Das Schmieden
Das Schmieden
Irgendwie mußte es weitergehen. Mutti und ich arbeiteten auf den Feldern und in den Scheunen des Rittergutes in Hämelschenburg. Im Herbst 1945 waren wir im Dorf gelandet. Wir brauchten Kartoffeln und andere Feldfrüchte, Holz zum Heizen mußte beschafft werden. Also zogen wir mit Anderen als Tagelöhner hinaus, klaubten die gerodeten Dingen zusammen. Klamme Finger, Rückenschmerzen, kalte Füße in den Stadtschuhen auf dem lehmreichen, schweren Boden.
Es war nicht viel, was als Deputat dabei heraussprang, aber wir hatten zu essen, mehr als wir bis zur Flucht aus der sowjetisch besetzten Zone erhielten. Und diese Arbeit war schon garnicht geeignet, sie bis an das Lebensende als Beruf anzusehen.
Der Besuch einer Höheren Lehranstalt fiel flach, man nahm in Hameln an der Weser niemanden aus der Ferne auf. Also gingen Mutti und ich nach Hameln zum Arbeitsamt, um für mich eine Lehrstelle zu bekommen. Gewünscht hatte ich ein Lehre bei einem Rundfunkgerätehändler. Auch Elektriker war wünschbar, wenn ich schon nicht mehr an den Jugendtraum, Förster zu werden, glauben konnte.
Zwei Angebote machte uns der Beamte: „Maurer“ oder „Schmied“. Maurer, das war am Anfang ein Knochenjob, durfte doch so’n Stift erst einmal Speis und Steine die Leitern hinauf schleppen, ehe es zum eigentlich Lernen des Berufes kam. Das war damals so.
Ich entschied mich für die Lehre bei einem Schmied
Etwas hatte ich ja schon gesehen und erlebt, was Schlosser, Gießer und Former so machen, als ich noch in Eichwalde in einer Gießerei eine kurze Zeit gearbeitet hatte; da befürchtete man ständig die Liquidierung der Maschinen durch die Sowjets. Am liebsten lernte ich in der Formerei, das Schrubben am Schraubstock an einem Eisenstück gemäß Ausbildungsrichtlinie der Lehrunterlagen der NS-Reichsarbeitsfront war nicht mein Geschmack, von den Formern bekam ich richtig etwas über Metallurgie und Gießtechnik erklärt – vielleicht war es auch noch das kindliche Spiel wie im Buddelkasten.
Vater erzählte, daß wir doch einen Vorfahren hatten, der beim „Alten Dessauer“ «Reit- und Kurschmied» war, eine exponierte Stelle bei Hofe als Schmied und Pferdedoktor. So könnte ich dem doch nacheifern.
Ich siedelte zu dem Schmiedemeister Willi Ringe in Kirchohsen an der Weser über, bekam in einer Kammer mein eigenes Bett – zu Hause schliefen wir in Etagenbetten auf engstem Raum – der Neffe des Meisters, gerade vom Minenräumen in der Nordsee befreit, ein stolzer Maat aus Berlin, war der eine Mitschläfer, arbeitete bei dem Onkel als gelernter Schmiedegeselle, der andere war bei der Firma „Beton und Monier“ bei der Instandsetzung der Eisenbahnbrücke über die Weser beschäftigt, hatte auch sein Bett in der Kammer.
Morgens in aller Frühe ging es raus in den Hof, der Geselle erwartete, daß ich an der Pumpe ihm das Wasser hochzog, er bedankte sich dann mit dem gleichen Dienst, immer mit bloßem Oberkörper, sommers wie winters. Ich mußte dann rauf, bei der Meisterin die Eimer für das Wasser holen und gefüllt in den ersten Stock schleppen. Dann nahm ich auf einer Kohlenschaufel Glut aus dem Küchenherd, brachte es zur ruhenden Esse, bediente den Blasebalg und fachte das Feuer an, deckte es danach mit angeglühter Kohle ab, wenn noch keine Arbeit anlag. Doch meistens, stand da schon ein Bauer mit seinem Gespann wartete auf das Personal. Also selten Zeit, noch das Frühstück einzunehmen. Das brachte die Meisterin dann so gegen zehn Uhr in die Schmiede und stellte es auf die Werkbank vor dem Fenster.
