Engelhemd ohne Flügel

Engelshemd ohne Flügel,

Im Krankenhaus wurde ich gut versorgt
Auch das Engelshemd hat man mir geborgt
Es sitzt schön locker, gar nichts klemmt
Weil hinten offen, das Engelshemd
Das Engelshemd ist zwar nicht schick
Doch passt es Jedem, egal ob dünn oder dick

Die Dessous aus weißem Netz sind elastisch
Und stehen mir auch ganz fantastisch
Doch der Doktor kommt mir in die Quere
Greift beherzt zu seiner Schere
Und schon liege ich ganz blank
Auf der schmalen Folterbank

Ein kleiner Piekser, gleich schlafe ich ein
Bin ausgeliefert, das ist gemein
Weglaufen kommt nicht in Frage
Denn ich bin nicht mehr Herr der Lage
Dabei möchte ich noch so viel wissen
Doch schon ist mir der Faden gerissen

Aufgewacht im Krankenzimmer
Links von mir Gestöhne und Gewimmer
Ich werde kreidebleich und lechze nach Luft
Im Raum liegt ein undefinierbarer Duft
Eine Mischung aus Moschus und faulem Ei
Ich bewerbe mich bei „Zimmer frei“

Das Fenster geschlossen, es könnte ja ziehn
Oder einer der Düfte nach draußen entfliehn
Mein Appell bleibt ungehört
Weil das offene Fenster die Bettnachbarin stört
Die Schwester bringt mir die „Niere“
Falls ich den Kampf gegen die Übelkeit verliere

Dann wird es um mich herum Nacht,
oh selige Ohnmacht
als ich erwache, bin ich nicht allein
an meinem Bett sitzt mein Töchterlein
Benetzt meine Lippen, kühlt meine Stirn
Und ich trage immer noch den „Engelshemdzwirn“



© Wichtel Carola