die unbegabte Lehrerin 3
Und dann die Grundschule....
Es war alles scheinbar perfekt! Nur wenige Minuten von zu Haus entfernt lag mein neuer Arbeitsplatz.
Und oft traf ich nachmittags in der Stadt die einen oder anderen meiner kleinen Lauser und wurde mit Hallo begrüßt:
"Da ist die Frau xxxx! Frau xxxxxxxxxxx!!!!!!"
Sie kamen auf mich zugerannt und umringten mich, Freude in den kleinen Gesichtern!
Mein Herz schlug höher! Ach, wie bin ich doch empfänglich für ein bißchen Liebe!
Man stellte mich den anderen Kindern vor:
"Das ist die Frau xxxx! Die verarschen wir immer!"
Wie gesagt!
Alles perfekt!
Und man verdient nicht schlecht als Lehrer heutzutage! Wenn nur nicht dieser nagende Zweifel gewesen wäre, dass ich das Geld, das ich verdiente, wirklich "verdiente".
Einen Teil davon investierte ich ja wieder in Unterrichtsmittel, die ich glaubte, unbedingt zu benötigen, um damit meine eigenen pädagogischen Unzulänglichkeiten zu kompensieren.
Ich war Klassenlehrerin eines 4. Schuljahres. 30 Prozent der Kinder waren Türken. Heute werden es wohl mehr als 50 Prozent sein. Ein paar der Kinder meiner Klasse würden das Gymnasium besuchen, die meisten aber zur Hauptschule gehen. Die Eltern der künftigen Gymnasiasten zeigten gesteigertes Interesse an meiner Unterrichtsweise und der Zensurengebung. Die übrigen Eltern scherten sich nicht um dergleichen!
Da war ein Junge, der von seinen Altvorderen offenbar als künftiger Einstein angesehen wurde. Sie nahmen mir persönlich übel, dass ihr kleines Genie nicht die besten Zensuren hatte.
Ein anderer Junge, ein Türke, war ihm in jeder Hinsicht überlegen. Der war aber auch wirklich phantastisch. Zum Beispiel im Kunstunterricht (ich musste an der Grundschule fast alle Fächer unterrichten, auch, was ich nicht studiert hatte). Besagter Türkenjunge war der einzige, der perspektivisch malte und zeichnete! Aber auch in Rechnen, Deutsch und Sachkunde lag er über dem Durchschnitt.
Außer meinem Vierten Schuljahr hatte ich noch Kunstunterricht in 2 Zweiten Schuljahren und Sprachförderunterricht für türkische Kinder zu geben.
Ungefähr ein Viertel der Kleinen hatte keine Malutensilien. Ob die Eltern nicht wollten oder nicht konnten...? Jedenfalls störten diese Kinder die anderen, nahmen ihnen die Stifte weg oder vernichteten ihre Werke.
Ich kaufte also massenhaft Zeichenblöcke und Stifte, um dem abzuhelfen. Aber was es umsonst gibt, ist nicht viel wert, und die Kleinen gingen recht unachtsam und verschwenderisch damit um. Dennoch war der Unterricht etwas besser, als alle Kinder mit Materialien versorgt waren.
Mit meinem Vierten Schuljahr machte der Kunstunterricht sogar teilweise Spaß. So hat die Klasse z. B. in Gemeinschaftsarbeit eine riesige Kollage gemacht. Bäume mit sehr vielen Ästen, auf eine Tapetenrolle gezeichnet und jedes Kind malte oder bastelte dafür bunte Vögel oder schnitt sie aus buntem Papier aus. Ein anderes Mal machten wir was Ähnliches mit einer Unterwasserlandschaft und bunten Fischen. Damit wurde das Klassenzimmer geschmückt und den anderen Lehrern gefielen unsere Werke auch.
