Eine Geschichte ohne Titel
Eine Geschichte ohne Titel
Nach seinem spaerlichen Mittagessen kam er sofort zum Computer zurueck, loggte ein und machte einen Klick auf ihren Namen. Es war 1.28 Uhr in Indien, 8.58 Uhr in Deutschland. Aber sie war schon da.
“Ich bin wieder da!”
“Gruess Dich Ulli, ich bin auch wieder da!”
“Ich auch...es war ganz viel los hier inzwischen.....JETZT habe ich Zeit….Tut mir leid wegen gestern. Ich musste unser tolles Gespraech unterbrechen……………..!!”
“Liebe Ulli, Du hast genug Arbeit, die fuer uns beide reicht. Ab und zu sollten wir bisschen Spass haben oder einfach bloed miteinander reden”.
“Es geht mir gut, lieber Ram! Alles, was ich hier tue ist auch schön...es ist nur viel! Heute morgen habe ich schon ein junges, noch ziemlich wildes Pony gearbeitet....es soll für die Kinder sein, muss aber noch sooo viel lernen...die Arbeit mit ihm macht viel Spass! Hast Du das Bild erhalten?”
“Vow! Ist ein Beauty, das Bild! Ist es noch nicht zahm genug fuer die Kinder?
“Nein, es kann noch gar nichts...aber das werden oft die Besten, weil sie dann von uns ausgebildet sind und lernen von Anfang an, wie sie sich verhalten müssen.”
“Das muss ich mal sehen. Fuer mich ein total fremdes Gebiet.”
“Kennst Du von Astrid Lindgren das Kinderbuch Pippi Langstrumpf? Dieses Kind hat auch so ein Pferd.... mit schwarzen Tupfen.”
“Schon vor langer Zeit gelesen. Da habe ich allerdings nicht so viel aufs Pferd konzentriert.”
“Schon klar...nun musst Du auf die alten Tage noch eine Pferdefrau ertragen...ARMER! Es ist sehr schwer, so etwas zu beschreiben.....Ein Pferd ist etwas sehr besonderes! Es ist stark, freundlich, neugierig, schreckhaft (Fluchttier) und traumhaft schön!”
“Wunderbar Ulli! Koennen wir aber heute ueber die Leute sprechen, die Du betreust? Von einer jungen Frau hast Du mal gesprochen. Ich moechte sowohl das aeussere Bild als auch den Menschentyp verstehen bzw kennenlernen. Erzaehl mal ueber die erste Begegnung mit ihr.”
“Ja, das machen wir.........diese junge Frau ist nicht sehr groß, ganz dünn. Der ganze Körper ist zernarbt, sogar das Gesicht...sie möchte nicht gut aussehen...ist eigentlich sehr hübsch und hat wunderbare, seelenvolle Augen......sie trägt fast immer schwarze Kleidung.”
“Die Narben! Woher kommen die?”
“Sie hat sich selbst verletzt...möchte nicht gut aussehen. Sie ist eine sehr kluge Frau und ich mag sie sehr, aber sie ist für das Leben, wie wir es kennen, kaum in der Lage…..”
“In meinem Projekt da in Ostfriesland hatte ich eine Gruppe von Leuten kennengelernt, die alle Problemkinder hatten, Mongolide und solche. Ich war der einzige Aussenseiter!”
“Ram, einiges habe ich Dir schon geschrieben.”
“Ja, das stimmt. Viel wichtiger fuer mich ist Deine erste Begegnung mit der jungen Dame.”
“Sie stand vor mir, klein, zart und zerbrechlich. In schwarzen Kleidern und einem viel zu großen Pullover...die Ärmel hatte sie in ihre Hände gestopft und hielt sie wie eine kleine Puppe. Ich fragte sie, warum sie zu uns möchte und sie antwortete mit leiser bebender Stimme: " Ihr habt so viele Tiere, die liebe ich und ich möchte endlich ein zu Hause haben.”
“Verstehe ich.”
“Jetzt ist sie eine junge Frau, inzwischen 36. Sie wurde von ihrem Vater schon als 3-jähriges Kind mißbraucht...sie musste immer Kleidchen anziehen und er hat sie mit in sein Büro genommen und an andere Männer ausgeliehen.”
“Ach Du lieber ............................!”
“Was sind das bitte für Menschen?”
“Auch Tiere sind besser, wuerde man meinen!”
“Die Mutter war Alkoholikerin. Die hat er immer erst betrunken gemacht.....Und Tiere tun so etwas nie!! Dieser Mann hat sie vor 2 Jahren, als es ihr eingermaßen gut ging.....auf der Straße abgefangen und sie gleich wieder mißbraucht und sein Freund mit.
“Mir wird richtig uebel!”
“Er läuft frei herum....leitet in einer Grossstadt eine Versicherungsgesellschaft, ist mit im Stadtrat UND hat eine Charite in Thailand.....ich denke, Du weißt was das heißt.”
“Ich glaube schon! Dass solche Schweine (pardon!) doch frei herumlaufen, das ist die Tragoedie!
