Der Leichenwäscher


Der Leichenwäscher ist tot, aber frisch.
Sein Herzinfarkt hinterlässt Frau und Mutter,
zwei säugende Kinder und sieben Leichen
in der Friedhofshalle,
vierundvierzig zur Zeit im Landkreis,
einen rustikalen Kleiderschrank und
zwei Truhen mit Goldschmuck,
Ringe aus Gold von Zähnen, von Fingern und Ohren
entpierct von Nabeln, Lippen und Nasen
Die Ringe sind teuer, garantiert.
Ich erinnere wie stolz er sich
durch die Haare strich und über Nacken.
Mir fällt mein noch lebender Bruder ein und Knecht,
dessen Ruf am Nachmittag: "Frische Leichen bei lebendigem Leib!"
Wie teuer die Kühlung im Sommer sein muss!
Und der Geruch des Balsam, so penetrant!
Junge Leichen halten sich frisch, auch wenn sie tot sind.
Mädchen und Frauen unter vierzig auch.
Die farbigen Cremes und Tuschen für die Schminke genauso,
wenn Sie auf der Palette nicht eingetrocknet.
Der Leichenwäscher liegt Gold geschmückt in Satin.
Ganz frisch,
sein Gesicht nach oben und nackt
für Interessenten und die Familie.
Er war gestern todmüde,
ist jetzt aber frisch.
Der Deckel wird heute geschlossen.

© Horst Ditz

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Kommentare (4)

immergruen Und das ist gut so, denn gerafft wird genug unter den Lebenden. Täten es auch die Toten, gingen Mord und Krieg auch im Jenseits weiter.
pelagia fiel mir auch eine Liedzeile ein: Das letzte Hemd hat leider keine Taschen... und wiederum gelungen, was Du zwischen den Zeilen lesen lässt.
annefa besonders die Stelle mit den zwei Truhen auf..sind schon Einige in letzter Zeit deshalb verklagt worden.
Habe nun schon Deine Bilder bewundert...Dali lässt ein wenig grüßen? Anne
ehemaliges Mitglied da fällt mir doch so spontan eine Liedzeile aus einem Lied von Konstantin Wecker ein:
"An manchen Fensterkreuz hängen Tote, die erst in ein paar Jahren sterben werden........"
Grandios geschrieben, Danke fürs Lesen. Lieben Gruß Meli

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