Dagegen ging das mit den Puppenköpfen ziemlich daneben, obwohl einige gute Köpfe dabei entstanden sind. Ich hatte ein Material namens "Plastika" gekauft. Es muß mit Wasser gemischt und geknetet werden. Obwohl ich den Kindern eingeschärft hatte, wie sie es machen sollten, entstand eine Riesensauerei; die Klasse war dermaßen eingeferkelt, dass ich nach der Schule dablieb, um den Putzfrauen zu helfen!
In Sachkunde sollte ich meiner Klasse auch Sexualkundeunterricht geben. Der Lehrplan sah es - jedenfalls damals – so vor, und die Kollegen ermunterten mich dazu.
Es ging auch wider Erwarten gut. Ein paar Kinder kicherten anfangs. Ich forderte sie auf, zu sagen, was sie bereits über das Thema wussten und die Ausdrücke zu nennen, die sie dazu kannten. Dann machte ich ihnen klar, dass es dafür auch andere Wörter gab, die nicht anstößig waren.
Die restlichen Unterrichtsstunden liefen sachlich und ohne Peinlichkeiten ab. Die Geschlechtsorgane wurden schematisch gezeichnet und die Funktion erklärt.
Ich musste wohl mal an meinen Ex-Seminarleiter denken mit seinem Faible für naturalistisches Anschauungsmaterial. Schade, dass nie einer auf die Idee gekommen war, ihn zu fragen, wie er es damit beim Sexualkunde-Unterricht hielt!
Aber ehe ich mich jetzt in Details verliere, zurück zum Wesentlichen. Und das war wieder dasselbe wie bereits im Referendarjahr in der Hauptschule: ich konnte nicht für Disziplin sorgen und mir keinen Respekt verschaffen.
Es war ein ständiger Kampf. Ich hatte Albträume von Schulratbesuchen und Schülern, die im Flur Rollschuh liefen. Mir war manchmal auf dem Schulweg speiübel. Die Nachmittage verbrachte ich mit Unterrichtsvorbereitungen und mit den wildesten Überlegungen, wie ich die Schüler motivieren konnte, nur um zu vermeiden, dass ich rumschrie und mich aufführte wie ein Kampfhirsch!
Ich konnte ja nicht andauernd Filme zeigen (obwohl den Kindern das Spaß machte); außerdem war die Rheinhauser Stadtbildstelle inzwischen aufgelöst, und in Duisburg musste man die Filme langfristig vorbestellen.
Jedenfalls konnte ich mit diesem ständigen Gefühl der Unzulänglichkeit nicht fertig werden. Nach einem besonders schlimmen Vormittag stand dann mein Entschluss fest.
Ich schrieb mein Entlassungsgesuch an das Schulamt, und warf den Brief auch sofort ein!
Mein Rektor und die Kollegen konnten mich nicht mehr davon abhalten. Die Würfel waren gefallen.
Nachtrag:
Trotz der Beschäftigung mit meinen eigenen Problemen war mir nicht entgangen, dass inzwischen eine Prognose von Futurologen eingetroffen war: das, was sich zur heutigen Massenarbeitslosigkeit ausweitete, hatte bereits begonnen. Aber ich glaubte, mit meinem Pädagogikstudium einige gute Chancen zu haben. Ein großer Irrtum, wie sich zeigen sollte!
Ich fand zwar Arbeit, jedoch nicht ohne "sozialen Abstieg". Es vergingen viele Monate, angefüllt mit Herumjobben, ehe ich endlich einen Arbeitsplatz fand, an dem ich mich wohl fühlte und ein gutes Gehalt bekam, wenn auch nie mehr soviel wie als Lehrerin.
So hatte ich durch mein Studium einerseits das Land unnötig Geld gekostet, aber andererseits nicht viel länger als ein halbes Jahr lang als lausige Lehrerin Schüler gequält, sondern frühzeitig die Biege gemacht, was nicht nur meinen Nerven, sondern sicher auch zahlreichen Schülern zugute gekommen ist
Es war alles scheinbar perfekt! Nur wenige Minuten von zu Haus entfernt lag mein neuer Arbeitsplatz.
