Februar
... Zwölf Monate umfasst das Jahr;
der zweite ist der Februar,
gelegen in der Jahreszeit,
wo´s mehr als vorher friert und schneit.
Doch mit den achtundzwanzig Tagen
lässt er sich einfacher ertragen,
selbst wenn er, weil´s ein Schaltjahr ist,
gar neunundzwanzig Tage misst.
Wird manchmal auch der Winter strenger,
die Tage werden wieder länger.
Wer morgens aus dem Schlaf erwacht,
tut´s nicht mehr mitten in der Nacht,
weil ab und zu am Horizont
ein Wölkchen, rosarot besonnt,
geheimnisvoll und unbegründet
den Anfang eines Tags verkündet.
... Doch Aussichten, die sich entfalten,
sind, wie so häufig, zwiegespalten,
nicht logisch und nicht rational,
mit andern Worten, ein Skandal,
Andeutung nur, ein schwacher Hauch,
voll Widerspruch, sowohl - als auch.
... Nun kommt, - wie soll es anders sein? –
auch hier ein Unglück nicht allein.
Gefrässig-gierig lauert schon
im Hinterhalt die Depression,
die keinen, der in Stockholm wohnt,
im Monat Februar verschont,
die bohrt und plagt und piekst und quält,
obwohl´s nach außen an nichts fehlt.
Dergleichen macht den Stärksten mürbe
so sehr, dass er am liebsten stürbe,
wenn Suizid nur nicht so schwer
und risikobehaftet wär.
... Sobald die Sonne höher steigt
und Licht sich überall verzweigt,
dringt damit zwar ein Hoffnungsschein
ins winterkalte Herz hinein.
Licht lindert nämlich die Misere, -
Wenn da nicht noch das andre wäre,
das Öde, Triste, Totenblasse,
das Langweilige, Graue, Nasse,
das Oberflächliche, Banale,
Verschwommene, Stupide, Fahle,
das vor dem Fenster unverhohlen
umherschwirrt wie ein Schwarm von Dohlen.
... Wer aus dem Bett durchs Fenster schaut,
hüllt sich sofort in Gänsehaut,
und auch sein Innerstes erstarrt
beim Anblick dieser Gegenwart,
so dass er sich erneut einrollte,
wenn er nur könnte, wie er wollte.
Doch leider, ach, er kann es nicht,
unüberhörbar ruft die Pflicht,
und nur die wenigsten der Pflichten
kann einer ja im Bett verrichten.
Meist muss er dazu aus dem Haus,
das heißt, auch aus dem Bett hinaus.
... Er schnäuzt mit einem stillen Fluch
Zähschleimiges ins Taschentuch,
schlüpft in die sonst bedeutungslosen
schafwollnen langen Unterhosen;
schluckt reichlich Vitamintabletten,
die, hofft er, vor Erkältung retten;
beschließt, es sei ein Schnaps vonnöten,
um die Bazillen abzutöten,
und lutscht zu seiner Kehle Wohl
kaugummiartiges Menthol.
Er fasst den mutigen Beschluss
zu tragen, was er tragen muss.
Da Klagen sowieso nichts nützen
und vor dem Wetter nicht beschützen,
erscheint es klüger, ohne Klagen
das Unvermeidliche zu tragen,
wozu, auch wenn es noch so stört,
der Monat Februar gehört.
... Doch wer von so viel Grau umgeben,
sehnt sich nach Farbe, Duft und Leben,
nach Vogelzwitschern, grünen Wiesen,
exotisch-fernen Paradiesen,
Begeisterung, Unendlichkeit,
nach einem Aufbruch der befreit.
... Noch tut sich nichts, er wird nicht froh,
die Welt als solche ist nicht so.
Nein, diese Gegenwart ist wahrlich
nichts anderes als februarlich.
Da hilft nicht zornig sein, nicht toben;
nichts, gar nichts hilft mehr … siehe oben.
... Ach Leser, warte noch ein Weilchen,
dann blühn im Garten erste Veilchen,
und hier in Schweden zwischen Klippen
blühn weisse oder blaue Zippen; x
die Kräfte blühn, die Liebe blüht,
es grünen Birken und Gemüt.