Das schmächtige, unterernährte Bürschchen, das ich damals war, bekam von Mutti aus Zelt-bahnstoff eine Montur, der Sattler Schomburg in Hämelschenburg schneiderte mir eine Schmiedeschürze aus Lkw-Plane als Ersatz für die sonst übliche Schürze aus Leder. Als Schuhwerk mußten Holzschuhe herhalten. Der Meister spendierte ein einfaches Hufmesser. Fertig war der „Mann“. Die Hämmer waren allesamt für mich zu schwer, also gab der Meister einen Vorschlaghammer, so einen, womit er das Eisen bearbeitete und beim Draufschlagen mit den Großen Hämmern den Takt schlug, so einem „Hämmerchen“ mußte der Stellmacher einen langen Stiel verpassen.
Ich lernte das Draufschlagen in der Gruppe zu zweit und zu dritt. Ein schönes Arbeiten, der Klang des Ambosses beim Takten des Schmiedes klingt mir noch heute in den Ohren, da klingt der „Ruf“ des Meisters mit seinem Vorschlaghammer „Ding-Ding—Ding-Ding—Ding-Ding“,
wie bin ich dann gewetzt, denn das Eisen in der Esse war immer kurz vor dem Brennen, wenn der Meister rief, dann mußte ich meine ganze Kraft in die Arme bringen und mit meiner Hammerfläche genau dahin schlagen, wo der Meister oder der Geselle mit dem Vorschlaghammer das glühende Eisen markierte.
Wehe dem, wenn ich bei der Arbeit nicht achtsam war: Geselle Karlheinz wurde Opfer meines Fehlschlages, sein Daumen fing den Schlag mit dem großen Hammer auf, eine Ohrfeige war die Quittung, wie ist denn mein Hammer da auf meine Schulter gekommen, und ich hockte hinter der Esse ?!
Ein anderes Mal waren der Meister und ich dabei eine besondere Zange zu schmieden. Sein „Drauf“ mit milden Schlägen, war nicht schnell genug, das Schweißen der beiden zusammenzufügenden Teile funktionierte nicht, er ließ ein Teil los, mein nächster Schlag beförderte dieses in die hinter uns stehende Hufnagelkiste, ich hatte den Kopf eingezogen, des Meisters Rechte zog ohne Anschlag über meinen Kopf hinweg. „Du pickerst wie ein Spatz darauf!“
Aber nicht bloß Menschen litten unter meinem Lernen. Als ich einen „Belgier“ hinten aufhalten mußte, dazu stemmt man sich zwischen die Arschbacken des Gaules und platziert die hochzuhebende Hinterhand auf den Oberschenkel, der Geselle kommt mit dem warmgemachten Eisen zum Anpassen des Eisens an den Huf, der ätzende Qualm vom verbrannten Huf steigt in Nase und Augen, wieder zurück zur Esse zum neuerlichen Anwärmen des Eisen und dem passenden Formen, etwas Entspannung und … schon rutschte die Hinterhand seitlich weg, ein Hieb und ich flog durch die Schmiede.
Ein anderes Mal mußte ich die „Bremse“ an der Nase eines Hengstes halten, Karlheinz nahm die Vorderhand zwischen die Beine und raspelte den Huf zurecht, hatte die eingeschlagenen Hufnägel noch nicht alle abgekniffen und vernietet, da reißt sich der Patient los, verletzt dabei Karlheinzens Finger, in Wut nahm Karlheinz seinen Schmiedehammer und knallte die Breitseite auf die Arschbacke des Übeltäters – der Einschlag war deutlich zu sehen, gerade wie ein Brandzeichen.
Kohlenmangel, für die Schmiede einfach das Aus. Also ging es in der Saison hinüber zur Zuckerfabrik, die Kohle genug auf Halde hatte, heimlich wurden einige Eimer voll davon gemopst. Für mich war es dann immer ein schlimmes Arbeiten, wenn ich unter die Esse in das Kohlenloch rutschen und die letzten Krümel zusammenkratzen mußte.
