Großvater und die Leuchttürme
Mein Großvater war nicht sehr groß, er war auch nicht dick, aber er war ... kompakt... wie einer aus dem Volk der Zwerge.
„Du kannst“, begann er an diesem Abend, „dich immer auf sie verlassen!“
Ich saß vor ihm und mein Blick war beständig auf seinen Mund gerichtet.
„Niemals erlischt ihr Feuer, niemals versagen sie ihren Dienst, einer passt immer auf!“
Begierig, die nächsten Worte in mich aufzusaugend, starrte ich auf seine Lippen. Von oben ragte der mächtige Schnäuzer fast bis in seinen Mund, aber die braunen Haare bestrichen jedes Wort mit noch mehr Spannung und hier und dort ein Rest Tabak sorgte für die ganze Wahrheit in seiner tiefen, rauen Stimme.
„Von See aus siehst Du direkt den Lichtkegel des Leuchtturmes- wie ein Blitz, aber auch von Land ist ein starker, mächtiger Lichtschein zu sehen, etwa wenn kalter, dichter Nebel die See bedeckt. Das mächtige Tuten des Nebelhorns ist dann für die Ohren gedacht, für die Augen bemüht sich das Licht, so weit wie möglich durch das kalte Nass zu dringen; manchmal jagen zwei Lichtkegel einander, wenn das Signal des Leuchtturms aus zwei Lichtblitzen besteht.“
Als ich eine Augenbraue hob, fuhr er fort: „Jeder Turm spricht eine andere Sprache und jeder Kapitän tut gut daran, genau zu wissen, welches Leuchtfeuer ein oder mehrere Lichtsignale und in welchem Abstand abgibt.“
„Manchmal“, seine derben Hände formten kleine Lufthäufchen, wobei seine schmutzigen Fingernägel kaum die grobe Tischplatte berührten.
„Manchmal stehen sie gar nicht an Land, sondern direkt auf den rauen Klippen, vor denen sie die Schiffe warnen wollen. Schmale Fußwege führen nur dorthin, wenn Flachwasser glitschige, muschelbewachsene Pfade freigibt. Bei Sturm ist ein Verlassen des Turms gar nicht möglich.“
Kurzes Schweigen.
Düstere Bilder aus dem gefährlichen Leben der Leuchtturmwächter vor meinem geistigen Auge.
„Oder sie stehen direkt im tosenden Orkan der Seewinde, wie ein mächtiges Bollwerk gegen Gottes Urgewalten.“
„Komische Käuze sind die Leuchtturmwächter meistens, Männer ohne viele Worte, Freunde einer einfachen, wichtigen Kommunikation.
Ihnen machen die einsamen Nächte in der kleinen Behausung nichts aus, haben sie doch ihren starken Kaffe, ihren Funk und die wichtige Aufgabe, Menschenleben zu retten.
Heute ist es kein offenes Feuer mehr wie früher, das geschürt und trocken gehalten werden muss, aber auch heute müssen die riesigen Glühbirnen und die schweren Glaslinsen überprüft und gewartet werden und selbst ferngesteuerte Türme müssen manchmal von Hand betrieben werden, wenn die Technik ausfällt.“
„Denn geblieben...“ er zog an seiner Pfeife und ließ den Rauch langsam zur Decke steigen.
„... sind die Matrosen in ihren sturmgeschüttelten Booten, mit denen meterhohe Wellenberge spielen. Männer und Frauen, die verloren sind, wenn das wegweisende Licht ausfällt und sie die Orientierung verlieren.“
Er schwieg eine Weile, klopfte dann seine Pfeife aus und versprach:
“Morgen machen wir einen Ausflug zum „Langen Jan“, dann zählen wir die Stufen der Wendeltreppe in seinem Bauch und schauen von ganz oben über die See. Und sicher ist auf dem Rückweg noch Zeit für ein Eis...“ fügte er lächelnd hinzu.
Auch ich musste lächeln, denn ich wusste nur zu genau, wie gerne ER Vanilleeis mochte.
WN 06.10.2008
PS: Nur eine Geschichte... Großvater sah ganz anders aus!
„Du kannst“, begann er an diesem Abend, „dich immer auf sie verlassen!“
Ich saß vor ihm und mein Blick war beständig auf seinen Mund gerichtet.