Der Dichter (richtig, dieser hier)
ergreift ein neues Blatt Papier,
denn auch in ihm steigt dann der Saft.
Es grünt und blüht die Dichterkraft
... Doch leider, noch ist Februar.
Er ist so, wie es immer war:
Apathisch, trostlos, trist und fahl,
genau genommen stinknormal,
normaler Frust, normaler Schmerz.
O komm doch endlich, lieber März,
und komm, für alle deine Fans,
auch du recht bald, geliebter Lenz.
Christoph Hartlieb
x Vit- och blåsippor
der zweite ist der Februar,
gelegen in der Jahreszeit,
wo´s mehr als vorher friert und schneit.
Doch mit den achtundzwanzig Tagen
lässt er sich einfacher ertragen,
selbst wenn er, weil´s ein Schaltjahr ist,
gar neunundzwanzig Tage misst.
Wird manchmal auch der Winter strenger,
die Tage werden wieder länger.
Wer morgens aus dem Schlaf erwacht,
tut´s nicht mehr mitten in der Nacht,
weil ab und zu am Horizont
ein Wölkchen, rosarot besonnt,
geheimnisvoll und unbegründet
den Anfang eines Tags verkündet.
... Doch Aussichten, die sich entfalten,
sind, wie so häufig, zwiegespalten,
nicht logisch und nicht rational,
mit andern Worten, ein Skandal,
Andeutung nur, ein schwacher Hauch,
voll Widerspruch, sowohl - als auch.
... Nun kommt, - wie soll es anders sein? –
auch hier ein Unglück nicht allein.
Gefrässig-gierig lauert schon
im Hinterhalt die Depression,
die keinen, der in Stockholm wohnt,
im Monat Februar verschont,
die bohrt und plagt und piekst und quält,
obwohl´s nach außen an nichts fehlt.
Dergleichen macht den Stärksten mürbe
so sehr, dass er am liebsten stürbe,
wenn Suizid nur nicht so schwer
und risikobehaftet wär.
... Sobald die Sonne höher steigt
und Licht sich überall verzweigt,
dringt damit zwar ein Hoffnungsschein
ins winterkalte Herz hinein.
Licht lindert nämlich die Misere, -
Wenn da nicht noch das andre wäre,
das Öde, Triste, Totenblasse,
das Langweilige, Graue, Nasse,
das Oberflächliche, Banale,
Verschwommene, Stupide, Fahle,
das vor dem Fenster unverhohlen
umherschwirrt wie ein Schwarm von Dohlen.
... Wer aus dem Bett durchs Fenster schaut,
hüllt sich sofort in Gänsehaut,
und auch sein Innerstes erstarrt
beim Anblick dieser Gegenwart,
so dass er sich erneut einrollte,
wenn er nur könnte, wie er wollte.
Doch leider, ach, er kann es nicht,
unüberhörbar ruft die Pflicht,
und nur die wenigsten der Pflichten
kann einer ja im Bett verrichten.
Meist muss er dazu aus dem Haus,
das heißt, auch aus dem Bett hinaus.
... Er schnäuzt mit einem stillen Fluch
Zähschleimiges ins Taschentuch,
schlüpft in die sonst bedeutungslosen
schafwollnen langen Unterhosen;
schluckt reichlich Vitamintabletten,
die, hofft er, vor Erkältung retten;
beschließt, es sei ein Schnaps vonnöten,
um die Bazillen abzutöten,
und lutscht zu seiner Kehle Wohl
kaugummiartiges Menthol.
Er fasst den mutigen Beschluss
zu tragen, was er tragen muss.
Da Klagen sowieso nichts nützen
und vor dem Wetter nicht beschützen,
erscheint es klüger, ohne Klagen
das Unvermeidliche zu tragen,
wozu, auch wenn es noch so stört,
der Monat Februar gehört.
... Doch wer von so viel Grau umgeben,
sehnt sich nach Farbe, Duft und Leben,
nach Vogelzwitschern, grünen Wiesen,
exotisch-fernen Paradiesen,
Begeisterung, Unendlichkeit,
nach einem Aufbruch der befreit.
... Noch tut sich nichts, er wird nicht froh,
die Welt als solche ist nicht so.