Arbeit gab es den ganzen Tag lang. Hatte ein Bauer seine neuen Räder vom Stellmacher zu uns in die Schmiede gebracht, hieß das für mich, (bis wir endlich ein kleines Gebläse bekamen) den löchrigen Blasebalg zu bedienen, denn es brauchte schon seine Zeit, bis der neue, auf das Rad aufzuziehende Reifen glutwarm war. Wenn vom alten Rad noch der Reifen vorhanden war, brauchte man nicht extra neues Bandeisen, das nach dem Abmessen zu einem Ring im Feuer der Esse zusammengeschweißt werden mußte. Aber immer galt es, daß der Reifen passend gestreckt oder gestaucht werden mußte, immer wieder wurde der Innenumfang des Reifens mit einem Meßrad gemessen und mit dem Außenumfang des neuen Rades verglichen. Wenn das dann paßte, mußte ich im Hof Reisig so auslegen und anbrennen, daß man darin die neuen Stahlreifen gleichmäßig warmhalten konnte. Das neue Rad wurde mit drei Pfählen hochgestemmt. Wenn der Reifen die richtige Wärme hatte, wurde er von zwei Mann mit Zangen aus der Glut gehoben und auf die Felge des Rades bugsiert, vorsichtig rundherum positioniert, das Eisen schmorte sich in das Holz der Felge. Dann mußte es ganz schnell gehen, das Rad wurde von seiner Halterung befreit, senkrecht in eine Wasserwanne gestellt und schnell und gleichmäßig gedreht, da und dort noch mit Schlägen nachjustiert. Da ging so’n halber Tag dabei rum.
Samstagmittag verließen Meister und Geselle den Arbeitsbereich, dann hatte ich die Arbeit, die Schmiede zu reinigen, das Alteisenlager hinterm Haus aufzuräumen, zu sortieren, den Schweinestall zu putzen. „Lehrjahre sind keine Herrenjahre!“. Ich bin dann meistens nicht mehr die sechs Kilometer nach Hämelschenburg nach Hause gelaufen, bin in Kirchohsen geblieben. Dafür durfte ich an Ultimo sonntags die Rechnungen austragen.
Buchäckern sammeln, nicht zu Hause, nein hier für die Meisterin. - Einem auf der Weide verendeten Pferd die gerade mit meiner Mithilfe aufgezogenen, neuen Eisen abzunehmen, der Gaul hat mich dabei überhaupt nicht unterstützt, er war eben tot. -
Auch der Haushalt der Schmiede brauchte Holz, also zogen wir hinaus in den Buchenwald und zerstückelten die gefällten Bäume, gut, wenn man sich warm rackerte, fies, wenn man nach einer Pause wieder auf Touren kommen mußte, Eiseskälte.
Schlimm war es, wenn Eisglätte das „Scharfmachen“ der Hufeisen unverzüglich erforderte. Da ging’s schon morgens um viere an die Arbeit, im späten Abend waren dann die letzten Rösser mit Hufeisen versehen worden, die teilweise Schraubstollen trugen.
Berufsschule in Hameln. Für das Fahren zur Schule brauchte ich Fahrgeld, das brachte ich mir an den Wochenenden davor von zu Hause mit. Weil ich doch in der Stadt war, „durfte“ ich vom Eisenwarenhandel die Zuteilung an Hufeisen-Rohlingen heimschleppen.
Ich bekam kein Lehrlingsgeld, was ich brauchte, mußte ich mir zu Hause holen. Für die Rente wurde nichts einbezahlt. Zu Weihnachten bekam ich eine von einem Flüchtling geschneiderte Mütze, die mit selbstgebackenen Keksen gefüllt war. Aber ich hatte ja so gut zu essen, daß ich manches Mal das Klo aufsuchen mußte, weil ich es nach dem Hungern nicht vertrug.
Britische Bomber hatten im Krieg die Eder-Talsperrmauer bombardiert. Im Winter 1946/47 mußte man viel Wasser ablassen, es gab im Wesertal Hochwasser. Die Schmiede stand unter Wasser, der Elektromotor für die Transmission wurde unter die Decke gehängt, der Karbidgas-Generator wurde hochgestellt, die Schweine kamen auf den Dachboden. Ein Wasserfahrzeug aus zwei Bojentanks und zwei Bandeisen wurde so aneinander geschweißt, daß man darin den Sengetrog (zum Schlachten) einbinden konnte, also konnte man trockenen Fußes durchs Dorf staken, Besorgungen erledigen, Schmiedearbeiten ruhten.
