Es sah lange Zeit so aus, als wollte das Grün der Laubbäume sich gar nicht herbstlich einfärben. Längst lagen Eicheln und Kastanien zwischen dem inzwischen abgefallenen Laub am Boden. Die Bäume wurden lichter, durchsichtiger. Eigenartig dieses tapfer widerstehende Grün.
Kälter ist’s geworden. Da und dort hielten die ersten Fröste Einzug. Man brauchte also wieder etwas Warmes, will man länger durch Stadt und Land gehen. Es lohnt sich noch bei dem herbstlichen Tagen – oh, mal ohne Regen – sich auf den Weg zu machen, den Lungen etwas Gutes anzutun.

So also waren wir heute, gleich nach dem Mittagessen, an diesem sonnigen Samstag, so im letzten Drittel des Oktobers, so also waren wir heute mit der S-Bahn über den Südring gefahren, waren uns zuvor noch nicht einig, ob wir in den Britzer Garten gehen sollten, oder: „Wie wäre es denn mal den Herbst im Berliner Tiergarten zu suchen?“

Wir fuhren also mit der S-Bahn bis zum Brandenburger Tor (früher die S-Bahn-Station „Unter den Linden“), kletterten von dem Bahnsteig unter der Erde hinauf in das fast grelle Licht dieses Herbsttages. Wir landeten ostwärts vom Brandenburger Tor, zum Tiergarten mussten wir also durch das Tor wandern.

Mein Gott, was für eine Menge grüner und blauer Polizei-Autos. Und Volk vor und hinter dem Tor, aus Lautsprechern hallten Parolen, nicht von der Polizei. Die stand mit „Helm ab“ so herum, hatte scheinbar nichts zu tun, eben nur präsent. Zivile Gruppen und Grüppchen versperrten so eine saubere Sicht durch das Tor und hinüber zur „Goldelse“ (die Germania auf der Siegessäule).

Wir passierten den „Pariser Platz“ (vor dem Brandenburger Tor) und den „Platz des 18.März“ (von 1848/49, hinter dem Brandenburger Tor). Wir schlenderten auf der rechten Seite der „Straße des 17.Juni“ (von 1953) vorbei am Sowjetischen Ehrenmal bis zur Witzek-Rabin-Straße, weil dort eine Ampel zum Wechsel auf die andere Straßenseite einlud. Und dieser Wechsel war auch nötig, weil da (vermutlich polizeilich) der Zugang zu dem Teil des Tiergartens verwehrt wurde. Wir trafen da auch Polizisten der Bereitschaftspolizei. An den Ärmelwappen konnte man sehen, dass diese aus Bayern ausgeliehen waren – sie kamen aus Nürnberg – wie lange sie von zu Hause wegbleiben mussten, wussten sie nicht.

Wir erreichten nun auf der linken Seite der breiten Chaussee im Tiergarten den Floraplatz. Eine Dame zu Pferd harrte da in grün angelaufener Bronze auf einem Sockel. Nicht nur, dass wir sie aus allen Richtungen auf unseren Kamera-Chips fest hielten, nein auch von dort, in alle Himmelsrichtungen Ausschau haltend, konnte man vieles Interessantes rund um den Tiergarten hereinschauen sehen.

Weiter ging’s. Knobelsdorff, Lenne und viele andere berühmte Garten-Architekten hatten den Park seit dem 18.Jahrhundert für die Herrscher und schließlich heute für die Besucher von weit her und natürlich für die Berliner gestaltet. Die Wunden, die der Park zum Ende des Zweiten Weltkrieges erfuhr, sind doch gut vernarbt. Einige wenige Bäume hatte man „retten“ können, das sind so die Muhmen inmitten dem in den sechzig Jahren schon kräftig angewachsenen Baumbestand. Aber auch junge Bäume, noch ordentlich gestützt und geschützt, hat man so an Wegen eingepflanzt.

Kleine Teiche oder Seen lassen in sich das nun endlich bunt werdende Kleid der Bäume wiederspiegeln. An der Komponisten-Säule – Plastiken von Mozart, Beethoven und Haydn – machten wir kurz Halt, fingen dieses sich so sauber in das Licht des Nachmittags abzeichnende Denkmal für unsere Bildersammlung ein. Eigentlich eine Plastik, die nicht zu den bekanntesten zählt, aber, wie es alte Bilder zeigen einmal den Krieg und das, was danach kam, überstand.
Viel weiter nach Westen wollten wir heute nicht „vordringen“. Ein Weg führte uns zu der Straße, wo der Verkehr von Süd nach Nord den Tiergarten unterfährt. Wir erreichten schließlich die Häuserfluchten des Geländes, das bis zur „Wende“ durch die Mauer verunziert und brach lag, den Potsdamer Platz. Wie hat sich alles gemausert! Hier dominieren Taxen, die auf zahlendes Publikum warten. Schließlich wird ja auch an diesem Abend so manches Gebäude illuminiert.

Mein Spatz hatte den Wunsch geäußert, doch den neuesten Film mit Elmar Wepper als Taxi-Fahrer anzusehen. Dieser Film zeigt ihn knurrig und ernst mit einem türkischen Kind. Bilder aus Nürnberg. Deutsche Untertitel zum Türkischen Text und echt Bayrisches Gemurmel. Und das stupst einen so ganz in die Wirklichkeit in Berlin, zurück in den Alltag und Sprachengewirr. Wir hatten noch Zeit bis zum Beginn der Vorstellung in einem der vielen Kinos im Bereich des Potsdamer Platzes.

Es macht genauso viel Spaß, mit der Kamera den Trubel in den beleuchteten Straßen fest zu halten. Wir setzen uns irgendwo dazwischen hin, ließen unsere Gehwerkzeuge einmal wieder etwas neuen Schwung aufnehmen. Zeit zum Umschauen. Leben – Samstag (oder Sonnabend) – Groß und Klein unterwegs. Alt und Jung und wir mittendrin sehend und knipsend. Wir bekamen die zwei Stunden bis zum Filmanfang schon „tot“.

Als wir aus dem Kino heraus kamen, war das bunte Anstrahlen verschiedener Gebäude in vollem Gange. Wieder etwas für unsere Kameras. Wir waren satt, machten uns auf den Heimweg, stiegen in die S-Bahn ein, unterirdisch, erlebten dann im Zug auf dem Südring leibhaftig das Kunterbunt der Stadt Berlin: zwei Türkenfamilien schnatterten in Türkisch und Deutsch. Natürlich wurde es prompt wieder ruhig, als der Zug in Berlin-Neukölln hielt und Alle ausstiegen.

Zu dunkel, noch zu erkennen, wie das Laub auf den Bäumen ausschaut. Zu kühl, ohne Anorak spazieren zu gehen. Nur: schon sehr früh geht die Sonne zu Bett im „Goldenen Oktober“.

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