Und oft traf ich nachmittags in der Stadt die einen oder anderen meiner kleinen Lauser und wurde mit Hallo begrüßt:
"Da ist die Frau xxxx! Frau xxxxxxxxxxx!!!!!!"
Sie kamen auf mich zugerannt und umringten mich, Freude in den kleinen Gesichtern!
Mein Herz schlug höher! Ach, wie bin ich doch empfänglich für ein bißchen Liebe!
Man stellte mich den anderen Kindern vor:
"Das ist die Frau xxxx! Die verarschen wir immer!"
Wie gesagt!
Alles perfekt!
Und man verdient nicht schlecht als Lehrer heutzutage! Wenn nur nicht dieser nagende Zweifel gewesen wäre, dass ich das Geld, das ich verdiente, wirklich "verdiente".
Einen Teil davon investierte ich ja wieder in Unterrichtsmittel, die ich glaubte, unbedingt zu benötigen, um damit meine eigenen pädagogischen Unzulänglichkeiten zu kompensieren.
Ich war Klassenlehrerin eines 4. Schuljahres. 30 Prozent der Kinder waren Türken. Heute werden es wohl mehr als 50 Prozent sein. Ein paar der Kinder meiner Klasse würden das Gymnasium besuchen, die meisten aber zur Hauptschule gehen. Die Eltern der künftigen Gymnasiasten zeigten gesteigertes Interesse an meiner Unterrichtsweise und der Zensurengebung. Die übrigen Eltern scherten sich nicht um dergleichen!
Da war ein Junge, der von seinen Altvorderen offenbar als künftiger Einstein angesehen wurde. Sie nahmen mir persönlich übel, dass ihr kleines Genie nicht die besten Zensuren hatte.
Ein anderer Junge, ein Türke, war ihm in jeder Hinsicht überlegen. Der war aber auch wirklich phantastisch. Zum Beispiel im Kunstunterricht (ich musste an der Grundschule fast alle Fächer unterrichten, auch, was ich nicht studiert hatte). Besagter Türkenjunge war der einzige, der perspektivisch malte und zeichnete! Aber auch in Rechnen, Deutsch und Sachkunde lag er über dem Durchschnitt.
Außer meinem Vierten Schuljahr hatte ich noch Kunstunterricht in 2 Zweiten Schuljahren und Sprachförderunterricht für türkische Kinder zu geben.
Ungefähr ein Viertel der Kleinen hatte keine Malutensilien. Ob die Eltern nicht wollten oder nicht konnten...? Jedenfalls störten diese Kinder die anderen, nahmen ihnen die Stifte weg oder vernichteten ihre Werke.
Ich kaufte also massenhaft Zeichenblöcke und Stifte, um dem abzuhelfen. Aber was es umsonst gibt, ist nicht viel wert, und die Kleinen gingen recht unachtsam und verschwenderisch damit um. Dennoch war der Unterricht etwas besser, als alle Kinder mit Materialien versorgt waren.
Mit meinem Vierten Schuljahr machte der Kunstunterricht sogar teilweise Spaß. So hat die Klasse z. B. in Gemeinschaftsarbeit eine riesige Kollage gemacht. Bäume mit sehr vielen Ästen, auf eine Tapetenrolle gezeichnet und jedes Kind malte oder bastelte dafür bunte Vögel oder schnitt sie aus buntem Papier aus. Ein anderes Mal machten wir was Ähnliches mit einer Unterwasserlandschaft und bunten Fischen. Damit wurde das Klassenzimmer geschmückt und den anderen Lehrern gefielen unsere Werke auch.