Ich litt unter Furunkulose, gerade auf den Kniescheiben. Ich war ständig am Husten. Man hatte den Verdacht auf Tuberkulose. Es war Asthma. Ich mußte nun des Öfteren zum Gesundheitsamt zur Beobachtung. Es hatte keinen Sinn, die Lehre fortzusetzen.
Ein Jahr lang durfte ich mit Allem dieses so interessanten Berufes vertraut werden, hat schon meine Träume, so nach der Schmiedelehre auch noch Stellmacher und Sattler zu erlernen, Kutschen wollte ich bauen.
Die Schmiede in Kirchohsen gibt es schon lange nicht mehr. Eine Zeitlang gab es ja kaum noch Pferde zu beschlagen, moderne Landmaschinen breiteten sich aus, der Traktor übernahm das Ziehen und Schleppen in der Landwirtschaft.
Samstag, 17. Januar 2009. Heute sah ich im Fernsehen die Sendung über den Böhmischen Schmied. Es riß mich. Das Schmieden, die Erinnerungen dazu. Ich glaube, würde man mich mit dem Vorschlag zum Amboß rufen, ich eilte – ob ich noch die Kraft habe ?
Februar 2009. Wir sind nach Rixdorf (früher "bei Berlin", heute Stadtteil von Berlin-Neukölln) gefahren. Da gibt es eine Schmiede unter Denkmalschutz: Still ist es dadrin, aber die Einrichtung, die Esse (kalt), die vielen Zangen für die Schmiedearbeiten, immer dann speziell gefertigt, um ein Werkstück richtig greifen zu können. Das Bengern klang auch nicht. Kein echtes Leben, nur eben echter Ruß, echte Asche, echte angebackene Kohle. Wehmut und ... Gedanken an meinen Vater, der vor 104 Jahren in diesem Ort geboren wurde.
Wenn ich so nachdenke, aus der Schmiedelehre habe ich eines mitgenommen:
Wenn mehr als einige Handgriffe sich wiederholen, dann baue ich mir ein Werkzeug - so auch im Programmeschreiben im Basteln von Funktionen und Routinen.
ortwin
Irgendwie mußte es weitergehen. Mutti und ich arbeiteten auf den Feldern und in den Scheunen des Rittergutes in Hämelschenburg. Im Herbst 1945 waren wir im Dorf gelandet. Wir brauchten Kartoffeln und andere Feldfrüchte, Holz zum Heizen mußte beschafft werden. Also zogen wir mit Anderen als Tagelöhner hinaus, klaubten die gerodeten Dingen zusammen. Klamme Finger, Rückenschmerzen, kalte Füße in den Stadtschuhen auf dem lehmreichen, schweren Boden.
Es war nicht viel, was als Deputat dabei heraussprang, aber wir hatten zu essen, mehr als wir bis zur Flucht aus der sowjetisch besetzten Zone erhielten. Und diese Arbeit war schon garnicht geeignet, sie bis an das Lebensende als Beruf anzusehen.
Der Besuch einer Höheren Lehranstalt fiel flach, man nahm in Hameln an der Weser niemanden aus der Ferne auf. Also gingen Mutti und ich nach Hameln zum Arbeitsamt, um für mich eine Lehrstelle zu bekommen. Gewünscht hatte ich ein Lehre bei einem Rundfunkgerätehändler. Auch Elektriker war wünschbar, wenn ich schon nicht mehr an den Jugendtraum, Förster zu werden, glauben konnte.
Zwei Angebote machte uns der Beamte: „Maurer“ oder „Schmied“. Maurer, das war am Anfang ein Knochenjob, durfte doch so’n Stift erst einmal Speis und Steine die Leitern hinauf schleppen, ehe es zum eigentlich Lernen des Berufes kam. Das war damals so.
Ich entschied mich für die Lehre bei einem Schmied
Etwas hatte ich ja schon gesehen und erlebt, was Schlosser, Gießer und Former so machen, als ich noch in Eichwalde in einer Gießerei eine kurze Zeit gearbeitet hatte; da befürchtete man ständig die Liquidierung der Maschinen durch die Sowjets. Am liebsten lernte ich in der Formerei, das Schrubben am Schraubstock an einem Eisenstück gemäß Ausbildungsrichtlinie der Lehrunterlagen der NS-Reichsarbeitsfront war nicht mein Geschmack, von den Formern bekam ich richtig etwas über Metallurgie und Gießtechnik erklärt – vielleicht war es auch noch das kindliche Spiel wie im Buddelkasten.