Nein, diese Gegenwart ist wahrlich
nichts anderes als februarlich.
Da hilft nicht zornig sein, nicht toben;
nichts, gar nichts hilft mehr … siehe oben.
... Ach Leser, warte noch ein Weilchen,
dann blühn im Garten erste Veilchen,
und hier in Schweden zwischen Klippen
blühn weisse oder blaue Zippen; x
die Kräfte blühn, die Liebe blüht,
es grünen Birken und Gemüt.
Der Dichter (richtig, dieser hier)
ergreift ein neues Blatt Papier,
denn auch in ihm steigt dann der Saft.
Es grünt und blüht die Dichterkraft
... Doch leider, noch ist Februar.
Er ist so, wie es immer war:
Apathisch, trostlos, trist und fahl,
genau genommen stinknormal,
normaler Frust, normaler Schmerz.
O komm doch endlich, lieber März,
und komm, für alle deine Fans,
auch du recht bald, geliebter Lenz.
Christoph Hartlieb
x Vit- och blåsippor
Kommentare (7)
2.Rosmarie
Lieber Silesio,
dein Gedicht ist das reinste Vergnügen! Ich genieße es und lächle und lächle und lächle...
In Stockholm hatte ich mal einen Freund und ein paar Jahre vorher eine Brieffreundin. Ich habe Schweden geliebt - und seine Hauptstadt auch!
Aber um den langen, dunklen Winter beneide ich dich nicht...
Liebe Grüße
Rosmarie
dein Gedicht ist das reinste Vergnügen! Ich genieße es und lächle und lächle und lächle...
In Stockholm hatte ich mal einen Freund und ein paar Jahre vorher eine Brieffreundin. Ich habe Schweden geliebt - und seine Hauptstadt auch!
Aber um den langen, dunklen Winter beneide ich dich nicht...
Liebe Grüße
Rosmarie
ehemaliges Mitglied
Wenn wer, wie Du, in Stockholm wohnt,
Und dort im Licht des vollen Mond
beim Feberverseschreiben front,
dem ist es nicht mehr ungewohnt,
wenn ihn der Karneval verschont –
drum sag ich Dir, gefühlsbetont,
es hätt' sich noch ein Vers gelohnt,
in dem ein Narr samt Närrin thront.[/indent][i]Grüße - elbwolf
Und dort im Licht des vollen Mond
beim Feberverseschreiben front,
dem ist es nicht mehr ungewohnt,
wenn ihn der Karneval verschont –
drum sag ich Dir, gefühlsbetont,
es hätt' sich noch ein Vers gelohnt,
in dem ein Narr samt Närrin thront.[/indent][i]Grüße - elbwolf
seelchen
Ein wundervolles gedicht über den februar........schmunzel.........
wusste gar nicht....dass man über einen monat so viel schreiben kann.....
wir haben uns köstlich amüsiert...lieber silesio.......
mit einem danke und einem lieben gruss von seelchen..
wusste gar nicht....dass man über einen monat so viel schreiben kann.....
wir haben uns köstlich amüsiert...lieber silesio.......
mit einem danke und einem lieben gruss von seelchen..
kleiber
Ich habe Tränen gelacht!!!
So kannst nur "DU" schreiben!!!
Einen herzlichen Dank!!!
Ganz liebe Grüsse Margit
So kannst nur "DU" schreiben!!!
Einen herzlichen Dank!!!
Ganz liebe Grüsse Margit
Jeder Tag wird jetzt ein wenig länger. Geduld zahlt sich aus und in den Gartencentern ist der Frühling bereits eingekehrt. Mit ein paar bunten Frühlingsblühern die gemütliche Ecke aufpeppen bringt auch Laune.
Bald, bald wird es wieder angenehm draussen und die depressive Stimmung legt sich wieder bei den Menschen.
Wir wissen ja, scheint die Sonne, steigt die gute Laune.
Ein langes Gedicht dem Februar gewidmet, wie er in den nördlichen Breiten auf die Menschen wirkt. Ich musste unwillkürlich auch aufgrund deiner Dichtkunst an Eugen Roth denken.
Freundliche Grüße von
indeed