Dagegen ging das mit den Puppenköpfen ziemlich daneben, obwohl einige gute Köpfe dabei entstanden sind. Ich hatte ein Material namens "Plastika" gekauft. Es muß mit Wasser gemischt und geknetet werden. Obwohl ich den Kindern eingeschärft hatte, wie sie es machen sollten, entstand eine Riesensauerei; die Klasse war dermaßen eingeferkelt, dass ich nach der Schule dablieb, um den Putzfrauen zu helfen!
In Sachkunde sollte ich meiner Klasse auch Sexualkundeunterricht geben. Der Lehrplan sah es - jedenfalls damals – so vor, und die Kollegen ermunterten mich dazu.
Es ging auch wider Erwarten gut. Ein paar Kinder kicherten anfangs. Ich forderte sie auf, zu sagen, was sie bereits über das Thema wussten und die Ausdrücke zu nennen, die sie dazu kannten. Dann machte ich ihnen klar, dass es dafür auch andere Wörter gab, die nicht anstößig waren.
Die restlichen Unterrichtsstunden liefen sachlich und ohne Peinlichkeiten ab. Die Geschlechtsorgane wurden schematisch gezeichnet und die Funktion erklärt.
Ich musste wohl mal an meinen Ex-Seminarleiter denken mit seinem Faible für naturalistisches Anschauungsmaterial. Schade, dass nie einer auf die Idee gekommen war, ihn zu fragen, wie er es damit beim Sexualkunde-Unterricht hielt!
Aber ehe ich mich jetzt in Details verliere, zurück zum Wesentlichen. Und das war wieder dasselbe wie bereits im Referendarjahr in der Hauptschule: ich konnte nicht für Disziplin sorgen und mir keinen Respekt verschaffen.
Es war ein ständiger Kampf. Ich hatte Albträume von Schulratbesuchen und Schülern, die im Flur Rollschuh liefen. Mir war manchmal auf dem Schulweg speiübel. Die Nachmittage verbrachte ich mit Unterrichtsvorbereitungen und mit den wildesten Überlegungen, wie ich die Schüler motivieren konnte, nur um zu vermeiden, dass ich rumschrie und mich aufführte wie ein Kampfhirsch!
Ich konnte ja nicht andauernd Filme zeigen (obwohl den Kindern das Spaß machte); außerdem war die Rheinhauser Stadtbildstelle inzwischen aufgelöst, und in Duisburg musste man die Filme langfristig vorbestellen.
Jedenfalls konnte ich mit diesem ständigen Gefühl der Unzulänglichkeit nicht fertig werden. Nach einem besonders schlimmen Vormittag stand dann mein Entschluss fest.
Ich schrieb mein Entlassungsgesuch an das Schulamt, und warf den Brief auch sofort ein!
Mein Rektor und die Kollegen konnten mich nicht mehr davon abhalten. Die Würfel waren gefallen.
Nachtrag:
Trotz der Beschäftigung mit meinen eigenen Problemen war mir nicht entgangen, dass inzwischen eine Prognose von Futurologen eingetroffen war: das, was sich zur heutigen Massenarbeitslosigkeit ausweitete, hatte bereits begonnen. Aber ich glaubte, mit meinem Pädagogikstudium einige gute Chancen zu haben. Ein großer Irrtum, wie sich zeigen sollte!
Ich fand zwar Arbeit, jedoch nicht ohne "sozialen Abstieg". Es vergingen viele Monate, angefüllt mit Herumjobben, ehe ich endlich einen Arbeitsplatz fand, an dem ich mich wohl fühlte und ein gutes Gehalt bekam, wenn auch nie mehr soviel wie als Lehrerin.
So hatte ich durch mein Studium einerseits das Land unnötig Geld gekostet, aber andererseits nicht viel länger als ein halbes Jahr lang als lausige Lehrerin Schüler gequält, sondern frühzeitig die Biege gemacht, was nicht nur meinen Nerven, sondern sicher auch zahlreichen Schülern zugute gekommen ist
Kommentare (0)