Vater erzählte, daß wir doch einen Vorfahren hatten, der beim „Alten Dessauer“ «Reit- und Kurschmied» war, eine exponierte Stelle bei Hofe als Schmied und Pferdedoktor. So könnte ich dem doch nacheifern.
Ich siedelte zu dem Schmiedemeister Willi Ringe in Kirchohsen an der Weser über, bekam in einer Kammer mein eigenes Bett – zu Hause schliefen wir in Etagenbetten auf engstem Raum – der Neffe des Meisters, gerade vom Minenräumen in der Nordsee befreit, ein stolzer Maat aus Berlin, war der eine Mitschläfer, arbeitete bei dem Onkel als gelernter Schmiedegeselle, der andere war bei der Firma „Beton und Monier“ bei der Instandsetzung der Eisenbahnbrücke über die Weser beschäftigt, hatte auch sein Bett in der Kammer.
Morgens in aller Frühe ging es raus in den Hof, der Geselle erwartete, daß ich an der Pumpe ihm das Wasser hochzog, er bedankte sich dann mit dem gleichen Dienst, immer mit bloßem Oberkörper, sommers wie winters. Ich mußte dann rauf, bei der Meisterin die Eimer für das Wasser holen und gefüllt in den ersten Stock schleppen. Dann nahm ich auf einer Kohlenschaufel Glut aus dem Küchenherd, brachte es zur ruhenden Esse, bediente den Blasebalg und fachte das Feuer an, deckte es danach mit angeglühter Kohle ab, wenn noch keine Arbeit anlag. Doch meistens, stand da schon ein Bauer mit seinem Gespann wartete auf das Personal. Also selten Zeit, noch das Frühstück einzunehmen. Das brachte die Meisterin dann so gegen zehn Uhr in die Schmiede und stellte es auf die Werkbank vor dem Fenster.
Das schmächtige, unterernährte Bürschchen, das ich damals war, bekam von Mutti aus Zelt-bahnstoff eine Montur, der Sattler Schomburg in Hämelschenburg schneiderte mir eine Schmiedeschürze aus Lkw-Plane als Ersatz für die sonst übliche Schürze aus Leder. Als Schuhwerk mußten Holzschuhe herhalten. Der Meister spendierte ein einfaches Hufmesser. Fertig war der „Mann“. Die Hämmer waren allesamt für mich zu schwer, also gab der Meister einen Vorschlaghammer, so einen, womit er das Eisen bearbeitete und beim Draufschlagen mit den Großen Hämmern den Takt schlug, so einem „Hämmerchen“ mußte der Stellmacher einen langen Stiel verpassen.
Ich lernte das Draufschlagen in der Gruppe zu zweit und zu dritt. Ein schönes Arbeiten, der Klang des Ambosses beim Takten des Schmiedes klingt mir noch heute in den Ohren, da klingt der „Ruf“ des Meisters mit seinem Vorschlaghammer „Ding-Ding—Ding-Ding—Ding-Ding“,
wie bin ich dann gewetzt, denn das Eisen in der Esse war immer kurz vor dem Brennen, wenn der Meister rief, dann mußte ich meine ganze Kraft in die Arme bringen und mit meiner Hammerfläche genau dahin schlagen, wo der Meister oder der Geselle mit dem Vorschlaghammer das glühende Eisen markierte.
Wehe dem, wenn ich bei der Arbeit nicht achtsam war: Geselle Karlheinz wurde Opfer meines Fehlschlages, sein Daumen fing den Schlag mit dem großen Hammer auf, eine Ohrfeige war die Quittung, wie ist denn mein Hammer da auf meine Schulter gekommen, und ich hockte hinter der Esse ?!
