H e i m a t

Autor: ehemaliges Mitglied






Heimat von Assie Katzenbart



Kalt war es, bitterkalt - ein eisiger Wind zog durch die Mauern der Häuser. Der kleine Junge drückte sich noch tiefer in die Hausnische und zog sein dünnes Mäntelchen um den kleinen Körper. Doch es nützte nicht viel, der Stoff war viel zu dünn.

Heute Morgen war er ausgerissen aus dem Waisenhaus, in dem so viele Kinder wohnen und doch herrschte nirgends wie dort eine tiefe Einsamkeit. Mutter und Vater waren seit einem Jahr tot und niemand hatte ihn haben wollen. Ja, er hatte genug zu essen und zu trinken, doch sonst - wer nahm ihn schon einmal in den Arm und sagte etwas Liebes, niemand.

Nun stand er hier mitten in der ach so lebhaften Geschäftsstraße mit ihren vielen, vielen bunten Lichtern und starrte in die hellen Schaufenster mit den so vielen verlockenden Dingen, von denen er nur träumen konnte.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite saß ein Bettler mit seinem Hund auf der eiskalten Erde. Kaum jemand beachtete ihn. Die Leute sahen weg oder taten so, als würden sie ihn nicht bemerken. Wenige hatten eine kleine Gabe für den Mann und seinen treuen so mageren Hund. Viele dachten - ach, der versäuft doch nur alles - Aber ist das nicht egal? Vielleicht kann er das armselige Leben nicht mehr anders ertragen. Wer weiß denn, wie sein Schicksal verlaufen ist. Wie leicht wäre es doch, wenn jeder ein noch so kleines Almosen für ihn übrig hätte. Hin und wider gab jemand ein wenig Geld, aber, das half ja nicht viel.
Die Leute kaufen und kaufen - immer mehr - immer teurer - nur an die Anderen, die Armen, denken sie nicht.

Es wurde schon dunkel und nach und nach blitzen die Leuchtreklamen auf. Es sah alles so anheimelnd aus und auch so reich.

Morgen ist Heiligabend, dachte der kleine Junge - und ich weiß nicht wohin. Ins Waisenhaus zurück, nein das möchte ich nicht mehr, nein niemals - Er sah hinüber zu dem armen Bettler mit seinem Hund, der immer noch frierend auf der Erde saß und da zog es auf einmal wie ein Blitz durch seinen Kopf. . . . . Jetzt weiß ich, wo ich sein möchte . . . . bei den Tieren. Sie geben Liebe, Liebe, zu der die gedankenlosen Menschen nicht fähig sind. Er sah es an dem treuen Hund des armen Mannes gegenüber. Er blieb bei seinem Herrn - auch in der größten Not.

Der Junge wußte, draußen in der Vorstadt gab es einen Gnadenhof für Tiere. Da, ja, genau dort will ich hin, dachte er und so machte er sich auf den Weg. Es war ein sehr weiter Weg, das wußte er, aber das war egal. So lief er dann los. Er lief und lief, viele, viele Stunden, doch die Kälte merkte er nicht mehr. Er hatte ja ein Ziel - ein wunderschönes Ziel. Es war nun schon tief in der Nacht und er musste einige Male nach dem Weg fragen, aber er war sich sicher, - einmal bin ich auch am Ziel - .

Und so war es denn auch. Er stand vor dem großen Tor zu dem Gnadenhof. "Heimat" stand über dem Torbogen, nur dieses eine schlichte Wort. "Heimat", sagte der kleine Junge, ja hier soll nun auch meine Heimat sein. Er ging hinein in den großen Hof. Es war ganz still. Rechts und links waren die vielen Ställe und geradeaus befand sich ein altes Wohnhaus. Der kleine Junge ging nach rechts zu den großen Ställen. Die Tür war nicht verschlossen und so konnte er ungehindert hineintreten. Es waren dort Pferde, Ziegen, Katzen - eben alles durcheinander. Schön ist es hier, so anheimelnd und warm. Er ging von Stall zu Stall, streichelte den Pferden über die weichen Nüstern und schaute in ihre samtbraunen Augen. Eine Katze strich um seine Beine. Tiefer Friede zog in sein kleines Herzchen ein. "Hier will ich bleiben", sagte er zu sich.

Dort hinten befand sich eine Box mit zwei kleinen Eselchen. Zu ihnen legte er sich ins Stroh, bettete seinen Kopf auf dem Bauch des einen - - - - - - dann schlief er erschöpft ein. Lange hatte er so gelegen an den warmen Körpern der Tiere. Als der Morgen grau und trübe heraufzog, schlug er die Augen auf. "Habe ich das etwa nur geträumt? - nein, Gott sei Dank, es ist Wirklichkeit, wunderbare Wirklichkeit und heute ist Heilig Abend. So und nicht anders soll der Heilige Abend sein - und bitte lieber Gott, laß es so sein für immer und alle Zeit für mich."

Im Stall wurde es nun lebhaft. Die Tiere rumpelten und bewegten sich. Leise stand er auf und ging von Box zu Box und schaute, was sie so machten.

Plötzlich ging die große Stalltür auf und ein Mann trat herein. Als er den kleinen Jungen sah, staunte er nicht wenig. "Ja, wo kommst Du denn her mein Junge. Der Kleine wußte gar nicht, was er sagen sollte. Er stand da und blickte den Mann mit großen Augen an. "Ich komme aus der Stadt - - - - bin vom Waisenhaus ausgerissen. Niemals mehr möchte ich dort hin zurück. Bitte, bitte, darf ich nicht hierbleiben? "Warte, ich komme gleich wieder." Nach einer Weile war er wieder da. "Habe mit dem Direktor gesprochen - darfst bleiben."

Das ist mein schönstes Weihnachtsgeschenk, dachte der kleine Junge. Er wurde auch gleich zur Arbeit eingeteilt, aber die machte er mit Freuden.

Als es Abend wurde, holte man alle Tiere aus den Ställen, führte sie in die Mitte des Hofes rund um die große Weihnachtstanne herum. Das war ein schönes Bild, Mensch und Tier in Zuneigung vereint. Es wurde das schönste aller deutschen Weihnachtslieder gesungen und der kleine Junge wußte, hier habe ich die Liebe gefunden

Katzenbart

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