“Da eine Anzeige bedeuten würde, dass meine Süße hier aussagen müsste wo,wie, wann, wie oft, und das vor den Richtern und sie müsste ertragen, dass dies mit Fernsehen und Presse weitergetragen würde. Das könnte sie nicht ertragen. Daher kann er machen, was er will. Ich hätte Lust ihn mit einem Schild nackt in seiner Stadt auf die Straße zu ketten, damit ihm jeder einmal kräftig igendwohin treten kann….!”
“Ich verstehe Dich. Aber es gibt Laender, wo solche Prozesse 'in camera' laufen, damit der betroffenen Person all dies erspart bleibt.”
“Auch das könnte sie nicht ertragen. Ihr ganzer Körper ist eine einzige Wunde, sie mag nichts essen, sie möchte aber leben und hat nie Normalität erlebt! Bei uns sagt sie zum ersten Mal, dass sie sich hier wohl fühlt und dass wir ihr zu Hause sind...trotzdem ist sie fast jeden Monat einmal in der Psychiatrie.”
“Kann ich gut verstehen, Ulli!”
“Ständig am Tag hat sie Flashbacks..sei es bei flüssiger Seife, bei heller Soße, bei Geräuschen, Gerüchen...immer wieder. Wir können uns eine solche Not nicht vorstellen! ABER iht Trost sind unsere Tiere. Ich sehe sie oft auf dem Boden knien und unsere Hunde streicheln und sie hat sogar schon öfter auf dem Pferd gesessen. Da strahlt sie wie ein kleines Kind. Das ist so schön zu sehen. Und sie weiß, dass sie den Tieren zu jeder Zeit vertrauen kann.
“Ja, ……….”.
“Mir ist die Öffnung zur Welt total wichtig! Früher hat man die schwierigen Menschen einfach weggesperrt aber ich möchte sie fit machen für das Leben.”
“Schoen gesagt! Alle beide Sachen. Fit fuers Leben ist sehr gut auch!
“Ich kann mit Leichtigkeit für meine Menschen hier eine heile Welt zaubern...damit nehme ich sie gefangen und binde sie an mich, als wäre ich die Wahrheit und nur ich! Das ist aber falsch.”
“Ich verstehe! Fit nicht nur fuer Ulli sondern fuer die Welt da draussen!”
“Es geht ihnen hier schon so gut, wie sie es später selbst nicht halten können.......aber ich möchte, dass sie die Anbindung an die Realität nicht verlieren...sonst ist ihr Leben keine Entwicklung sondern fetter Stillstand.”
“Auch sehr gut formuliert! Langsam beginne ich Deine Arbeit zu verstehen!”
“Der Missbrauch und die alten Lebensumstände meiner Bewohner sind sicher sehr schlimm, unvorstellbar schlimm, aber meiner Ansicht nach ist es ihr Karma und sie müssen lernen, es zu verstehen und damit umzugehen und damit möchte ich ihnen helfen und ich möchte ihnen den Weg zurück in das normale Leben zeigen und ihnen dabei helfen. Das ist harte Arbeit.”
“Das Sanskrit Wort Karma bedeutet eigentlich Schicksal. Etwas, wogegen Du nichts tun kannst.”
“Genau! Ich möchte nicht dagegen arbeiten, sondern die Menschen stärken, es anzunehmen.”
“Richtig!”
“Schicksal ist in meinen Augen das, was wir uns in den vorigen Leben gutes und auch schlechtes erarbeitet haben und das wir bearbeiten müssen....wir nehmen sozusagen unser moralisches Päckchen immer wieder mit zur Erde! Ziel ist wie immer: Die Vollkommenheit und das ist ein Weg durch viele Leben, weil wir schwach sind und immer wieder Fehler machen.....
“Du bist angeblich von Wiedergeburt viel mehr ueberzeugt als ich. Oder?”
“Das Merkwürdige an Menschen ist, dass sie nur in schweren Zeiten lernen. JA! DAS BIN ICH! Wie kommt es sonst zu so verschiedenen Schicksalen?”
Bevor er die Frage beantworten konnte, mussten sie das Gespraech unterbrechen.
Kommentare (5)
@Roxanna
Eine sehr schwierige Frage, liebe Margit! Ich habe wirkllich keine Antwort!
LG Prakash
@Prakash
Nun habe ich gedacht, lieber Prakasch, dass du als Inder doch Fachmann sein müsstest für Karma-Fragen 😉. Wo finde ich denn nun eine Antwort auf diese Frage, die mich schon immer wieder beschäftigt hat. Oder muss ich mich einfach zufriedengeben, dass es einen Sinn hat, nicht zu wissen?
Herzliche Grüße kommen von
Brigitte
@Prakash
Ich muss dich auch um Entschuldigung bitten, lieber Prakash, weil ich deinen Namen nicht richtig geschrieben habe. Ein c gehört da nicht hin.
Lieben Gruß
Brigitte
Eines, lieber Prakasch habe ich bis heute nicht verstanden am Karma. Welchen Sinn macht es, wenn man gar nicht mehr weiß, was man sozusagen in einem anderen Leben "verbrochen" hat und warum man im jetzigen leiden muss? Wäre es nicht gut zu wissen, wo der Ursprung des Leidens im jetzigen Leben liegt? So könnte man es doch auch sehr viel besser annehmen oder nicht?
Liebe Grüße
Brigitte