Ein anderes Mal waren der Meister und ich dabei eine besondere Zange zu schmieden. Sein „Drauf“ mit milden Schlägen, war nicht schnell genug, das Schweißen der beiden zusammenzufügenden Teile funktionierte nicht, er ließ ein Teil los, mein nächster Schlag beförderte dieses in die hinter uns stehende Hufnagelkiste, ich hatte den Kopf eingezogen, des Meisters Rechte zog ohne Anschlag über meinen Kopf hinweg. „Du pickerst wie ein Spatz darauf!“
Aber nicht bloß Menschen litten unter meinem Lernen. Als ich einen „Belgier“ hinten aufhalten mußte, dazu stemmt man sich zwischen die Arschbacken des Gaules und platziert die hochzuhebende Hinterhand auf den Oberschenkel, der Geselle kommt mit dem warmgemachten Eisen zum Anpassen des Eisens an den Huf, der ätzende Qualm vom verbrannten Huf steigt in Nase und Augen, wieder zurück zur Esse zum neuerlichen Anwärmen des Eisen und dem passenden Formen, etwas Entspannung und … schon rutschte die Hinterhand seitlich weg, ein Hieb und ich flog durch die Schmiede.
Ein anderes Mal mußte ich die „Bremse“ an der Nase eines Hengstes halten, Karlheinz nahm die Vorderhand zwischen die Beine und raspelte den Huf zurecht, hatte die eingeschlagenen Hufnägel noch nicht alle abgekniffen und vernietet, da reißt sich der Patient los, verletzt dabei Karlheinzens Finger, in Wut nahm Karlheinz seinen Schmiedehammer und knallte die Breitseite auf die Arschbacke des Übeltäters – der Einschlag war deutlich zu sehen, gerade wie ein Brandzeichen.
Kohlenmangel, für die Schmiede einfach das Aus. Also ging es in der Saison hinüber zur Zuckerfabrik, die Kohle genug auf Halde hatte, heimlich wurden einige Eimer voll davon gemopst. Für mich war es dann immer ein schlimmes Arbeiten, wenn ich unter die Esse in das Kohlenloch rutschen und die letzten Krümel zusammenkratzen mußte.
Arbeit gab es den ganzen Tag lang. Hatte ein Bauer seine neuen Räder vom Stellmacher zu uns in die Schmiede gebracht, hieß das für mich, (bis wir endlich ein kleines Gebläse bekamen) den löchrigen Blasebalg zu bedienen, denn es brauchte schon seine Zeit, bis der neue, auf das Rad aufzuziehende Reifen glutwarm war. Wenn vom alten Rad noch der Reifen vorhanden war, brauchte man nicht extra neues Bandeisen, das nach dem Abmessen zu einem Ring im Feuer der Esse zusammengeschweißt werden mußte. Aber immer galt es, daß der Reifen passend gestreckt oder gestaucht werden mußte, immer wieder wurde der Innenumfang des Reifens mit einem Meßrad gemessen und mit dem Außenumfang des neuen Rades verglichen. Wenn das dann paßte, mußte ich im Hof Reisig so auslegen und anbrennen, daß man darin die neuen Stahlreifen gleichmäßig warmhalten konnte. Das neue Rad wurde mit drei Pfählen hochgestemmt. Wenn der Reifen die richtige Wärme hatte, wurde er von zwei Mann mit Zangen aus der Glut gehoben und auf die Felge des Rades bugsiert, vorsichtig rundherum positioniert, das Eisen schmorte sich in das Holz der Felge. Dann mußte es ganz schnell gehen, das Rad wurde von seiner Halterung befreit, senkrecht in eine Wasserwanne gestellt und schnell und gleichmäßig gedreht, da und dort noch mit Schlägen nachjustiert. Da ging so’n halber Tag dabei rum.
Samstagmittag verließen Meister und Geselle den Arbeitsbereich, dann hatte ich die Arbeit, die Schmiede zu reinigen, das Alteisenlager hinterm Haus aufzuräumen, zu sortieren, den Schweinestall zu putzen. „Lehrjahre sind keine Herrenjahre!“. Ich bin dann meistens nicht mehr die sechs Kilometer nach Hämelschenburg nach Hause gelaufen, bin in Kirchohsen geblieben. Dafür durfte ich an Ultimo sonntags die Rechnungen austragen.