„Niemals erlischt ihr Feuer, niemals versagen sie ihren Dienst, einer passt immer auf!“
Begierig, die nächsten Worte in mich aufzusaugend, starrte ich auf seine Lippen. Von oben ragte der mächtige Schnäuzer fast bis in seinen Mund, aber die braunen Haare bestrichen jedes Wort mit noch mehr Spannung und hier und dort ein Rest Tabak sorgte für die ganze Wahrheit in seiner tiefen, rauen Stimme.
„Von See aus siehst Du direkt den Lichtkegel des Leuchtturmes- wie ein Blitz, aber auch von Land ist ein starker, mächtiger Lichtschein zu sehen, etwa wenn kalter, dichter Nebel die See bedeckt. Das mächtige Tuten des Nebelhorns ist dann für die Ohren gedacht, für die Augen bemüht sich das Licht, so weit wie möglich durch das kalte Nass zu dringen; manchmal jagen zwei Lichtkegel einander, wenn das Signal des Leuchtturms aus zwei Lichtblitzen besteht.“
Als ich eine Augenbraue hob, fuhr er fort: „Jeder Turm spricht eine andere Sprache und jeder Kapitän tut gut daran, genau zu wissen, welches Leuchtfeuer ein oder mehrere Lichtsignale und in welchem Abstand abgibt.“
„Manchmal“, seine derben Hände formten kleine Lufthäufchen, wobei seine schmutzigen Fingernägel kaum die grobe Tischplatte berührten.
„Manchmal stehen sie gar nicht an Land, sondern direkt auf den rauen Klippen, vor denen sie die Schiffe warnen wollen. Schmale Fußwege führen nur dorthin, wenn Flachwasser glitschige, muschelbewachsene Pfade freigibt. Bei Sturm ist ein Verlassen des Turms gar nicht möglich.“
Kurzes Schweigen.
Düstere Bilder aus dem gefährlichen Leben der Leuchtturmwächter vor meinem geistigen Auge.
„Oder sie stehen direkt im tosenden Orkan der Seewinde, wie ein mächtiges Bollwerk gegen Gottes Urgewalten.“
„Komische Käuze sind die Leuchtturmwächter meistens, Männer ohne viele Worte, Freunde einer einfachen, wichtigen Kommunikation.
Ihnen machen die einsamen Nächte in der kleinen Behausung nichts aus, haben sie doch ihren starken Kaffe, ihren Funk und die wichtige Aufgabe, Menschenleben zu retten.
Heute ist es kein offenes Feuer mehr wie früher, das geschürt und trocken gehalten werden muss, aber auch heute müssen die riesigen Glühbirnen und die schweren Glaslinsen überprüft und gewartet werden und selbst ferngesteuerte Türme müssen manchmal von Hand betrieben werden, wenn die Technik ausfällt.“
„Denn geblieben...“ er zog an seiner Pfeife und ließ den Rauch langsam zur Decke steigen.
„... sind die Matrosen in ihren sturmgeschüttelten Booten, mit denen meterhohe Wellenberge spielen. Männer und Frauen, die verloren sind, wenn das wegweisende Licht ausfällt und sie die Orientierung verlieren.“
Er schwieg eine Weile, klopfte dann seine Pfeife aus und versprach:
“Morgen machen wir einen Ausflug zum „Langen Jan“, dann zählen wir die Stufen der Wendeltreppe in seinem Bauch und schauen von ganz oben über die See. Und sicher ist auf dem Rückweg noch Zeit für ein Eis...“ fügte er lächelnd hinzu.
Auch ich musste lächeln, denn ich wusste nur zu genau, wie gerne ER Vanilleeis mochte.
WN 06.10.2008
PS: Nur eine Geschichte... Großvater sah ganz anders aus!
Kommentare (5)
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Ich mag Leuchttürme auch sehr gern.
Vor Jahren hätten wir einmal die Gelegenheit gehabt, in einem "umgebauten" ehemaligen Leuchtturm in Irland unsere Ferien zu verbringen.
Aber mein Mann meinte nur: Entweder der Leuchtturm oder ich....
---tja, dann mußte ich eben meine Prioritäten setzen
Gruß
Cécile
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Da kennen wir Dich nun schon soooo lange und hatten keine Ahnung, wie anschaulich und rührend Du uns was mitteilen kannst.
Danke für diese schöne Geschichte sagt Dir Lilo
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