l l e s,  w a s er braucht ...


©by H.C.G.Lux
 

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Kommentare (5)

werderanerin

Wunderbar 👍... , lieber Horst und man kann nur hoffen, dass die Polizei ihr übriges tat.

Ich habe mir schon immer solch ein Anruf gewünscht....Würde genauso mitspielen und gerne die großen  Augen des Verbrechers sehen.

❗️

Kristine 

Muscari


Das hast Du sehr ausführlich geschildert, und gut, dass Dir schon früh klar war, dass es sich um den üblichen Betrug handelte. Und gut auch, dass der liebe Christian das bekommen hat "was er braucht". 😈
Diese Betrüger werden immer raffinierter, haben bei mir aber keinerlei Chance.
Kürzlich meldete sich ein weinendes Mädchen als meine Enkelin, die angeblich einen Autounfall gebaut hatte und sofort eine bestimmte Summe benötigte.
Da ich um diese Unverschämtheiten weiß, die mich in letzter Zeit immer wütender machen, sagte ich einfach: "Da haste aber Pech gehabt" und habe aufgelegt.
Ich glaube, mich würde man nicht reinlegen können. Hoffe ich jedenfalls.
😝

 

Pan

@Muscari  
Sag niemals "Nie",
es gibt Situationen, die alle Regeln über den Haufen werfen!

Und: Das hat nichts mit irzu tun, nur eine Anregung ...

reflex

ich habe meine Schwiegermutter  öfters gewarnt  und bat  sie einfach  aufzulegen .
Mit  90  Jahren hatte sie ihren eigenen Kopf    64 000.-€  waren ruckzuck  in  Bar  weg .
Sie hatte das Geld  im  Tresor das die Kinder  nicht  für  diesen Geld  Erbschaftsteuer  bezahlen sollten .
Ich lese keine  Artikel mehr in der Tageszeitung weil es vergebene Müh  ist auch  bei  viel jüngeren Senioren
.


Wir alle müssen aufpassen - irgendetwas ist  immer  :-)  schönen Tag  euch
 

Pan

@reflex  
Betrüger gab es schon immer. Aber in dieser Intensität der Online-Wirkungen ist es schon erschreckend. Wie Du schon bemerktest: 
Aufpassen ....


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