Buchäckern sammeln, nicht zu Hause, nein hier für die Meisterin. - Einem auf der Weide verendeten Pferd die gerade mit meiner Mithilfe aufgezogenen, neuen Eisen abzunehmen, der Gaul hat mich dabei überhaupt nicht unterstützt, er war eben tot. -
Auch der Haushalt der Schmiede brauchte Holz, also zogen wir hinaus in den Buchenwald und zerstückelten die gefällten Bäume, gut, wenn man sich warm rackerte, fies, wenn man nach einer Pause wieder auf Touren kommen mußte, Eiseskälte.
Schlimm war es, wenn Eisglätte das „Scharfmachen“ der Hufeisen unverzüglich erforderte. Da ging’s schon morgens um viere an die Arbeit, im späten Abend waren dann die letzten Rösser mit Hufeisen versehen worden, die teilweise Schraubstollen trugen.
Berufsschule in Hameln. Für das Fahren zur Schule brauchte ich Fahrgeld, das brachte ich mir an den Wochenenden davor von zu Hause mit. Weil ich doch in der Stadt war, „durfte“ ich vom Eisenwarenhandel die Zuteilung an Hufeisen-Rohlingen heimschleppen.
Ich bekam kein Lehrlingsgeld, was ich brauchte, mußte ich mir zu Hause holen. Für die Rente wurde nichts einbezahlt. Zu Weihnachten bekam ich eine von einem Flüchtling geschneiderte Mütze, die mit selbstgebackenen Keksen gefüllt war. Aber ich hatte ja so gut zu essen, daß ich manches Mal das Klo aufsuchen mußte, weil ich es nach dem Hungern nicht vertrug.
Britische Bomber hatten im Krieg die Eder-Talsperrmauer bombardiert. Im Winter 1946/47 mußte man viel Wasser ablassen, es gab im Wesertal Hochwasser. Die Schmiede stand unter Wasser, der Elektromotor für die Transmission wurde unter die Decke gehängt, der Karbidgas-Generator wurde hochgestellt, die Schweine kamen auf den Dachboden. Ein Wasserfahrzeug aus zwei Bojentanks und zwei Bandeisen wurde so aneinander geschweißt, daß man darin den Sengetrog (zum Schlachten) einbinden konnte, also konnte man trockenen Fußes durchs Dorf staken, Besorgungen erledigen, Schmiedearbeiten ruhten.
Ich litt unter Furunkulose, gerade auf den Kniescheiben. Ich war ständig am Husten. Man hatte den Verdacht auf Tuberkulose. Es war Asthma. Ich mußte nun des Öfteren zum Gesundheitsamt zur Beobachtung. Es hatte keinen Sinn, die Lehre fortzusetzen.
Ein Jahr lang durfte ich mit Allem dieses so interessanten Berufes vertraut werden, hat schon meine Träume, so nach der Schmiedelehre auch noch Stellmacher und Sattler zu erlernen, Kutschen wollte ich bauen.
Die Schmiede in Kirchohsen gibt es schon lange nicht mehr. Eine Zeitlang gab es ja kaum noch Pferde zu beschlagen, moderne Landmaschinen breiteten sich aus, der Traktor übernahm das Ziehen und Schleppen in der Landwirtschaft.
Samstag, 17. Januar 2009. Heute sah ich im Fernsehen die Sendung über den Böhmischen Schmied. Es riß mich. Das Schmieden, die Erinnerungen dazu. Ich glaube, würde man mich mit dem Vorschlag zum Amboß rufen, ich eilte – ob ich noch die Kraft habe ?
Februar 2009. Wir sind nach Rixdorf (früher "bei Berlin", heute Stadtteil von Berlin-Neukölln) gefahren. Da gibt es eine Schmiede unter Denkmalschutz: Still ist es dadrin, aber die Einrichtung, die Esse (kalt), die vielen Zangen für die Schmiedearbeiten, immer dann speziell gefertigt, um ein Werkstück richtig greifen zu können. Das Bengern klang auch nicht. Kein echtes Leben, nur eben echter Ruß, echte Asche, echte angebackene Kohle. Wehmut und ... Gedanken an meinen Vater, der vor 104 Jahren in diesem Ort geboren wurde.
Wenn ich so nachdenke, aus der Schmiedelehre habe ich eines mitgenommen:
Wenn mehr als einige Handgriffe sich wiederholen, dann baue ich mir ein Werkzeug - so auch im Programmeschreiben im Basteln von Funktionen und Routinen.
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